Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bei Haushaltsgemeinschaft mit volljährigem Sohn
Leitsatz (NV)
1. Der Ausschluss des Entlastungsbetrages für Steuerpflichtige, die eine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Der Gesetzgeber war nicht gehalten, Haushaltsgemeinschaften zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern gegenüber anderen Haushaltsgemeinschaften zu privilegieren.
Normenkette
EStG § 24b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die verwitwete Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bewohnte im Streitjahr 2004 zusammen mit ihrem Sohn und ihrer Tochter ein in ihrem Eigentum stehendes Haus. Alle drei Personen waren dort durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Der 28 Jahre alte Sohn erzielt seit etwa 10 Jahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, nach Angaben der Klägerin etwa 33 000 € im Jahr. Er bewohnt ein Zimmer nebst Bad im Dachgeschoss und nutzt darüber hinaus auch die Küche und andere familienbezogene Räume des Hauses. Er wäscht gelegentlich seine Wäsche selber, geht der Klägerin bei schwereren Verrichtungen zur Hand und wartet das familiäre Kraftfahrzeug. Aufgrund einer mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung zahlt er an sie einen feststehenden monatlichen Pauschalbetrag, der nach beider überschlägiger Berechnung einem Drittel der laufenden Kosten für die Haushaltsführung der drei Personen entspricht. Abgegolten hierdurch sind die Kosten für Strom, Heizung, Wasser sowie Nahrungsmittel.
Die im Streitjahr 26 Jahre alte Tochter studierte. Die Klägerin erhielt für sie durchgehend Kindergeld.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für 2004 beantragte die Klägerin wegen der zu ihrem Haushalt gehörenden Tochter die Gewährung eines Entlastungsbetrages für Alleinerziehende. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte den Entlastungsbetrag wegen der Haushaltsgemeinschaft mit dem Sohn. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 10. November 2006 1 K 240/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 414) ab. Es entschied, ein Entlastungsbetrag nach § 24b des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei Alleinerziehenden nicht zu gewähren, wenn diese in Haushaltsgemeinschaft mit weiteren erwachsenen Kindern lebten, die in § 24b Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ausdrücklich als entlastungsunschädlich ausgenommen seien. Die Begrenzung der Entlastungsunschädlichkeit auf Haushaltsgemeinschaften des Steuerpflichtigen nur mit bestimmten erwachsenen Kindern verstoße nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Ein genereller Ausschluss erwachsener Kinder aus der Gruppe der entlastungsschädlichen "anderen volljährigen Personen" i.S. des § 24b Abs. 2 Satz 1 EStG stünde mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht im Einklang.
Mit der Revision trägt die Klägerin vor, ihr volljähriger Sohn trage zum "gemeinsamen" Haushalt finanziell nichts bei, sondern ersetze lediglich den durch ihn entstehenden Mehraufwand. Durch dessen Ausgleich sei sie weder tatsächlich noch finanziell entlastet worden. Deshalb fehle es an einer Haushaltsgemeinschaft.
Soweit auch eine Haushaltsgemeinschaft mit volljährigen Kindern den Entlastungsbetrag entfallen lasse, verstoße § 24b Abs. 2 Satz 1 EStG gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Durch die Einbeziehung volljähriger Kinder in den Anwendungsbereich schädlicher Haushaltsgemeinschaften werde die Entscheidungsfreiheit Alleinerziehender zur gemeinsamen Lebensführung mit ihren volljährigen Kindern beeinträchtigt. Diese müssten aus der Wohnung gewiesen werden, um den Entlastungsbetrag zu erhalten, obwohl sie Alleinerziehenden bei der Bewältigung des Alltags große Unterstützung leisteten.
Dem FG sei nicht zu folgen, wenn es in der Regelung des § 24b EStG eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Subvention zugunsten echter Alleinerziehender außerhalb des Nettoprinzips sehe. Richtigerweise handele es sich um den pauschalierten Abzug unvermeidlicher Privataufwendungen. Daher sei die Vorschrift an den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit zu messen, wie sie sich nach der bedarfsorientierten Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Kindern ergäben.
