Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der Änderung einer verbindlichen Zolltarifauskunft
Leitsatz (NV)
Wird die Änderung einer bestandskräftig gewordenen verbindlichen Zolltarifauskunft abgelehnt, so ist diese Entscheidung regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn der Änderungsantrag nur auf Umstände gestützt war, die der Betroffene bei fristgerechter Einlegung des Einspruchs gegen die Auskunft hätte vorbringen können (Anschluß an Senatsurteil vom 26. März 1991 VII R 15/89, BFHE 164, 215, BStBl II 1991, 552).
Normenkette
ZG § 23; AZO § 31; AO 1977 § 130 Abs. 1-2; FGO § 102
Tatbestand
Die Klägerin beantragte bei der beklagten Oberfinanzdirektion (OFD) die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über ein als ,,X" bezeichnetes, zur Verwendung als Motorenöl bestimmtes Erzeugnis, und zwar zum Zwecke ,,korrekter Einordnung in das Kapitel 39 des Zolltarifs". In der von der OFD erteilten vZTA - Nr. . . . - wurde die überwiegend aus Poly(alpha)olefinen - synthetische flüssige Kohlenwasserstoffe - bestehende Ware als Zubereitung mit einem Gehalt an einem dem Erdöl ähnlichen Öl von mehr als 70 GHT, Schmieröl zu ,,anderer" Verwendung, in die Unterposition 2710 0099 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht (unter Bindung einer Zollstelle). Diese vZTA ist bestandskräftig geworden.
Mit Schreiben . . . beantragte die Klägerin bei der OFD, die vZTA dahin zu ändern, daß die Ware der Unterposition 3403 1991 KN - zubereitetes Schmiermittel für Maschinen, Apparate und Fahrzeuge - zugewiesen werde. Diesen Antrag lehnte die OFD ab, weil sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, daß die vZTA rechtswidrig sei. Denselben Standpunkt vertrat die OFD - unter näherer Begründung ihrer Tarifauffassung - im Einspruchsverfahren.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin im einzelnen vorträgt, die vZTA sei im Hinblick auf die maßgebende zolltarifliche Rechtslage - insbesondere Anm. 2 Satz 2 zu Kapitel 27 KN; Einreihungsverordnung (EWG) Nr. 314/90 der Kommission vom 5. Februar 1990 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 35/9), Anhang Nr. 5 - rechtswidrig. Die Polyolefine gehörten zu Position 3902 KN; insgesamt stelle sich die Ware als zubereitetes synthetisches Schmiermittel dar, das ohne Berücksichtigung der Polyolefine nur mit seinem tatsächlichen Mineralölgehalt von 13,3 GHT der Mineralölsteuer unterliege.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist, ebenso wie eine Klage gegen die Aufhebung (Rücknahme) oder Änderung einer vZTA (dazu Senat, Urteil vom 11. Oktober 1988 VII K 5/88, BFHE 155, 1 f., BStBl II 1989, 149), eine solche ,,wegen" verbindlicher Zolltarifauskunft; über sie hat der Senat zu entscheiden (§ 37 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Sie ist nicht begründet. Die OFD hat es ohne Ermessensfehler abgelehnt, dem Antrag der Klägerin zu entsprechen (vgl. § 102 FGO).
Eine Ermessensentscheidung liegt vor. Die OFD ist zwar im wesentlichen nur auf die Frage der Rechtswidrigkeit der vZTA eingegangen, doch läßt die Begründung der Einspruchsentscheidung erkennen, daß die beklagte Behörde auch eine Ermessensentscheidung getroffen hat. In der Einspruchsentscheidung hat die OFD ausgeführt, es beständen keine Anhaltspunkte für die Annahme der Rechtswidrigkeit der vZTA, ,,so daß auch in Ausübung des (mir) eröffneten Ermessens eine Änderung . . . nicht in Betracht kommt." Diese Ausführungen machen deutlich, vor allem unter Berücksichtigung der Gründe der Ablehnungsverfügung, daß die OFD sich im Rahmen einer unter Beachtung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. März 1989 VI R 101/84 (BFHE 157, 1, BStBl II 1989, 749) ermessensfehlerfrei ergehenden Entscheidung nicht auf einen Hinweis auf die Bestandskraft der vZTA beschränken, sondern auch in eine Sachprüfung eintreten wollte (vgl. auch den Vermerk der OFD . . .), dies jedoch im Zusammenhang mit der erkanntermaßen eingetretenen Bestandskraft, die damit in der Entscheidung - wenn auch nicht in erster Linie - mitberücksichtigt worden ist.
