Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen ausübender Künstler an Hörfunk- oder Fernsehproduktionen kein Arbeitslohn
Leitsatz (amtlich)
Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen, die an ausübende Künstler von Hörfunk- oder Fernsehproduktionen als Nutzungsentgelte für die Übertragung originärer urheberrechtlicher Verwertungsrechte gezahlt werden, stellen keinen Arbeitslohn dar.
Normenkette
EStG §§ 18, 19 Abs. 1 Nr. 1; UrhG § 73
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der X-Rundfunk, zahlte in den Jahren 1986 bis 1990 aufgrund entsprechender Vereinbarungen an zahlreiche sog. freie Mitarbeiter Wiederholungshonorare für die nochmalige Ausstrahlung von Hörfunk- oder Fernsehproduktionen, die mit ihrer Hilfe entstanden waren. Soweit die Produktionen an --nicht der ARD angehörende-- Sendeunternehmen oder zum Zwecke der Kino-, Film- oder Tonträgerverwertung entgeltlich abgegeben wurden, erhielten die Mitwirkenden Erlösbeteiligungen. Der Kläger zahlte diese Wiederholungshonorare bzw. Erlösbeteiligungen unabhängig davon, zu welcher Einkunftsart das Ersthonorar gehört hatte, ohne Lohnsteuerabzug aus.
Anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Prüfer unter Hinweis auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Oktober 1990 IV B 6 -S 2332- 73/90 (BStBl I 1990, 638) die Ansicht, die Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen seien derjenigen Einkunftsart zuzurechnen, zu der das Ersthonorar gehöre. Soweit die Ersthonorare zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehörten, seien auch die Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen lohnsteuerpflichtig. Der Kläger hätte folglich Lohnsteuer einbehalten und abführen müssen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stimmte dieser Auffassung zu und erließ einen Haftungsbescheid gegen den Kläger.
Die Klage hatte nur der Höhe nach (im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung) teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, im Streitfall seien die in der Person der Mitwirkenden entstehenden Leistungsschutzrechte bereits mit Abschluss des Beschäftigungsvertrages auf den Kläger übertragen worden. Dieser Vertrag regle darüber hinaus die Höhe der an die Mitwirkenden zu zahlenden Wiederholungs- und Folgevergütungen. Dadurch erscheine der Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und den Wiederholungs- und Folgevergütungen so eng, dass neben dem Ersthonorar auch diese Vergütungen als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft zu werten seien (Hinweis auf das Senatsurteil vom 6. März 1995 VI R 63/94, BFHE 177, 116, BStBl II 1995, 471).
Mit der Revision bringt der Kläger im Wesentlichen vor, die Vorentscheidung widerspreche dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 177, 116, BStBl II 1995, 471. Aus dieser Entscheidung ergebe sich, dass auch im Streitfall Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) anzunehmen seien. Das FG habe die zivilrechtliche Ausgangslage verkannt. Aus der Systematik des Urheberrechts ergebe sich, dass der Gesetzgeber zwischen dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis einerseits und dem Urheberrechtsverhältnis andererseits unterscheide. Werde für die Einräumung eines Nutzungsrechts ein gesondertes Entgelt bezahlt, so handele es sich urheberrechtlich um eine von dem Arbeits- oder Dienstverhältnis abweichende Rechtsbeziehung. Die Wiederholungsvergütungen und die Erlösbeteiligungen stellten echte Lizenzgebühren dar, mit denen ausschließlich die Nutzung bereits fertiger Produktionen, jedoch keine weitere Arbeitsleistung, vergütet worden sei.
