Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung einer betrieblichen Veräußerungsrente bzw. Erwerbsrente von einer privaten Versorgungsrente
Leitsatz (amtlich)
Zur Unterscheidung zwischen betrieblicher Veräußerungs- bzw. Erwerbsrente und privater Versorgungsrente, wenn der Vater aus einer zweigliedrigen OHG ausscheidet und der Sohn das Geschäft allein fortführt.
Orientierungssatz
Darlegung der Rechtsprechungsgrundsätze zur Abgrenzung einer betrieblichen Veräußerungsrente bzw. Erwerbsrente von einer privaten Versorgungsrente.
Normenkette
EStG 1977 § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1978 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger war zusammen mit seinem Vater Gesellschafter der H. und W.H. OHG. § 9 des Gesellschaftsvertrages vom 6.Mai 1958 lautete:
"Kündigt ein Gesellschafter, gerät ein Gesellschafter in Konkurs oder wird das Vergleichsverfahren über sein Vermögen eröffnet, so kann der andere Gesellschafter das Geschäft der Firma ohne Liquidation weiterführen. Dem Kündigenden ist dann binnen 12 Monaten sein buchmäßiger Kapitalanteil als Abfindung auszuzahlen. Weitere Leistungen kann er nicht verlangen."
Am 8.Juli 1975 schloß der Kläger mit seinem damals 68 Jahre alten Vater und seiner 65 Jahre alten Mutter einen Auseinandersetzungsvertrag. Danach schied der Vater des Klägers mit Wirkung ab dem 31.Dezember 1975 aus der OHG aus. Das Unternehmen wurde vom Kläger mit allen Aktiven und Passiven und mit dem Recht zur Fortführung der Firma übernommen. § 3 des Vertrages hat auszugsweise den folgenden Wortlaut:
"(Der Kläger) verpflichtet sich, für die Übertragung des Geschäftsanteils zur Bestreitung des Lebensunterhaltes (seiner Eltern) an diese eine lebenslängliche Rente in der Weise zu zahlen, daß - beginnend am 1.1.1976 - ein monatlicher Betrag von 3 913,-- DM und nach dem Tod des (Vaters) an die (Mutter) ein Betrag von 2 349,-- DM gezahlt wird. Durch den Tod der (Mutter) soll sich also an dem Rentenbetrag von monatlich 3 913,-- DM nichts ändern."
Die Rente war durch eine Wertsicherungsklausel und durch Eintragung einer Reallast gesichert. Die Höhe der Rente wurde bemessen nach einem übertragenen Buchkapital in Höhe von 400 000 DM und durch ein versicherungsmathematisches Gutachten ermittelt. Den Differenzbetrag zwischen dem Rentenbarwert von 400 000 DM und dem höheren Kapitalkonto des Vaters beließ dieser dem Kläger als verzinsliches Darlehen. Der Vater des Klägers verpflichtete sich, dem Unternehmen seine Arbeitskraft nach seinem Ermessen zur Verfügung zu stellen.
Der Kläger behandelte die Leistungen an seinen Vater als betriebliche "Veräußerungsrente". Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, es handle sich um eine private Leibrente; er ließ lediglich den Ertragsanteil der Rente zum Abzug als Sonderausgabe zu. Der Kapitalwert der Rente und der Wert des Mitunternehmeranteils seien nicht wie bei Veräußerungsgeschäften unter fremden Dritten üblich gegeneinander abgewogen.
