Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit des Hessischen Sparkassen- und Giroverbandes ist im wesentlichen dem Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung zuzurechnen.
Normenkette
EStG 1965 § 3 Nr. 12 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt im Streitjahr 1966 als Vertreter des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds in der Leitung der Geschäftsstelle des Hessischen Sparkassen- und Giroverbandes (Sparkassenverband) eine Aufwandsentschädigung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte es bei der Veranlagung des Klägers ab, diesen Betrag nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei zu belassen, da der Kläger keine öffentlich-rechtlichen (hoheitlichen) Aufgaben erfülle.
Das FG wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Es ordnete entgegen der Auffassung des Klägers seine Tätigkeit nicht der schlichten Hoheitsverwaltung zu, die der BFH im Urteil vom 15. März 1968 VI R 288/66 (BFHE 92, 11, BStBl II 1968, 437) als öffentlichen Dienst i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG angesehen hatte. Es führte u. a. aus: Der BFH habe erstmals im Urteil vom 13. August 1971 VI R 391/69 (BFHE 103, 165, BStBl II 1971, 818) versucht, die schlichte Hoheitsverwaltung dahin näher abzugrenzen, daß darunter nicht die sogenannte fiskalische Verwaltung, zu der er die nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG körperschaftsteuerpflichtigen Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts rechnete, fielen. Damit ordne der BFH jedoch nicht jede öffentlich-rechtliche Körperschaft, die sich nicht gewerblich betätigt, ohne weiteres der schlichten Hoheitsverwaltung zu. Vielmehr sei nach Ansicht des BFH die sich als Gewerbebetrieb betätigende Körperschaft nur ein Beispiel für fiskalische Verwaltung. Wesentliche Auslegungsgesichtspunkte für den BFH seien einerseits die Parallele zur Regelung bzw. Auslegung des Art. 34 GG betreffend die sogenannte Staatshaftung für denjenigen, der "in Ausübung eines öffentlichen Amtes" die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, und andererseits der Gesichtspunkt der Konkurrenz zu anderen, voll den Grundsätzen des Privatrechts unterliegenden Unternehmen. Diese beiden Gesichtspunkte führten auch mit Bezug auf die Funktion, die der Kläger im Sparkassenverband ausübe, zu der Feststellung, daß er kein öffentliches Amt bekleide. Die Verbandsgeschäftsstelle habe nach § 23 Abs. 2 der Satzung die laufenden Geschäfte im Rahmen der Satzung und nach Maßgabe der Geschäftsanweisung und weiteren Beschlüsse der Verbandsorgane zu besorgen. Der Kläger sei im wesentlichen also ein stellvertretender Büro- und Personalchef. Derartige Positionen gebe es in jedem mittleren und größeren Privatunternehmen. Die Eigenschaft des Sparkassenverbandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts reiche nicht aus, aus dieser Position eine Staatshaftung nach Art. 34 GG herzuleiten. Die in § 8 der Satzung geregelten Verbandsaufgaben seien weitgehend vergleichbar mit den satzungsmäßigen Aufgaben eines im Geschäftszweig vergleichbaren Dachverbandes privatwirtschaftlicher Unternehmungen wie z. B. des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Die Besonderheit, daß der Sparkassenverband ein Prüfungsverband sei, gebe der auf die laufenden Geschäfte beschränkten Geschäftsstellenleitung nicht den Charakter eines öffentlichen Amtes, zumal der Geschäftsstellenleiter nicht Dienstvorgesetzter sei. Die dem Sparkassenverband ferner zugewiesene Pflege des öffentlichen Bausparwesens und der Förderung des öffentlichen Versicherungswesens seien nur Randaufgaben, die hier gleichfalls außer Betracht bleiben könnten. Auch der in der Satzung besonders betonte Schutz der Sparer sei keine Besonderheit, weil jede seriöse Bank usw. darauf bedacht sei. Zusammenfassend fiele neben der der fiskalischen Verwaltung zuzurechnenden Hauptaufgabe des Sparkassenverbandes, die gemeinschaftlichen Aufgaben seiner Mitglieder wahrzunehmen und zu fördern, die satzungsmäßigen Besonderheiten, die für sich betrachtet vielleicht als Merkmal einer hoheitlichen Betätigung verstanden werden könnten, nicht so ins Gewicht, daß die dienstliche Stellung des Klägers als des stellvertretenden Leiters der laufenden Geschäfte als ein öffentliches Amt i. S. hoheitlicher Verwaltung angesehen werden könnte. Im Gegenteil schließe der Wettbewerbsgesichtspunkt eine derartige Beurteilung steuerlich aus.