Ferner habe das FA beim Erlass des Haftungsbescheids sein Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Das FA habe den beim Kläger entstehenden Verwaltungsaufwand nicht berücksichtigt. Bei Wiederholungshonoraren und Erlösbeteiligungen seien dem Kläger die Besteuerungsmerkmale der Vergütungsempfänger regelmäßig nicht bekannt. Er --der Kläger-- sei u.a. gehalten, die Lohnsteuerkarten der vergütungsberechtigten Mitwirkenden anzufordern, und zwar auch dann, wenn das Dienstverhältnis nicht mehr bestehe. Im Übrigen habe der BFH selbst in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 19. Juli 1995 VI B 28/95 (BFH/NV 1996, 32, a.E.) ernstliche Zweifel an der Ermessenausübung des FA anklingen lassen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie den Haftungsbescheid vom 28. Dezember 1992 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 1994 zu ändern und die Haftungssumme herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es vertritt die Auffassung, der Haftungsbescheid sei zu Recht ergangen. Im Streitfall hätten die Arbeitnehmer bereits mit den Arbeitsverträgen alle ihnen evtl. zustehenden Leistungsschutzrechte auf den Kläger übertragen. Die Arbeitnehmer hätten nichts mehr zurückbehalten, was sie außerhalb der Arbeitsverhältnisse noch hätten übertragen können. Für die Annahme zweier verschiedener Verträge bestehe kein Raum. Der Kläger bezahle für etwas, was er bereits durch den Arbeitsvertrag erlangt habe, nämlich die Arbeitsleistung des Mitwirkenden. Die Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen stellten sich als erfolgsabhängiger Arbeitslohn dar. Je öfter sich eine Sendung durch Wiederholungen verwerten lasse, desto höher sei der Arbeitslohn. Gleiches gelte für die entgeltliche Abgabe der Produktionen an nicht der ARD angehörige Sendeunternehmen. Es sei unbeachtlich, dass der betroffene Arbeitnehmer keine weitere Arbeitsleistung zu erbringen habe. Dies sei bei erfolgsabhängigen Lohnbestandteilen häufiger der Fall. Auch ein im Vertrieb beschäftigter festangestellter Arbeitnehmer könne am Ende des Jahres eine umsatz- oder gewinnabhängige Tantieme erhalten, ohne dass er dafür noch einmal zusätzlich tätig werden müsse.
Die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner sei auch ermessensgerecht. Im Streitfall seien mehrere hundert verschiedene Arbeitnehmer betroffen. Es komme hinzu, dass der Kläger den Lohnsteuerabzug zumindest leichtfertig unterlassen habe. Denn dem Kläger sei seit dem Jahre 1977 die Auffassung der Finanzverwaltung bekannt, dass es sich bei den Wiederholungshonoraren und Erlösbeteiligungen um --dem Lohnsteuerabzug unterliegenden-- Arbeitslohn handele. Schließlich sei der durch den Lohnsteuer-Einbehalt entstehende Verwaltungsaufwand beim Kläger nicht höher als der durch Versendung von Kontrollmitteilungen entstehende Aufwand auf Seiten der Finanzverwaltung. Der --zugegebenermaßen relativ hohe-- Verwaltungsaufwand des Klägers sei jedoch in erster Linie auf das vom ihm gewählte Verfahren zurückzuführen. So könnten Ansprüche auf Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen nach Angaben des Klägers oft noch Jahre nach der Produktion der eigentlichen Sendung entstehen. Dass es dann zu Problemen bei der Adressenermittlung (bzw. Erbenermittlung) komme, sei nicht durch die Erhebung von Lohnsteuer bedingt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Der angefochtene Haftungsbescheid ist antragsgemäß zu ändern und die Haftungssumme herabzusetzen. Die Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen stellen keinen Arbeitslohn dar.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH werden gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Vorteile "für eine Beschäftigung" gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind (Urteile vom 11. März 1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726; vom 26. Juni 2003 VI R 112/98, BFHE 203, 53, BStBl II 2003, 886; vom 10. Mai 2006 IX R 82/98, BFH/NV 2006, 1569; vom 4. Mai 2006 VI R 19/03, BFH/NV 2006, 1577, Der Betrieb 2006, 1471). Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird (BFH-Urteil vom 10. Juni 1983 VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642) und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.
Arbeitslohn liegt jedoch u.a. dann nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (BFH-Urteile vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509; vom 19. Oktober 2001 VI R 131/00, BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300; vom 16. September 2004 VI R 25/02, BFHE 207, 457, BStBl II 2006, 10).
2. Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze hat der Senat deshalb bereits im seinem Urteil in BFHE 177, 116, BStBl II 1995, 471 entschieden, dass von einem Musiktheater an seine Orchestermitglieder gezahlte Vergütungen für die Übertragung der Leistungsschutzrechte nicht als Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu beurteilen seien. Diese Zahlungen seien nicht durch das Arbeitsverhältnis veranlasst. Die an den ausübenden Künstler gezahlten Vergütungen für die kraft Gesetzes (§§ 73 ff. des Urheberrechtsgesetzes --UrhG--) originär in seiner Person entstandenen Leistungsschutzrechte seien in der Regel den Einkünften des Künstlers aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG zuzurechnen. Sie würden nicht "für eine Beschäftigung", sondern zur Abgeltung von originär in der Person des Künstlers entstandenen Rechten gezahlt. Nur ausnahmsweise könnten die Zuwendungen des Arbeitgebers für die Abgeltung der Leistungsschutzrechte als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft zu werten sein.