Die hiergegen eingelegte Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es liege eine private Versorgungsrente vor. Die Vertragschließenden hätten nicht die Vorstellung gehabt, daß Leistung und Gegenleistung sich gleichwertig gegenüberstünden. Sie hätten sich bewußt an dem buchmäßig ermittelten Wert des Kapitalkontos orientiert, ohne sich über den tatsächlichen Wert des Gesellschaftsanteils Gedanken zu machen. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß der tatsächliche Wert des übertragenen Anteils ein Vielfaches des Buchwertes betragen habe. "Die Rente als Gegenleistung für die Übertragung des Gesellschaftsanteils" habe ausdrücklich der Bestreitung des Lebensunterhalts dienen sollen. Die Abfindungsklausel im Gesellschaftsvertrag habe nach ihrem Wortlaut die Auflösung der Gesellschaft durch einseitige Erklärung geregelt. Im Streitfall sei die Gesellschaft einvernehmlich aufgelöst worden. In dieser Hinsicht sei der Gesellschaftsvertrag lückenhaft. Nach den deswegen anwendbaren §§ 105 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) habe der Vater eine Abfindung in Höhe des tatsächlichen Werts des Gesellschaftsanteils beanspruchen können. Buchwertklauseln seien unzulässig, wenn durch sie der Abfindungsanspruch wesentlich hinter dem wirklichen Wert des Gesellschaftsanteils zurückbleibe. Von einem derart erheblichen Mißverhältnis sei hier auszugehen: Die dem Vater zustehenden Gewinnanteile hätten binnen zwei bis drei Jahren den Rentenbarwert von 400 000 DM erreicht. Es brauche nicht entschieden zu werden, ob das für die betriebliche Veräußerungsrente erforderliche Merkmal des Leistungsaustausches entfallen könne, wenn die Vertragspartner subjektiv angenommen hätten, der Abfindungsanspruch sei gesellschaftsrechtlich auf den Buchwert begrenzt. Verwandtschaftlich nicht verbundene Vertragspartner hätten bei der Bemessung des Abfindungsanspruchs die Ertragslage des Unternehmens berücksichtigt oder --sofern eine Einigung über den Wert nicht möglich gewesen wäre-- die Gesellschaft fortgeführt. Wenn der Vater seinen Gesellschaftsanteil ohne eine angemessene Gegenleistung übertragen habe, so unterstreiche dies die nicht widerlegte Vermutung für den familiären, außerbetrieblichen Charakter der Übertragung.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts und des Grundsatzes der Amtsermittlung. Sie tragen vor:
Beim Ausscheiden aus einer zweigliedrigen Gesellschaft könne eine Gegenleistung bereits darin liegen, daß der verbleibende Gesellschafter den Ausscheidenden umfassend von einer Haftung freistelle und sich allein zur Fortführung des Unternehmens bereiterkläre. Dies müsse berücksichtigt werden, wenn Vermutungen über den familiären Charakter der Veräußerung angestellt würden. Das Gesellschaftsverhältnis sei nur unter Berücksichtigung dessen einvernehmlich aufgelöst worden, daß eine einseitige Kündigung jederzeit möglich gewesen sei. Bei personenbezogenen kleineren und mittleren Unternehmen sei ein Erwerber regelmäßig nicht bereit, einen über den Buchwert hinausgehenden Kaufpreis zu zahlen. Hierbei sei wesentlich, daß er den Kaufpreis regelmäßig nicht "aus eigener Tasche" aufbringen könne; stille Reserven und Geschäftswert seien nicht beleihbar. Für die Ausgewogenheit der Rentenvereinbarung spreche auch, daß der aus der Gesellschaft ausscheidende Vater eine einseitige Bevorzugung des Klägers gegenüber dessen Geschwistern nicht beabsichtigt habe.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1978 zu ermäßigen, indem die Rente --unter Fortfall des bisherigen Sonderausgabenabzugs und unter Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung-- als betriebliche Veräußerungsrente berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage gemäß dem Klageantrag.
1. Die vom Kläger an seinen Vater zu zahlende Rente ist eine betriebliche Veräußerungsrente. Die Auffassung des FG, mangels Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung liege keine betriebliche Veräußerungs-/Erwerbsrente, vielmehr eine private Versorgungsrente vor, hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Seine Schlußfolgerung, ein Vertrag mit dem hier zu beurteilenden Inhalt wäre zwischen fremden Dritten nicht abgeschlossen worden, ist durch die tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt.