Hiernach brauche nicht mehr geprüft zu werden, ob die Bezüge i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar überstiegen hätten. Desgleichen komme eine Anrufung des BVerfG wegen der Frage, ob die ganze Vorschrift des § 3 Nr. 12 EStG gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG verstoße, nicht in Betracht, weil die Frage für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich sei.
Mit der Revision trägt der Kläger u. a. vor: Der Sparkassenverband könne nicht mit privatrechtlichen Verbänden auf eine Stufe gestellt werden, weil seine Rechtsstellung gegenüber seinen Mitgliedern hoheitlichen Charakter habe. Denn er sei, wie sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 des Hessischen Gesetzes über die Neuordnung des öffentlichen Bank- und Sparkassenwesens vom 8. Mai 1953 (Hessisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1953 S. 99) ergebe, ein Zwangsverband. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sei die Pflichtmitgliedschaft bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn der öffentlich-rechtliche Verband öffentliche Aufgaben wahrnehmen solle (Urteil vom 29. Juli 1959 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89 [102], und Beschlüsse vom 25. Februar 1960 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354 [361]; vom 2. Mai 1961 1 BvR 203/53, BVerfGE 12, 319 [323]; vom 19. Dezember 1962 1 BvR 541/57, BVerfGE 15, 235 [239]). Erfülle der Sparkassenverband als Zwangsverband aber öffentliche Aufgaben, dann werde er insoweit nicht fiskalisch, sondern in Ausübung öffentlicher Gewalt tätig (BFH-Entscheidung vom 13. April 1961 V 120/59 U, BFHE 73, 84, BStBl III 1961, 298). Die Satzung des Sparkassenverbandes könne deshalb nicht ohne weiteres mit dem Aufgabenkatalog eines Verbandes des privaten Kreditgewerbes verglichen werden.
Das FA trägt u. a. vor: Selbst wenn der Sparkassenverband öffentliche Aufgaben erfülle, sei damit noch nicht gesagt, daß er auch in Ausübung öffentlicher Gewalt tätig werde. Aus dem Begriff Zwangsverband lasse sich hierzu nichts entnehmen.
Der BdF ist auf Aufforderung des Senats dem Verfahren beigetreten. In seiner Stellungnahme gelangt er zu der Auffassung, daß der Hessische Sparkassen- und Giroverband eine fiskalische Tätigkeit ausübe und daß deshalb die Vorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG im Falle des Klägers nicht anwendbar sei. Der Verband sei seinem Wesen nach ein Dachverband für die zahlreichen Sparkassen der Städte und Gemeinden. Aus der gesetzlich bestimmten Zwangsmitgliedschaft lasse sich lediglich ein Ordnungsprinzip, keinesfalls aber eine hoheitliche Wesensart ableiten. Der Verband verfolge keine eigenen Zwecke, sondern im wesentlichen nur die Interessen der ihm angeschlossenen Sparkassen. Er habe in einer gewissen Art leitender Tätigkeit, die allen in ihm zusammengefaßten Sparkassen zugute komme, insbesondere gewisse übergeordnete Aufgaben der Sparkassen wahrzunehmen. Das FG habe den Verband deshalb zutreffend mit einem Dachverband privatwirtschaftlicher Unternehmen verglichen und dem Fiskalbereich zugeordnet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
In § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG 1965 werden nicht unter § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG fallende Bezüge steuerfrei gestellt, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, daß sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Unter § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG fällt die streitige Aufwandsentschädigung des Klägers schon deshalb nicht, weil sie weder aus einer Bundeskasse noch aus einer Landeskasse gezahlt wird.
