Leitsatz (amtlich)
1. Sind beide Eheleute berufstätig, so ist eine maßgebende finanzielle Beteiligung an der gemeinsamen Haushaltsführung i. S. der zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ergangenen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteil vom 2. September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26) in der Regel anzunehmen, wenn der finanzielle Beitrag des auswärts tätigen Ehegatten in etwa seinem Anteil am Einkommen beider Eheleute entspricht.
2. Eine finanzielle Beteiligung an der gemeinsamen Haushaltsführung kann auch in der Anschaffung von Haushaltsgegenständen und Möbeln liegen.
2. Die Beiträge zur gemeinsamen Haushaltsführung sind auf Verlangen nachzuweisen. Den in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Gastarbeiter trifft hierbei eine erhöhte Mitwirkungspflicht.
Normenkette
EStG 1974 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 1974 als jugoslawische Gastarbeiterin in der Bundesrepublik Deutschland tätig. Ihr Ehemann und ihre zwei Kinder lebten in Jugoslawien auf dem Lande. Der Ehemann betreibt dort eine Landwirtschaft. Nach einer Bestätigung der Gemeindeversammlung erzielte er aus dieser Tätigkeit im Jahre 1974 ein Jahreseinkommen von 3710 Neudinar (ca. 575 Mark). Wie der Ehemann vorgetragen hat, schicke ihm die Klägerin Geld durch die Post, meistens gebe sie ihm aber die Beträge in bar während ihres Urlaubs in Jugoslawien. Die Tochter studiere in Belgrad und der Sohn sei arbeitslos.
Die Klägerin machte im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich Mehrausgaben wegen doppelter Haushaltsführung von 6 400 DM als Werbungskosten geltend. Diese Aufwendungen ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nicht zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es führte aus:
Die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung seien im Streitfall dem Grunde nach erfüllt. Die Klägerin habe im Streitjahr 1974 einen eigenen Hausstand in Jugoslawien besessen, an dessen hauswirtschaftlichem Leben sie insbesondere während ihres zweimonatigen Heimaturlaubs persönlich teilgenommen habe. Sie habe sich am gemeinschaftlichen Haushalt auch finanziell beteiligt. Das entspreche bei intakter Ehe der Lebenserfahrung. Hierzu bedürfe es nicht des Nachweises laufender Geldzuwendungen durch Überweisungsbelege oder ähnlicher leicht nachprüfbarer Unterlagen. Eine finanzielle Beteiligung an der Haushaltsführung sei auch zu bejahen, wenn der im Ausland arbeitende Ehegatte in unregelmäßiger Folge Hausrat und Möbel anschaffe. Gastarbeiter nähmen für eine gewisse Zeit eine räumliche Trennung häufig deshalb in Kauf, um solche Ziele zu verwirklichen. Überweisungsbelege seien daher nur vorzulegen, wenn Zweifel beständen, ob die Ehegatten ihren Haushalt weiterhin gemeinschaftlich führten. Hierfür beständen im Streitfall keine Anhaltspunkte. Die Mehraufwendungen wegen der doppelten Haushaltsführung seien allerdings nur in Höhe von 3 400 DM anzuerkennen.
Die Klage sei bezüglich des Restbetrages von 3 000 DM auch unter dem Gesichtspunkt von Unterhaltsaufwendungen unbegründet. Es sei davon auszugehen, daß der landwirtschaftliche Hof die Familie der Klägerin ernährt habe. Der Lebensstandard liege in Jugoslawien niedriger als in der Bundesrepublik Deutschland und die Menschen lebten dort, insbesondere auf dem Lande, von einem niedrigeren Einkommen. Auf den Nachweis der Bedürftigkeit der Familienangehörigen könne daher im Streitfall nicht verzichtet werden. Ungewiß sei zudem, wieviel Geld die Klägerin nach Hause geschickt oder mitgebracht habe und welcher Teil davon für das Studium und die auswärtige Unterbringung der Tochter verwendet worden sei.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1974 sowie § 205 Abs. 1 und 2 und § 171 Abs. 1 und 3 der Reichsabgabenordnung (AO). Es bringt vor:
Das "Unterhalten" eines Hausstandes i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG setze Zuwendungen zur Haushaltsführung von einer gewissen Dauer und Regelmäßigkeit voraus. Eine maßgebende finanzielle Beteiligung am gemeinsamen Haushalt müsse durch Vorlage von Überweisungsbelegen auf den Namen des anderen Ehegatten nachgewiesen werden. Nur so könne nachgeprüft werden, ob und welche Geldbeträge ins Ausland geflossen seien, ob die Ehe noch intakt sei und der Haushalt im Ausland gemeinschaftlich geführt und bestritten werde. Die Klägerin habe diesen Nachweis nicht erbracht.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen, können nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG 1974 abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sein. Ein doppelter Haushalt liegt nach dieser Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und am Beschäftigungsort wohnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. insbesondere Urteile vom 9. November 1971 VI R 285/70, BFHE 103, 498, BStBl II 1972, 148, und vom 2. September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26) wird ein Haushalt in diesem Sinne "unterhalten", wenn der Arbeitnehmer eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl durch seine persönliche Mitwirkung als auch finanziell maßgebend beteiligt.
1. Eine maßgebende finanzielle Mitwirkung hat der Senat im Urteil VI R 114/76 bei Gastarbeitern in der Regel bejaht, wenn die Beträge, die der Gastarbeiter dem Familienhaushalt zuwendet, nicht erkennbar unzureichend sind.
