Entscheidungsstichwort (Thema)
Geldschenkung an Kinder gegen "Darlehen"
Leitsatz (amtlich)
Schenkt ein Steuerpflichtiger seinen Kindern Geldbeträge, die diese ihm sogleich wieder als "Darlehen" langfristig zur Verfügung zu stellen haben, so können die Zinsen nur dann Betriebsausgaben sein, wenn der Rückzahlungsanspruch der Kinder ausreichend besichert ist. Langfristig ist jedenfalls ein Darlehen mit einer Gesamtlaufzeit von mehr als vier Jahren.
Orientierungssatz
1. Ein Vertrag zwischen nahen Angehörigen ist nur dann der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustande gekommen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung der Vereinbarung dem zwischen Fremden üblichen entsprechen. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Arbeitsverträge wie für Darlehensverträge zwischen Eltern und Kindern (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Bei Darlehensverträgen zwischen Eltern und Kindern entsprechen die Modalitäten der Darlehensgewährung nur dann dem zwischen Fremden Üblichen, wenn die Zinsen zu den Fälligkeitszeitpunkten entrichtet werden; außerdem ist eine Vereinbarung über die Laufzeit und über die Art und Zeit der Rückzahlung des Darlehens zu fordern (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Entscheidung vom 18.11.1986; Aktenzeichen II 258/83) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger ist Alleininhaber der Fa. G. Durch privatschriftlichen Vertrag vom 26.Februar 1975 schenkte er seinen Kindern A (geb. 1962), B (geb. 1963) und C (geb. 1964) jeweils 30 000 DM. Die Beträge wurden dem Betrieb sogleich wieder als Darlehen zur Verfügung gestellt.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 10.März 1976 wurde die Schenkung bestätigt. Gleichzeitig wurden die Darlehen mit Wirkung vom 1.Januar 1976 in partiarische Darlehen umgewandelt, mit denen die Kinder jeweils zu 1,5 v.H. am jährlichen Gewinn des Unternehmens beteiligt waren. Eine Beteiligung am Verlust, an den stillen Reserven und am Geschäftswert wurde nicht vereinbart. Die Darlehen waren bis zum 31.Dezember 1979 unkündbar; für die Folgezeit war eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Jahresende festgelegt. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund blieb unberührt. Bei Zuführung der Gewinnanteile zur Darlehenssumme, über die der Kläger zu befinden hatte, war der Gewinnanteil "angemessen zu erhöhen". Bei Vertragsabschluß waren die Kinder durch einen Ergänzungspfleger ver-treten. Die Verträge wurden vormundschaftsgerichtlich genehmigt.
Nach einer Außenprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die als Betriebsausgaben gebuchten Zinszahlungen in Höhe von 17 496 DM (1977), 17 964 DM (1978) und 24 200 DM (1979) den Privatentnahmen hinzu. Das Finanzgericht (FG) hat die gegen die Änderungsbescheide erhobene Klage als unbegründet abgewiesen. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 447.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide in der Weise abzuändern, daß zusätzliche Betriebsausgaben in Höhe von 17 496 DM (1977), 17 964 DM (1978) und 24 200 DM (1979) anerkannt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die streitigen Darlehenszinsen nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind.
1. Nach § 4 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Eine betriebliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Hiervon kann bei einem Vertrag zwischen nahen Angehörigen nach ständiger Rechtsprechung nur dann ausgegangen werden, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustande gekommen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung der Vereinbarung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß die Vertragsbeziehungen tatsächlich im betrieblichen und nicht in Wirklichkeit im privaten Bereich (§ 12 Nr.1 und 2 EStG) wurzeln. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Arbeitsverträge wie für Darlehensverträge zwischen Eltern und Kindern (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16.März 1977 I R 213/74, BFHE 121, 458, BStBl II 1977, 414; vom 25.Januar 1979 IV R 34/76, BFHE 127, 364, BStBl II 1979, 434). Der Darlehensvertrag und dessen tatsächliche Durchführung müssen die Trennung der Vermögens- und Einkunftssphären von Eltern und Kindern gewährleisten.
Diese Trennung ist ein wesentliches Beweisanzeichen dafür, daß die Zahlungen ihre Ursache im betrieblichen, nicht im privaten Bereich haben (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 27.November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160, unter C. III. 2.). Hiernach stellt sich die Frage, ob bei wertender Beurteilung der maßgeblichen äußeren Umstände die Zahlungen ihren Rechtsgrund in einer Zuwendung/Zahlung von Unterhalt (§ 12 Nr.1 und 2 EStG) oder in einer entgeltlichen Nutzung fremden ―hier: den Kindern gehörenden― Kapitals haben. Letzteres setzt voraus, daß durch die schenkweise Zuwendung von Geld oder einer Darlehensforderung eine bürgerlich-rechtlich wirksame, gegenwärtige und endgültige Vermögensverschiebung bewirkt wird und die Darlehensmodalitäten einem Fremdvergleich standhalten.