Die Vorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ist mit dem GG, insbesondere mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 vereinbar. Das FG hat von seinem Standpunkt aus zu Recht, zu dieser Frage nicht Stellung genommen. Zu § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG 1957 (gleichlautend mit der entsprechenden Vorschrift des Einkommensteuergesetzes 1965) hat der Senat im Urteil vom 18. Dezember 1964 VI 298/60 U (BFHE 81, 401, BStBl III 1965, 144) die Verfassungsmäßigkeit bejaht. Diese Beurteilung trifft auch für den Satz 2 zu, zumal diese Vorschrift im Gegensatz zu Satz 1 ausdrücklich die Prüfung durch die Finanzverwaltungsbehörden vorschreibt, ob mit der Aufwandsentschädigung nur Aufwand des Empfängers abgegolten wird oder ob es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn handelt. Ein steuerlich beachtlicher Aufwand in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die mit der Aufwandsentschädigung abgegoltenen Aufwendungen des Klägers Werbungskostencharakter (§ 9 Abs. 1 EStG) haben.
Der Kläger hat die Aufwandsentschädigung aus einer öffentlichen Kasse erhalten, da dem Hessischen Sparkassen- und Giroverband durch das Gesetz über die Neuordnung des öffentlichen Bank- und Sparkassenwesens vom 8. Mai 1953 (a. a. O.) die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden sind (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes). Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Der Kläger hat im Gegensatz zur Auffassung des FG und des FA auch öffentliche Dienste geleistet. Der Senat hält daran fest, daß zu den öffentlichen Diensten nicht nur die Ausübung einer eigentlichen hoheitlichen Tätigkeit gehört, sondern daß dieser Begriff den Gesamtbereich der hoheitlichen Verwaltung einschließlich der sogenannten schlichten Hoheitsverwaltung umfaßt (Urteil VI R 391/69). Die Tätigkeit des Klägers als Vertreter des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds in der Leitung der Geschäftsstelle des Verbandes ist dem Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung zuzurechnen. Im Urteil VI R 391/69 hat der Senat Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) allgemein der fiskalischen Verwaltung zugeordnet. Die Frage, ob außer Betrieben gewerblicher Art i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG auch andere Einrichtungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder ob öffentlich-rechtliche Körperschaften selbst dem Bereich der fiskalischen Verwaltung zuzuordnen sind, auch wenn sie nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG fallen, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden, da der Verband schon aus den nachstehend dargestellten Erwägungen dem Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung zuzurechnen ist.
Die Rechtsprechung des RFH hatte öffentlich-rechtliche Körperschaften mit ähnlichen oder vergleichbaren Aufgabenstellungen nicht der Hoheitsverwaltung zugerechnet (vgl. z. B. Urteile vom 17. Juni 1931 VI A 1452/30, RStBl 1931, 666, und vom 11. Mai 1937 IV A 36/36, RStBl 1937, 975, in denen die Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern als privatwirtschaftliche Tätigkeit beurteilt wird, ferner Urteil vom 17. Juni 1931 VI A 1205/31, RStBl 1931, 667, in dem bei Dienstleistung für eine preußische Landwirtschaftskammer kein öffentlicher Dienst angenommen wird). Die Beurteilung der Landwirtschaftskammern hat auch der BFH zunächst in dem nichtveröffentlichten Urteil vom 26. Juni 1954 IV 421/53 aufrechterhalten.