Die Einbeziehung volljähriger Kinder in den Regelungsbereich des § 24b Abs. 2 EStG führe dazu, dass diese faktisch Unterhalt für ihre Geschwister leisteten, obwohl das Bürgerliche Gesetzbuch Geschwisterunterhalt nicht vorsehe.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin, ihre studierende Tochter und ihr berufstätiger Sohn eine Haushaltsgemeinschaft bilden und der Klägerin deshalb kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG zusteht.
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird alleinstehenden Steuerpflichtigen gewährt. Steuerpflichtige, die eine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, sind nicht alleinstehend, es sei denn, dass ihnen für die volljährige Person ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht oder es sich um ein Kind i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt, das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG leistet oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ausübt (§ 24b Abs. 2 Satz 1 EStG).
Eine Haushaltsgemeinschaft liegt nach der gesetzlichen Definition in § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG vor, wenn der Steuerpflichtige mit einer anderen Person in einer Wohnung gemeinsam wirtschaftet; sie wird bei übereinstimmenden Meldeverhältnissen widerleglich vermutet (§ 24b Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG).
Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) lebt die Klägerin mit beiden Kindern zusammen in ihrem Einfamilienhaus und wirtschaftet gemeinsam mit dem Sohn. Ausreichend ist insoweit, dass dieser zu den laufenden Kosten der Haushalts- und Lebensführung beiträgt und an ihr teilhat. Einer gemeinsamen Haushaltskasse bedarf es dazu nicht; eine Haushaltsgemeinschaft setzt auch nicht voraus, dass der Steuerpflichtige und die andere Person materiell (z.B. durch Unterhaltsgewährung) oder immateriell durch Fürsorge und Betreuung verbunden sind.
Die Rüge der Klägerin, der Sohn habe nur den durch ihn zusätzlich entstehenden Mehraufwand ersetzt, es wären dieselben Kosten angefallen, würde er nicht mit im Hause wohnen, widerspricht den Feststellungen des FG und ihrem Vortrag im Klageverfahren.
2. Der Senat hält daran fest, dass der Ausschluss des Entlastungsbetrages für einen Steuerpflichtigen, der mit einer anderen volljährigen Person eine Haushaltsgemeinschaft bildet --ausgenommen Kinder, für die ihm ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht oder Kinder i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG, die einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG leisten oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ausüben--, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (Senatsurteil vom 19. Oktober 2006 III R 4/05, BFHE 215, 217, BStBl II 2007, 637 --Verfassungsbeschwerde anhängig, 2 BvR 310/07--; Senatsbeschluss vom 10. Mai 2007 III B 6/07, BFH/NV 2007, 1647).
Nachdem der Gesetzgeber --wie ihm durch den Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91 u.a. (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) aufgegeben worden war-- den Abzug des elterlichen Betreuungsaufwandes durch Schaffung eines Freibetrages für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG sowie durch Vorschriften über einen darüber hinausgehenden Abzug von Kinderbetreuungskosten (§ 33c EStG a.F., nunmehr § 4f, § 9 Abs. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) neu geregelt hat, ist in § 24b EStG eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Begünstigung und damit eine Sozialzwecknorm zu sehen. Der Gesetzgeber hat deshalb weitgehende Gestaltungsfreiheit (Schmidt/Loschelder, EStG, 26. Aufl., § 24b Rz 2; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 20. April 2004 1 BvR 610/00, BFH/NV 2004, Beilage 3, 312). Er war danach jedenfalls nicht gehalten, Haushaltsgemeinschaften zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern gegenüber anderen Haushaltsgemeinschaften zu privilegieren. Denn durch den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende soll das Fehlen von Synergieeffekten durch gemeinsame Haushaltsführung mit einer anderen erwachsenen Person kompensiert werden (vgl. BTDrucks 15/1751, S. 6; Blümich/Heuermann, § 24b EStG Rz 2). Dabei handelt es sich --ungeachtet aller Zweifel an der gesetzgeberischen Umsetzung (vgl. das Senatsurteil in BFHE 215, 217, BStBl II 2007, 637, unter II.2.e der Gründe)-- um ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Ziel, für das verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Haushaltsgemeinschaft sowie Unterhaltspflichten unerheblich sind.
Fundstellen
Haufe-Index 1907215 |
BFH/NV 2008, 545 |