Die Modalitäten der Darlehensgewährung entsprechen nur dann dem zwischen Fremden Üblichen (allgemein BFHE 121, 458, BStBl II 1977, 414), wenn die Zinsen zu den Fälligkeitszeitpunkten entrichtet werden: es ist ferner eine Vereinbarung über die Laufzeit und über die Art und Zeit der Rückzahlung des Darlehens zu fordern (z.B. BFH-Urteile vom 29.Februar 1972 VIII R 45/66, BFHE 105, 263, BStBl II 1972, 533; vom 5.Februar 1988 III R 234/84, BFH/NV 1988, 628, m.w.N.). Bei langfristigen Darlehen bedarf es in der Regel auch der Gestellung von Sicherheiten.
2. Dieses Kriterium ergibt sich weiterhin aus der Beachtung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die elterliche Vermögenssorge. Die Eltern haben das ihrer Verwaltung unterliegende Geld des Kindes, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereitzuhalten ist, nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen (§ 1642 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―). Hiernach sind die Eltern verpflichtet, Geld ihrer Kinder "sicher und grundsätzlich gewinnbringend" anzulegen (Bayerisches Oberlandesgericht ―BayOLG―, Beschluß vom 23.Dezember 1982, BReg 1 Z 105/82, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht ―FamRZ― 1983, 528, 530; Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 50.Aufl. 1991, § 1642 Anm.2; Hinz in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2.Aufl., § 1642 Rdnr.6 ff.; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3.Aufl. 1980, § 54 IV 3). Eine solche verantwortliche Vermögenssorge ist an den Anforderungen zu messen, die an mit der wirtschaftlichen Verwendung fremder Gelder betraute Personen oder Institutionen ―wie etwa Sparkassen― zu stellen sind. Dem entspricht die Auffassung, daß ein minderjähriges Kind aus einem geschenkten Sparguthaben steuerrechtlich erst dann eigene Einkünfte bezieht, wenn die Guthabenforderung endgültig in sein Vermögen übergegangen ist und die Eltern das Sparguthaben wie fremdes Vermögen verwalten (BFH-Urteil vom 24.April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539). Diese Anforderungen sind erst recht für den hier gegebenen Fall zu stellen, daß Eltern Schuldner ihrer Kinder sind.
3. Der Sicherung der Darlehenssumme kommt sonach besondere Bedeutung zu. Selbst günstige Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers im Zeitpunkt der Darlehenshingabe gewährleisten nicht, daß dieser bei Fälligkeit des Darlehens seinen Verpflichtungen nachkommen kann. Deshalb hat die Rechtsprechung des BFH langfristige Darlehensverhältnisse zwischen Angehörigen stets nur berücksichtigt, wenn der Darlehensnehmer ausreichende Sicherheiten gestellt hat (z.B. BFH-Urteile in BFHE 121, 458, BStBl II 1977, 414; BFHE 127, 364, BStBl II 1979, 434; vom 19.Dezember 1979 I R 176/77, BFHE 129, 475, BStBl II 1980, 242, unter 2.b; vom 14.April 1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555; vom 7.Mai 1987 IV R 73/85, BFH/NV 1987, 765; vom 12.Januar 1989 IV R 47/87, BFH/NV 1990, 163). Das BFH-Urteil vom 22.Mai 1984 VIII R 35/84 (BFHE 142, 28, 32, BStBl II 1985, 243) betraf den besonders gelagerten Fall, daß ein Gesellschafter das seiner Gesellschaft zu unüblichen Bedingungen und ohne Sicherheitsleistung gewährte Darlehen seinen Kindern abgetreten hatte, die sodann keine Möglichkeit hatten, die vertraglichen Darlehensmodalitäten anders zu gestalten.
4. Zu Unrecht wendet die Revision ein, im Streitfall liege ein "langfristiges" Darlehen i.S. der bisherigen BFH-Rechtsprechung nicht vor. Zwar trifft zu, daß in den bisher höchstrichterlich entschiedenen Fällen die Laufzeit der Darlehen wesentlich länger war als nach dem hier zu beurteilenden Vertrag. Indes ist ―insbesondere unter dem hier zu beachtenden Gesichtspunkt einer "wirtschaftlichen Vermögensverwaltung"― die Frage der Langfristigkeit mit derjenigen nach dem Sicherungsbedarf verbunden. Einen Anhaltspunkt bietet die Praxis der Vergabe langfristiger Darlehen durch Kreditinstitute.
