Entscheidungsstichwort (Thema)
Buchwertfortführung bei Spaltung von Unternehmen
Leitsatz (amtlich)
Die Buchwertfortführung nach § 11 Abs. 1 UmwStG 1995 in Fällen der Spaltung von Unternehmen ist nach § 15 Abs. 3 Satz 4 UmwStG 1995 unwiderleglich in allen Fällen ausgeschlossen, in denen die Anteile innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag unter den weiteren Voraussetzungen dieser Regelung veräußert werden.
Normenkette
UmwStG 1995 § 11 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 3-4
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Entscheidung vom 27.04.2004; Aktenzeichen 6 K 5068/01 K,F; EFG 2004, 1647) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der A-GmbH (vormals: B-GmbH). Sie betreibt den Einzelhandel mit Lebensmitteln, Textilien, Haus- und Gartenartikeln. Die B-GmbH gehörte zur "B-Gruppe", die verschiedene SB-Warenhäuser betrieb und durchschnittlich … Mitarbeiter auf Vollzeitbasis beschäftigte. Rechtlich bestand die B-Gruppe aus der C-GmbH, der B-GmbH, D-GmbH, E-GmbH, F-GmbH und G-GmbH. Die Anteile an diesen Gesellschaften hielten ―jeweils im Privatvermögen― H, seine Ehefrau (E) sowie deren drei Kinder mit jeweils 20 v.H.
Mit Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 20. Mai 1995 übertrugen die B-GmbH und die D-GmbH jeweils ein SB-Warenhaus als Teilbetrieb auf die zuvor im Oktober 1993 gegründete G-GmbH (Spaltung zur Aufnahme nach § 123 Abs. 2 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes ―UmwG―). Als Teilbetrieb der B-GmbH wurde das "Einkaufszentrum A" übertragen. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 19. Juli 1995. Als Abspaltungsstichtag sollte der 1. Oktober 1994 gelten. Gemäß den vertraglichen Vereinbarungen (§ 2 Abs. 2 des Vertrages) erfolgte die Abspaltung und Aufnahme nach §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 11 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) zu Buchwerten.
Durch einen einheitlichen Vertrag wurden sämtliche Anteile an der B-GmbH, der G-GmbH sowie aller übrigen zur B-Gruppe gehörenden Gesellschaften zum 31. Dezember 1997 an die Y-GmbH & Co. KG verkauft.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der Klägerin vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Auffassung, dass durch den Verkauf der Anteile innerhalb der Fünf-Jahres-Frist des § 15 Abs. 3 Satz 4 UmwStG 1995 zum 31. Dezember 1997 die Möglichkeit zur Buchwertverknüpfung im Rahmen der Spaltung rückwirkend entfallen sei. Die in den übergegangenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven einschließlich eines Firmenwerts des Teilbetriebs (insgesamt … DM) seien daher aufzudecken und von der Klägerin zu versteuern.
Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1647 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG, den geänderten Feststellungsbescheid über Körperschaftsteuer 1995 vom 15. November 2000 und die Einspruchsentscheidung vom 1. August 2001 aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1995 ohne Berücksichtigung der in dem Teilbetrieb "Einkaufszentrum A" enthaltenen stillen Reserven festzusetzen und die Folgefeststellungen entsprechend zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die in dem Teilbetrieb "Einkaufszentrum A" entstandenen stillen Reserven einschließlich des entsprechenden Firmenwertes der Besteuerung zu unterwerfen sind.
1. Geht das Vermögen einer Körperschaft durch Aufspaltung oder Abspaltung oder durch Teilübertragung auf andere Körperschaften über, können gemäß § 15 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 die Buchwerte fortgeführt werden. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden (§ 15 Abs. 3 Satz 3 UmwStG 1995). Davon ist auszugehen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 v.H. der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden (§ 15 Abs. 3 Satz 4 UmwStG 1995).
a) Der Senat folgt der Auffassung, nach der § 15 Abs. 3 Satz 4 UmwStG 1995 eine unwiderlegbare Vermutung enthält, die in allen Fällen zum Zuge kommt, in denen innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile veräußert werden, die mehr als 20 v.H. der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen (Dötsch in Dötsch/ Eversberg/Jost/Pung/Witt, Umwandlungssteuergesetz, § 15 Tz. 124; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl., § 15 UmwStG Tz. 145; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz/Umwandlungssteuergesetz, § 15 UmwStG Tz. 48; Widmann in Widmann/ Meyer, Umwandlungsrecht, § 15 Rz. 298). Die gegenteilige Auffassung (Haritz in Haritz/Benkert, Umwandlungssteuergesetz, § 15 Tz. 111; Neyer, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2002, 2200; Dieterlen/Golücke, GmbH-Rundschau ―GmbHR― 2004, 1264), nach der es sich lediglich um eine widerlegbare gesetzliche Beweislastregel handeln soll, steht mit dem Gesetzeswortlaut nicht im Einklang. "Davon ist auszugehen, wenn…" kann nur als eine Fiktion, die ausnahmslos gilt und nicht widerlegt werden kann, verstanden werden. Hätte der Gesetzgeber hiermit lediglich für den Normalfall eine Vermutung aufstellen wollen, hätte er dies durch einen Zusatz wie "regelmäßig", "grundsätzlich" oder dergleichen zum Ausdruck bringen müssen.