Die neuere Rechtsprechung des BVerfG, des BGH und des BFH läßt insgesamt indessen, insbesondere wenn eine Zwangsmitgliedschaft zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts gesetzlich vorgeschrieben ist, eine geänderte rechtliche Beurteilung erkennen. Das BVerfG hatte sich in mehreren Entscheidungen mit der Frage zu befassen, ob die in Bundes- oder Landesgesetzen angeordnete Zwangsmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Diese Entscheidungen betreffen die Zwangsmitgliedschaft einer Handelsgesellschaft in einem Wasserverband (Urteil 1 BvR 394/58), die Pflichtmitgliedschaft der in Bayern tätigen Ärzte bei der Bayerischen Ärzteversorgung (Beschluß 1 BvR 239/52), die Zwangsmitgliedschaft in einer Altersversorgungs-Anstalt für freiberuflich tätige Ärzte in Baden-Württemberg (Beschluß 1 BvR 203/53), die Pflichtzugehörigkeit zu den Industrie- und Handelskammern (Beschluß 1 BvR 541/57), die Pflichtzugehörigkeit der Arbeitnehmer in den Ländern Bremen und Saarland zu den dort errichteten Arbeitnehmerkammern (Beschluß vom 18. Dezember 1974 1 BvR 430/65 und 259/66, BVerf-GE 38, 281). Im Falle der Industrie- und Handelskammern z. B. hat das BVerfG ausgeführt, in der industriellen Gesellschaft sei es naheliegend und jedenfalls von der Verfassung her unbedenklich, daß der Staat die Förderung der Wirtschaft im weitesten Sinne zum Rang einer besonders wichtigen Staatsaufgabe erhebe. Es könne ihm dann nicht verwehrt sein, sich bei der Erfüllung dieser Aufgabe der Hilfe von Organen zu bedienen, die er - auf gesetzlicher Grundlage - aus der Wirtschaft selbst heraus sich bilden lasse und die durch ihre Fachkunde die Grundlagen dafür schaffen helfen, daß staatliche Entschließungen auf diesem Gebiet ein möglichst hohes Maß an Sachnähe und Richtigkeit gewönnen. Auch diese besonderen Einrichtungen, wie sie die Industrie- und Handelskammern darstellten, nähmen damit an der Erfüllung einer echten Staatsaufgabe teil; sie erfüllten sie in erster Linie durch Vorschläge, Gutachten und Berichte, durch Schaffung von Einrichtungen zur Förderung der Wirtschaft, insbesondere auf dem Gebiet der Berufsausbildung und des Prüfungswesens, endlich durch die Erledigung bestimmter Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung (z. B. Ausstellung von Ursprungszeugnissen und sonstigen Bescheinigungen). Es ließen sich zwar die beiden Komplexe "Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat" und "Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet" deutlich scheiden; es sei jedoch unzweifelhaft, daß es sich in beiden Fällen um legitime öffentliche Aufgaben handele. Namentlich stelle auch die erstgenannte Aufgabe nicht "reine Interessenvertretung" dar. Die vom Kläger gezogene Parallele zu den Fachverbänden übersehe, daß diese primär die Interessen ihrer Wirtschaftszweige vertreten, so daß eine umfassende Würdigung entgegenstehender und allgemeiner Interessen von ihnen nicht ohne weiteres erwartet werde. Demgegenüber sei es den Industrie- und Handelskammern letztlich zur Pflicht gemacht, stets das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft im Auge zu behalten und die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe lediglich "abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen"; es sei ihnen die gesetzliche Verantwortung dafür auferlegt, daß sie im Rahmen ihrer Aufgabe, die gewerbliche Wirtschaft im ganzen zu fördern, das höchstmögliche Maß von Objektivität walten ließen. Hieran bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse. Insbesondere mit dieser Darlegung, daß es sich auch bei den genannten Aufgaben um öffentliche Aufgaben handelt, begründet das BVerfG die Zulässigkeit der Zwangsmitgliedschaft, da bei freiwilliger Mitgliedschaft die gebotene Objektivität nicht gewahrt werden könne. Von ähnlichen Erwägungen geht das BVerfG auch in den anderen genannten Entscheidungen aus, ferner der BGH im Urteil vom 30. November 1955 VI ZR 100/54 (Neue Juristische Wochenschrift 1956 S. 711). Die Entscheidung des BVerwG vom 29. November 1972 VI C 19.69 (BVerwGE 41, 195) betrifft nicht den Tätigkeitsbereich eines Verbandes, sondern die Aufgaben eines ehrenamtlichen Mitglieds des Verwaltungsrats einer öffentlichen Sparkasse und kann somit für die zur Entscheidung anstehende Rechtsfrage nicht herangezogen werden.