Maßgebend für eine solche Kreditvergabe ist die Bonität des Engagements (allgemein H. Müller, Der Einfluß von Besicherungsmöglichkeiten auf die Vergabe von Bankkrediten, Die Bank, 1984, 524). Kreditinstitute haben das Recht und die Pflicht (§ 18 Satz 1 des Kreditwesengesetzes ―KWG―), sich vom Kreditnehmer dessen wirtschaftliche Verhältnisse offenlegen zu lassen. Diese Sorgfaltspflicht, die ungeachtet der Wertgrenze des § 18 Satz 1 KWG besteht (vgl. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kreditwesengesetzes, BTDrucks 7/3657, S.12), entfällt nur dann, wenn das Verlangen nach Offenlegung u.a. im Hinblick auf die gestellten Sicherheiten offensichtlich unbegründet wäre (§ 18 Satz 2 KWG). Kreditinstitute haben nach näherer Maßgabe ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich einen Anspruch auf Gestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (vgl. Schaarschmidt, Die Sparkassenkredite, 7.Aufl. 1985, S.65 f.). Mittel- und langfristige Darlehen (Blankokredite) werden ―zumindest unter besonderen satzungsmäßigen Kautelen― nur selten ungesichert vergeben, weil mit zunehmender Laufdauer des Kredits eine Prognose über die Bonität des Kreditengagements immer schwerer zu treffen ist (vgl. Jährig/Schuck/Rösler/Woite, Handbuch des Kreditgeschäfts, 5.Aufl. 1989, S.100 f., 139; H. Müller, a.a.O., S.525). Blankokredite werden häufig nur deswegen bewilligt, weil die in der Verfügungsmacht des Instituts befindlichen Vermögenswerte (z.B. ein Wertpapierdepot) eine besondere Besicherung des Kredits entbehrlich erscheinen lassen (vgl. Schaarschmidt, a.a.O., S.65, 210).
In der Bankpraxis gelten als langfristig Kreditverträge mit einer Laufzeit von mindestens vier Jahren, wobei die ursprünglich vereinbarte Laufzeit ab der ersten Inanspruchnahme maßgebend ist (vgl. z.B. Birck/Meyer, Die Bankbilanz, 3.Aufl. 1976, II/113; Gablers Banklexikon, Stichwort "langfristige Kredite"; Verordnung über die Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses von Kreditinstituten vom 14.September 1987, BGBl I 1987, 2170, 2174 Muster 1, Aktivseite Nr.6 b bc; Richtlinien für die Aufstellung des Jahresabschlusses der Kreditinstitute des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen i.d.F. der Bekanntmachung vom 8.Februar 1988, Bundesanzeiger Nr.41, Anl.1, II. zu Posten 10 "Forderungen an Kunden").
Es kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen auch bei einer kürzeren Vertragsdauer nach den Umständen des Einzelfalles eine Besicherung der Darlehensforderung unter fremden Dritten üblich ist.
5. Im Streitfall betrug die gesamte Laufzeit der Darlehen ―ab 26.Februar 1975― mehr als vier Jahre. Sie bedurften als langfristige Ausleihungen einer werthaltigen Besicherung. Dies gilt um so mehr, als eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß die für die Kreditvergabe und -überwachung wesentlichen Informations- und Kündigungsrechte des Darlehensgebers, selbst wenn solche, anders als im Streitfall, ausdrücklich vereinbart sind, von minderjährigen Kindern gegenüber ihren Eltern nur schwer durchgesetzt werden können.
6. Der Senat kann danach dahingestellt sein lassen, ob
- entgegen der Auffassung der Kläger die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 10.April 1984 VIII R 134/81 (BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705) anzuwenden sind (vgl. Abschn.23 Abs.4 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 1987; Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 1.Juli 1988, BStBl I 1988, 210);
- die steuerrechtliche Anerkennung eines zwischen nahen Angehörigen vereinbarten partiarischen Darlehens voraussetzt, daß besondere Umstände festgestellt werden, die auch unter fremden Dritten zu einer gewinnabhängigen Verzinsung geführt hätten (so ―beiläufig― BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 163);
- die Verträge tatsächlich durchgeführt worden sind, insbesondere die Darlehenszinsen den Kindern zu deren alleiniger Verfügung zugeflossen sind (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 10.August 1988 IX R 220/84, BFHE 154, 503, 508, BStBl II 1989, 137).
Fundstellen
Haufe-Index 63480 |
BFH/NV 1991, 15 |
BStBl II 1991, 291 |
BFHE 163, 49 |
BFHE 1991, 49 |
BB 1991, 821 |
BB 1991, 821-823 (LT1) |
DB 1991, 628-629 (LT) |
DStR 1991, 459 (KT) |
HFR 1991, 332 (LT) |
StE 1991, 94 (K) |