2. Der Veräußerer bezieht eine betriebliche Veräußerungsrente, wenn ein Betrieb, ein Mitunternehmeranteil oder einzelne Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gegen wiederkehrende Leistungen (Rente) veräußert werden. Der Erwerber zahlt eine betriebliche Rente, wenn das für eine betrieblich bedingte Anschaffung vereinbarte Entgelt in wiederkehrenden Leistungen besteht ("Erwerbsrente"; vgl. Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 5 EStG Anm.1350). Dieser betriebliche entgeltliche Anschaffungsvorgang ist abzugrenzen gegen die private Versorgungsrente: Hierbei handelt es sich um Versorgungsleistungen, die anläßlich der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Übernehmer zugesagt werden; sie stellen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten, sondern wiederkehrende Bezüge und Sonderausgaben dar (Großer Senat des Bundesfinanzhofs --BFH--, Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847). Die in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarten wiederkehrenden Sach- und Geldleistungen sind als dauernde Last abziehbar, wenn sie nicht gleichbleibend (abänderbar) sind; sie können aber auch als private Leibrente (§ 22 Nr.1 Satz 3 Buchst.a des Einkommensteuergesetzes --EStG--) nur mit ihrem Ertragsanteil zu berücksichtigen sein (Großer Senat des BFH, Beschluß vom 15.Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 255, BStBl II 1992, 78).
Der erkennende Senat läßt dahingestellt, wann hiernach der Erwerb eines Mitunternehmeranteils gegen Leibrente anzunehmen ist. Solches würde jedenfalls voraussetzen, daß der Erwerb des Gesellschaftsanteils (§ 142 HGB) für den Kläger ein steuerrechtlich unentgeltlicher Vorgang gewesen wäre. Dies war nicht der Fall; vielmehr lag ein in vollem Umfang entgeltliches Anschaffungsgeschäft vor.
3. Die Unterscheidung zwischen Veräußerungs-/Erwerbsrente und privater Versorgungsrente wird nach den folgenden Grundsätzen getroffen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist bei der Übertragung eines Betriebes oder eines Gesellschaftsanteils von Eltern auf Kinder gegen wiederkehrende Leistungen im Regelfall anzunehmen, daß Leistung und Gegenleistung regelmäßig nicht wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen werden; vielmehr wird widerlegbar vermutet, daß die Rente --unabhängig vom Wert der übertragenen Vermögenswerte-- nach dem Versorgungsbedürfnis der Eltern und/oder nach der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen worden ist und insofern familiären, außerbetrieblichen Charakter hat (Urteile vom 16.November 1972 IV R 38/68, BFHE 108, 28, BStBl II 1973, 184; vom 6.März 1975 IV R 191/71, BFHE 115, 443, BStBl II 1975, 600; vom 21.Dezember 1977 I R 52/76, BFHE 124, 432, BStBl II 1978, 332; vom 22.September 1982 IV R 154/79, BFHE 136, 527, BStBl II 1983, 99). Die für eine private Versorgungsrente sprechende Vermutung besteht nicht, wenn die übertragenen Vermögenswerte und die Rentenverpflichtung einander gleichwertig sind. Beruft sich ein Steuerpflichtiger darauf, daß Rente und übertragenes Vermögen wertgleich seien, muß er dies zur Widerlegung der genannten Vermutung substantiiert dartun; insbesondere muß er darlegen, welche Vorstellung die Vertragspartner bei Abschluß des Vertrages hinsichtlich des Wertes der übertragenen Wirtschaftsgüter hatten (BFH-Urteil vom 9.Oktober 1985 I R 149/82, BFHE 144, 561, BStBl II 1986, 51). Die Vermutung für die private Veranlassung ist widerlegt, wenn feststeht, daß die beiderseitigen Leistungen wie unter fremden Dritten gegeneinander abgewogen worden sind (BFH-Urteile vom 28.Juli 1983 IV R 174/80, BFHE 139, 367, BStBl II 1984, 97; und in BFHE 144, 561, BStBl II 1986, 51). Hat der Steuerpflichtige darlegen können, daß Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, und ist damit die Vermutung einer privaten Versorgung ausgeräumt, ist es Aufgabe des FA, andere Umstände darzulegen, die eine betriebliche Veranlassung in Frage stellen (BFH-Urteil vom 21.Januar 1986 VIII R 238/81, BFH/NV 1986, 597, unter 5. am Ende).