Die in dieser Weise getroffene Entscheidung ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Senats (BFHE 155, 1, 3, BStBl II 1989, 149, m. w. N.) kann eine vZTA im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens aufgrund von § 23 des Zollgesetzes (ZG), § 31 der Allgemeinen Zollordnung geändert oder aufgehoben werden. Der Senat (a. a. O.) hat zuletzt allerdings offengelassen, ob die Rücknahmevoraussetzungen nach der allgemeinen Vorschrift des § 130 der Abgabenordnung (AO 1977) zu bestimmen seien. Maßgebend wäre insoweit § 130 Abs. 1 AO 1977, weil die vZTA, deren ,,Änderung" angestrebt wird, an sich zwar einen begünstigenden Verwaltungsakt darstellt (§ 130 Abs. 2 AO 1977, § 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 ZG), sie jedoch insoweit belastend wirkt, als durch sie dem auf eine andere Einreihung als in das Kapitel 27 gerichteten Begehren der Klägerin nicht entsprochen worden ist (vgl. hierzu Klein / Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl. 1989, § 130 Anm. 5; Tipke / Kruse, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 130 Tz. 3). Ob als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung bzw. Rücknahme der vZTA § 130 Abs. 1 AO 1977 oder die einschlägigen Vorschriften des Zollrechts in Betracht kommen, kann unentschieden bleiben, da in jedem Falle ein Ermessen der Behörde besteht, dessen Ausübung nach einheitlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist.
In Anknüpfung an seine ständige Rechtsprechung hat der Senat entschieden (Urteil vom 26. März 1991 VII R 15/89, BFHE 164, 215, BStBl II 1991, 552), daß die Ablehnung einer nach § 130 Abs. 1 AO 1977 beantragten Rücknahme eines rechtswidrigen bestandskräftigen Verwaltungsakts in der Regel dann ermessensfehlerfrei ist, wenn der Betroffene zur Begründung seines Antrags nur solche Umstände vorträgt, die bei fristgerechter Einlegung des statthaften Rechtsmittels im Rechtsbehelfsverfahren von ihm hätten vorgebracht werden können. Eine andere Beurteilung ist hingegen angezeigt, wenn außerdem weitere Umstände vorgebracht werden, etwa, daß die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage sich nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. An dieser Rechtsauffassung, der das Urteil des BFH in BFHE 157, 1, 4 f. jedenfalls im Ergebnis nicht entgegensteht (Senat in BFHE 164, 215, 219), wird festgehalten.
Im Streitfall hat die Klägerin sich nur auf die ihrer Ansicht nach von Anfang an gegebene Rechtswidrigkeit der vZTA berufen, nicht zusätzlich auf nachträglich eingetretene oder bekanntgewordene Umstände, die die Rechtslage zugunsten der Klägerin geändert hätten. Aus der Verordnung Nr. 314/90 ergibt sich kein solcher Gesichtspunkt. Diese Verordnung behandelt die Einreihung von - isoliert vorliegenden - Poly(alpha)olefinen als Komponenten für Schmierstoffe (Unterposition 3902 9000 KN), nicht die von Zubereitungen der in der vZTA tarifierten Art. Aus der Verordnung ergibt sich auch nicht, daß Polyolefine zusammen mit anderen Bestandteilen - Erdöl - nicht als ,,Erdöle" im Sinne von Anm. 2 zu Kapitel 27 KN zu bewerten seien (dies ist vielmehr allein aufgrund dieser Anmerkung selbst zu entscheiden). Die Frage, ob in der vZTA die Anm. 2 zu Kapitel 27 KN zutreffend angewandt worden ist (Einbeziehung der Polyolefine als ,,Öle"), betrifft allein die vorgenommene Einreihung, die die Klägerin für von vornherein rechtswidrig hält. Die Frage der Rechtmäßigkeit der vZTA kann jedoch offenbleiben, da aus den Gründen des Senatsurteils in BFHE 164, 215, BStBl II 1991, 552, unbeschadet der Sachprüfung, in die die OFD eingetreten ist (mit dem Ergebnis, daß die vZTA inhaltlich richtig sei), die Ablehnung der Rücknahme (Änderung) des bestandskräftigen Verwaltungsakts nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 418117 |
BFH/NV 1992, 354 |