3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den Inhalt der einschlägigen Mitwirkendenverträge mit einbezog, erzielte der jeweilige ausübende Künstler ein Ersthonorar. Dieses vergütete die von ihm zu erbringende persönliche Mitwirkung bei der Herstellung eines Werkes. Mit dieser Vergütung, die als Arbeitslohn behandelt wurde, war die Einräumung verschiedener Rechte zur einmaligen Nutzung (Erstverwertung) der entsprechenden Produktion abgegolten. Wie sich aus § 14.2. und § 14.3. des Mitwirkendenvertrags ergibt, erhielt der ausübende Künstler für Wiederholungen im Fernsehen und Hörfunk --zusätzlich zu der Erstvergütung-- jeweils gesonderte Wiederholungsvergütungen und Erlösbeteiligungen in bestimmter Höhe.
b) Das FA verkennt, dass die den ausübenden Künstlern zustehenden Erstvergütungen einerseits sowie die Wiederholungsvergütungen bzw. Erlösbeteiligungen andererseits auf unterschiedlichen Rechtsgründen beruhten. Davon ist der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 177, 116, BStBl II 1995, 471 ausgegangen. Die Erstvergütung (Arbeitsentgelt, Lohn) bezog sich auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit, die zur unmittelbaren Produktion eines Werkes (hier verbunden mit dem Recht der Erstverwertung) führte. Demgegenüber lagen dem Vergütungsanspruch bezüglich der Wiederholungsvergütungen bzw. Erlösbeteiligungen --im Austauschverhältnis-- in der Person des ausübenden Künstlers entstandene, originäre urheberrechtliche Schutzrechte zugrunde (§§ 73 ff. UrhG). Dieser folglich anders geartete Anspruch bezog sich auf die gestattete Nutzung bzw. Verwertung des vom Künstler geschaffenen Arbeitsergebnisses durch seinen Arbeitgeber; die diesbezügliche Vergütung stellt --im Gegensatz zum Arbeitsentgelt-- Nutzungsentgelt dar. Mit den Wiederholungshonoraren bzw. Erlösbeteiligungen wurde folglich keine irgendwie geartete zusätzliche Arbeitsleistung abgegolten. Schon aus diesem Grund sind die bezeichneten Honorare --entgegen der Ansicht des FA-- auch nicht vergleichbar mit erfolgsabhängigen Lohnbestandteilen bzw. umsatz- oder gewinnabhängigen Tantiemen. Ebenso verwandelten sich die streitigen Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen nicht deshalb zu Arbeitslohn, weil die ausübenden Künstler sich arbeitsrechtlich dazu verpflichtet hatten, ihre urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte auf den Kläger zu übertragen (so schon BFH-Urteil in BFHE 177, 116, BStBl II 1995, 471).
4. Der Senat braucht bei dieser Sach- und Rechtslage nicht darüber zu entscheiden, ob das FA sein Ermessen bei der Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner einwandfrei ausgeübt hat.
Das FA hat in seiner Einspruchsentscheidung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Inanspruchnahme des Klägers der Vereinfachung diene, weil der gleiche Fehler bei einer großen Anzahl von Arbeitnehmern vorliege (BFH-Urteil vom 6. März 1980 VI R 65/77, BFHE 129, 559, BStBl II 1980, 289). Nach dem BFH-Urteil vom 24. Januar 1992 VI R 177/88 (BFHE 167, 359, BStBl II 1992, 696) sei die Inanspruchnahme eines Arbeitgebers regelmäßig dann gerechtfertigt, wenn von einer Lohnsteuer-Nachforderung mehr als 40 Arbeitnehmer betroffen seien. Im Streitfall geht es indessen --anders als in den vom FA in Bezug genommenen Entscheidungen des BFH-- nicht um Lohnsteuer auslösende Umstände, die während der Dauer eines aktiven Beschäftigungsverhältnisses, sondern um solche, die zum Teil lange nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufgetreten sind. Diesen gewichtigen Gesichtspunkt hat das FA bei seinen Ermessenserwägungen nicht mit einbezogen. Ob die Ermessensentscheidung zusätzlich an weiteren Mängeln leidet (vgl. hierzu Senatsbeschluss in BFH/NV 1996, 32, a.E.) bleibt ebenfalls offen.
Fundstellen
Haufe-Index 1572274 |
BFH/NV 2006, 1976 |
BStBl II 2006, 917 |
BFHE 2007, 373 |
BFHE 214, 373 |
BB 2006, 2121 |
DB 2006, 2040 |
DStRE 2006, 1448 |
DStZ 2006, 679 |
HFR 2006, 1219 |