Diese Auslegung führt nicht dazu, dass die Regelung in § 15 Abs. 3 Satz 3 UmwStG 1995 leer läuft. Dies folgt schon daraus, dass Satz 4 an den vorgehenden Satz anknüpft und nur zusammen mit diesem einen Sinn erhält. Der Gesetzgeber hätte zwar Satz 3 und 4 auch in einem Satz zusammenfassen können. Die Aufteilung in zwei Sätze indiziert aber nicht, dass Satz 3 und 4 unterschiedliche Anwendungsbereiche haben und daher Satz 4, wie die Klägerin meint, nur eine Beweislastregel enthalten könne (s. auch Dieterlen/Golücke, GmbHR 2004, 1264).
b) Die Vermutung des § 15 Abs. 3 Satz 4 UmwStG 1995 gilt nicht nur für Fälle, in denen Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft veräußert werden. Der Wortlaut der Regelung erfasst vielmehr auch Fälle, in denen Anteile an beiden beteiligten Gesellschaften innerhalb der Fünf-Jahres-Frist verkauft werden.
c) Der Gesetzeszweck erfordert keine abweichende Auslegung.
Durch die Möglichkeit der Buchwertfortführung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 sollen steuerliche Hemmnisse bei der Umstrukturierung von Unternehmen beseitigt werden (BTDrucks 12/7945, S. 60 f.). Die Regelungen in § 15 Abs. 3 UmwStG 1995 dienen dazu, missbräuchliche Gestaltungen, die sich aufgrund der Möglichkeit zur Buchwertfortführung ergeben können, zu unterbinden (BTDrucks 12/6885, S. 23 zu § 15 UmwStG 1995 Nrn. 3 und 4). Die Buchwertfortführung soll in den Fällen ausgeschlossen werden, in denen die Steuerpflicht der Veräußerung eines Teilbetriebes, eines Mitunternehmeranteils oder einer 100 %igen Beteiligung dadurch umgangen wird, dass die Anteile der verbleibenden oder der aufnehmenden Körperschaft nach Abspaltung veräußert werden (BTDrucks 12/6885, S. 23).
Ob durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden (§ 15 Abs. 3 Satz 3 UmwStG 1995) oder hiermit andere Ziele verfolgt werden, lässt sich nur anhand objektiver Umstände im Wege des Rückschlusses ermitteln. Mit der Regelung in § 15 Abs. 3 Satz 4 UmwStG 1995 wollte der Gesetzgeber eine Abgrenzung vornehmen, die an einfach zu ermittelnde und objektive Umstände anknüpft, ohne dass im Einzelfall nachgeprüft werden muss, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 3 UmwStG 1995 tatsächlich vorliegen. Wie das FG zutreffend ausführt, würde diese Vereinfachung aber verfehlt, wenn im Einzelfall der Gegenbeweis geführt werden könnte, dass tatsächlich keine missbräuchliche Gestaltung vorgelegen habe. Für dieses Verständnis spricht auch der Bericht des Finanzausschusses (BTDrucks 12/7945, S. 61), nach dem die Inanspruchnahme der Buchwertfortführung davon abhängen solle, dass der Anteilseigner seine Anteile für mindestens fünf Jahre behalte.
2. Da alle Anteile an den an der Spaltung beteiligten Körperschaften ungefähr drei Jahre nach der Spaltung von den Anteilseignern veräußert wurden, entfällt die Möglichkeit der Buchwertfortführung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 UmwStG 1995. Das FG hat danach die Klage zu Recht abgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 1471361 |
BFH/NV 2006, 691 |
BStBl II 2006, 391 |
BFHE 2006, 443 |
BFHE 211, 443 |
BB 2006, 258 |
BB 2006, 373 |
DB 2006, 254 |
DStR 2006, 131 |
DStRE 2006, 251 |
DStZ 2006, 100 |
HFR 2006, 287 |
WPg 2006, 390 |
Inf 2006, 170 |
SteuerBriefe 2006, 302 |
NWB 2006, 312 |
StuB 2006, 119 |
KÖSDI 2006, 14962 |
GmbHR 2006, 218 |
NWB direkt 2006, 8 |
Konzern 2006, 156 |
SJ 2006, 25 |