Auch die Rechtsprechung des BFH geht jetzt von anderen Grundsätzen aus als der RFH. Schon im BFH-Urteil vom 7. Dezember 1965 I 319/62 U (BFHE 84, 417, BStBl III 1966, 150) wurde ausgesprochen, daß der Geschäftsbereich einer Notarkammer überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient. Im Urteil VI R 288/66 wurde dann die bisherige Rechtsprechung des RFH und des BFH ausdrücklich aufgegeben und entschieden, daß öffentliche Dienste nicht nur solche Personen leisten, die öffentlich-rechtliche (hoheitliche) Dienste leisten, sondern auch Personen, die Aufgaben der sogenannten schlichten Hoheitsverwaltung erfüllen. Die Tätigkeit eines leitenden Landwirtschaftsdirektors und stellvertretenden Kammerdirektors einer Landwirtschaftskammer wurde der schlichten Hoheitsverwaltung zugerechnet. Entsprechend wurde im Urteil vom 1. April 1971 IV 113/65 (BFHE 102, 255, BStBl II 1971, 519) hinsichtlich der Tätigkeit des ehrenamtlichen Vorsitzenden des Hauptausschusses für Landwirtschaft und Gartenbau in Hamburg entschieden. In den BFH-Urteilen VI R 391/69 und vom 31. Januar 1975 VI R 171/74 (BFHE 115, 118, BStBl II 1975, 563) schließlich wurde der Bereich der körperschaftsteuerpflichtigen Betriebe gewerblicher Art von Gemeinden von der schlichtverwaltenden Tätigkeit abgegrenzt und der fiskalischen Tätigkeit zugeordnet.
Es entspricht den in dieser Rechtsprechung erkennbaren Rechtsgrundsätzen, auch die Tätigkeit des Hessischen Sparkassen- und Giroverbandes im wesentlichen zur schlichten Hoheitsverwaltung zu rechnen. Insbesondere kann aus der Verpflichtung, die Interessen der Sparkassen zu vertreten, nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Denn die Art dieser Interessenvertretung ist eine andere als diejenige eines privaten Wirtschaftsverbandes. In dem Hessischen Sparkassen- und Giroverband sind sämtliche Sparkassen des Landes Hessen zwangsweise zusammengeschlossen. Die Interessenvertretung braucht daher, worauf das BVerfG insbesondere hinweist, nicht wie bei privaten Wirtschaftsverbänden auf die Interessen der freiwilligen Mitglieder abgestellt zu werden. Die Vertretung hat vielmehr das Gesamtinteresse aller Sparkassen zu berücksichtigen und muß dabei ein Höchstmaß an Objektivität walten lassen. Ähnliches gilt für die Förderung der Ausbildung und Fortbildung von Sparkassenbediensteten. Die weitere Aufgabe der Prüfung der Sparkassen und der Unterstützung der Sparkassenaufsichtsbehörden ist schon ihrer Natur nach eher der verwaltenden als der fiskalischen Tätigkeit zuzuordnen.
In der kapitalmäßigen Beteiligung der Sparkassen an dem Verband und in der Regelung über die Aufbringung der Mittel für die Ausgaben des Verbandes sieht der Senat demgegenüber lediglich organisatorische Regelungen, die die Grundsatzfrage nicht berühren. Entsprechendes gilt für die Beteiligung des Verbandes an der Hessischen Landesbank. Die Frage, ob eine Staatshaftung nach Art. 34 GG bei Amtspflichtverletzungen durch Bedienstete des Hessischen Sparkassen- und Giroverbandes eingreift, ist soweit ersichtlich von den ordentlichen Gerichten noch nicht entschieden worden. Hierauf kann deshalb bei der Entscheidung der anstehenden Rechtsfrage nicht zurückgegriffen werden.
Der Kläger ist nach der Überzeugung des Senats als Vertreter des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds in der Leitung der Geschäftsstelle des Verbandes auch unmittelbar im wesentlichen im Rahmen der schlichtverwaltenden Tätigkeit des Verbandes tätig geworden. Es mag sein, daß ihm in der Gesamttätigkeit des Verbandes eher eine weisungsgebundene ausführende Tätigkeit oblag als eine Mitwirkung an der eigentlichen Beschlußfassung und Willensbildung. Es liegt indessen auf der Hand, daß der Verband ohne die Tätigkeit einer Geschäftsstelle nicht in der Lage wäre, nach außen hin wirksam tätig zu werden.
Die Entscheidung des FG, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war hiernach aufzuheben. Die Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif. Das FG hat, von seinem Standpunkt aus zu Recht, bisher nicht geprüft, ob die Aufwandsentschädigung den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigt (§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG). Die Sache wird daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 71840 |
BStBl II 1976, 418 |
BFHE 1976, 339 |