b) Voraussetzung für eine betriebliche Veräußerungs-/Erwerbsrente ist, daß die Beteiligten subjektiv von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen ausgegangen sind (BFH-Urteil in BFHE 136, 527, BStBl II 1983, 99). Trotz objektiver Ungleichgewichtigkeit von Leistung und Gegenleistung kann eine betriebliche Veräußerungs-/Erwerbsrente vorliegen, wenn die Vertragsparteien subjektiv von der Gleichwertigkeit ausgegangen sind (BFH-Urteil vom 5.März 1964 IV R 417/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1964, 416).
c) Nach Auffassung des erkennenden Senats dürfen die Anforderungen an den Nachweis eines kaufmännischen Aushandelns des Entgelts dann nicht überspannt werden, wenn eine nicht eindeutige Vertragslage und Unwägbarkeiten bei der Bestimmung eines Unternehmenswertes bereits objektiv die Findung "richtiger" Werte erschweren oder gar unmöglich machen. Unter dieser Voraussetzung muß es ausreichen, wenn der Steuerpflichtige substantiiert vorträgt, das Entgelt sei nicht nach Versorgungsgesichtspunkten, sondern unter Ausgleichung gegenläufiger Vermögensinteressen bemessen worden.
4. So liegt es im Streitfall. Die Vermutung für eine private Versorgungsrente ist entkräftet.
Der Kläger hat substantiiert dargelegt, daß es seinem Vater darauf angekommen war, "auf Heller und Pfennig seine Rechte zu wahren". Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt spricht nichts dafür, daß der Vater zumindest teilweise auf seine gesellschaftsrechtlichen Vermögensrechte hätte verzichten wollen. Wenn der sich nach Gesellschaftsrecht ergebende Anspruch versicherungsmathematisch verrentet wurde, indiziert dies einen Austausch von aus der Sicht der Vertragspartner nach kaufmännischen Maßstäben gleichwertigen Leistungen. Beide Vertragspartner konnten in vertretbarer Weise davon ausgehen, daß die Buchwertklausel gültig war und dem Ausscheidenden der Buchwert seines Kapitalkontos unabhängig davon zustand, wer die Auflösung der Gesellschaft betrieben hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß die Rente unabhängig vom Wert des übertragenen Mitunternehmeranteils nach den Versorgungsbedürfnissen der Eltern bemessen worden wäre. Demgegenüber ist es rechtlich unerheblich, daß der Vater auf die Rente zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen war. Denn auch eine betriebliche Veräußerungsrente kann zur Versorgung des Bezugsberechtigten bestimmt sein.
5. Die Erwägungen des FG zum Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung sind nicht geeignet, eine betrieblich bedingte entgeltliche Anschaffung in Frage zu stellen.
Weder die Vereinbarung einer Buchwertklausel und die entsprechende vermögensrechtliche Auseinandersetzung noch Erwägungen zu einem hohen Ertragswert des Gesellschaftsanteils lassen für sich allein einen Schluß auf eine Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung zu.
a) Buchwertklauseln werden in Gesellschaftsverträgen --aus anzuerkennenden Gründen (vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2.Aufl. 1991 § 50 IV 2 c)-- auch zwischen einander Fremden vereinbart (vgl. die rechtstatsächliche Untersuchung von Morck, Die vertragliche Gestaltung der Beteiligung an Personen-Handelsgesellschaften, 1980, S.505; ferner Roland Baumann, Abfindungsregelungen für ausscheidende Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften, 1987, S.290 ff., 293 ff.). Sie werden in Formularbüchern empfohlen (s. z.B. Oldenburg in Münchener Vertragshandbuch, Bd.1, 2.Aufl. 1985, Formular II.3 Anm.31; Riegger, ebenda, Formular III.1, Mustervertrag § 13 Abs.2 Buchst.a; Hengeler in Beck'sches Formularbuch zum Bürgerlichen, Handels- und Wirtschaftsrecht, 5.Aufl. 1991, Formular VIII. B 2, Anm.41 m.w.N.).