Der Streitfall weist gegenüber dem dem Urteil VI R 114/76 zugrunde liegenden Sachverhalt die Besonderheit auf, daß der am Heimatort zurückgebliebene Ehegatte ebenfalls erwerbstätig war. Soweit Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit des am Wohnort verbliebenen Ehegatten nicht von untergeordneter Bedeutung sind, sind sie im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG 1974 mit zu berücksichtigen. In einem solchen Fall ist bei dem auswärts beschäftigten Ehegatten eine "maßgebende" finanzielle Beteiligung an der gemeinschaftlichen Haushaltsführung anzunehmen, wenn sein finanzieller Beitrag in etwa seinem Anteil am gemeinsamen Einkommen der Eheleute gleichkommt. Das entspricht dem zivilrechtlichen Grundsatz, daß berufstätige Eheleute nach Maßgabe ihres Einkommens grundsätzlich beide zum Unterhalt der Familie beizutragen haben.
Beiträge für die gemeinsame Haushaltsführung können auf Geldüberweisungen an den anderen Ehegatten beruhen. Sie können gemäß den zutreffenden Ausführungen des FG aber auch darin bestehen, daß ein Ehegatte Mittel anspart, um Haushaltsgegenstände oder Möbel zu kaufen, da solche Anschaffungen ebenfalls unter den Begriff einer gemeinsamen Haushaltsführung fallen.
Diese Grundsätze gelten sowohl für inländische Arbeitnehmer wie für in der Bundesrepublik Deutschland tätige Gastarbeiter.
2. Gemäß dem Urteil des Senats VI R 114/76 müssen Inländer wie Ausländer auf Verlangen nachweisen, mit welchen Beträgen sie sich an dem Familienhaushalt beteiligt haben. Wie der Senat im Urteil vom 20. Januar 1978 VI R 193/74 (BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338) hervorhob, obliegt den im Inland tätigen Gastarbeitern eine besondere Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung von Sachverhalten in ihrem Heimatland, weil die inländischen Finanzbehörden Verhältnisse im Ausland sonst nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ermitteln können. Im Hinblick hierauf ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörden bei Gastarbeitern zum Nachweis einer maßgebenden finanziellen Beteiligung an der gemeinschaftlichen Haushaltsführung die Vorlage von Rechnungen, Überweisungsbelegen und ähnlich leicht nachprüfbaren Unterlagen verlangen und Bestätigungen von Familienangehörigen über den Empfang von Geldbeträgen in bar in der Regel nicht genügen lassen.
3. Das FG konnte im Streitfall ohne Rechtsverstoß eine maßgebende persönliche Mitwirkung der Klägerin am Haushalt ihrer Familie in Jugoslawien bejahen, weil sie nach seinen vom FA nicht angegriffenen Feststellungen im Jahr 1974 dort zwei Monate Urlaub verbracht und auch sonst im Rahmen des Möglichen zur Führung des gemeinschaftlichen Haushalts beigetragen hatte.
Da der Hof in Jugoslawien die Familie der Klägerin ernährt hat, konnte das FG im Streitfall auch ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, daß die finanziellen Beiträge der Klägerin zur gemeinsamen Haushaltsführung im wesentlichen nur Anschaffungen für den Haushalt und die Wohnung der Familie gedient haben.
Die Vorentscheidung ist jedoch aufzuheben, weil das FG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Klägerin sich hiermit am Familienhaushalt in Jugoslawien "maßgebend" beteiligt hat. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt.
Das FG muß hierzu einerseits aufklären, wie hoch das Einkommen des Ehemannes der Klägerin im Streitjahr 1974 war, da nach den Ausführungen des FG der Bestätigung der Gemeindeversammlung, der Ehemann habe aus landwirtschaftlicher Tätigkeit im Jahr 1974 ein Jahreseinkommen von 3 710 Neudinar bezogen, nur ein beschränkter Aussagewert zukommt. Das FG muß andererseits ermitteln, welche Aufwendungen die Klägerin für die Haushaltsführung der Familie im einzelnen erbracht hat. Die Leistungen wurden von ihr bisher weder im einzelnen dargelegt noch nachgewiesen. Ungewiß ist auch, welche Beträge sie für das Studium und ggf. für die auswärtige Unterbringung der Tochter aufgewandt hat. Sie sind auszuscheiden, da sie keine Beiträge für die gemeinsame Haushaltsführung im engeren Sinne darstellen.
Das FG muß im Hinblick auf die inzwischen ergangene neue Rechtsprechung des Senats ggf. auch untersuchen, ob die doppelte Haushaltsführung der Klägerin im Jahr 1974 noch beruflich veranlaßt war. Nach dem Urteil des Senats VI R 114/76 sind Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG 1974 nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn nicht nur die Entstehung, sondern auch die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlaßt war. War sie beruflich entstanden, so spricht nach Ansicht des Senats bei inländischen Arbeitnehmern wie bei Gastarbeitern eine widerlegbare Vermutung dafür, daß bei Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung in den ersten zwei Jahren die berufliche Veranlassung fortbesteht. Nach Ablauf von zwei Jahren hat der Steuerpflichtige die Behauptung einer beruflichen Veranlassung der Aufrechterhaltung der doppelten Haushaltsführung jedoch stets nachzuweisen.
Das FG wird daher ggf. Feststellungen dazu treffen müssen, seit wann die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland tätig ist und ob die Aufrechterhaltung der doppelten Haushaltsführung im Jahr 1974 noch beruflich bedingt war. Es wird dabei insbesondere prüfen müssen, ob Gesichtspunkte für eine weiterhin beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung etwa darin gesehen werden können, daß der Ehemann der Klägerin in Jugoslawien eine Landwirtschaft betreibt.
Fundstellen
Haufe-Index 73000 |
BStBl II 1979, 146 |
BFHE 1979, 440 |