Buchwertklauseln sind zivilrechtlich grundsätzlich unbedenklich (Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 29.Mai 1978 II ZR 52/77, Wertpapier-Mitteilungen --WM-- IV 1978, 1044; vom 24.September 1984 II ZR 256/83, WM IV 1984, 1506, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1985, 192; Ulmer in Großkommentar zum HGB, 1973, § 132 Anm.34; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, Kommentar, 28.Aufl., 1989, § 138, Anm.5 I.). Nicht die Wirksamkeit, vielmehr die Unwirksamkeit einer Buchwertklausel bedarf im Einzelfall der Begründung (K. Schmidt, a.a.O., § 50 IV 2 c, S.1222 f.) Die neuere Zivilrechtsprechung stellt eine Beziehung her zwischen der Buchwertklausel und der Begründetheit einer Ausschließungsklage nach § 140 HGB (Baumbach/Duden/Hopt, a.a.O., § 140 Anm.2 C). Im Falle der (wirksamen) Hinauskündigung eines Gesellschafters ohne wichtigen Grund, soweit eine solche überhaupt zulässig ist, kann eine Buchwertklausel unwirksam sein (BGH-Urteil vom 29.Januar 1962 II ZR 172/60, WM IV 1962, 462; Kellermann, Steuerberater-Jahrbuch 1986/87, 403, 415 ff.). Nach Karsten Schmidt (a.a.O., S.1225 f.) kann der Ausgeschiedene nur dann, wenn die Ausschließung selbst unwirksam war, sich also der Ausschließungsstreit in den Abfindungsstreit verlagert hat, eine "angemessene" Abfindung erzwingen.
Andere Grundsätze gelten wiederum, wenn ein Gesellschafter auf eigenes Betreiben ausscheidet. Hierzu hat der BGH --beiläufig-- in seinem Urteil vom 23.Oktober 1972 II ZR 31/70 (Lindenmaier- Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Nr.9 zu § 119 HGB, NJW 1973, 651) geäußert: Beträgt ein vertragsgemäßer Abfindungsanspruch in Anbetracht hoher stiller Reserven nur etwa 1/5 einer nach § 738 Abs.1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu zahlenden Abfindung, so wäre ein Ausscheiden mit so hohen wirtschaftlichen Verlusten verbunden, daß die Entschließungsfreiheit des Gesellschafters, vom Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, ganz erheblich erschwert wäre; eine derart wesentliche Erschwerung des nach § 723 Abs.3 BGB unverzichtbaren Rechts zur Kündigung aus wichtigem Grunde hätte zur Folge, daß sich die verbleibenden Gesellschafter auf die Abfindungsvereinbarung nicht berufen könnten und einen Anspruch auf angemessene Abfindung hinnehmen müßten.
b) Das FG hat eine zwischen fremden Dritten nicht übliche Vertragsgestaltung deswegen angenommen, weil in Anbetracht des hohen Ertragswertes der wirkliche Wert des Gesellschaftsanteils "ein Vielfaches" dessen Buchwertes betrage. Auch diese Erwägung hält der Prüfung nicht stand. Die Höhe des dem Vater zustehenden Gewinnanteils ist rechtlich nur von Bedeutung, wenn sie die Findung eines Entgelts für die Gesellschaftsanteile beeinflussen mußte. Dies ist hier zu verneinen.
Das FG hat eine neuere Auffassung zur Bewertung von Unternehmen zugrunde gelegt, welche die Bedeutung des Ertragswertes betont. Es ist freilich darauf hinzuweisen, daß der BGH das Ertragswertverfahren als Regelverfahren für die Wertermittlung von Gesellschaftsanteilen erst mit Urteil vom 13.März 1978 II ZR 142/76 (WM 1978, 401) akzeptiert hat (vgl. BGH in NJW 1985, 192, WM IV 1984, 1506 unter 2. b; hierzu Groh, Unternehmensbewertung im Steuerrecht, in Festschrift Rose, 1991, 142, 143 f.).
Darüber hinaus ist die Bewertung von Unternehmen (auch: von Gesellschaftsanteilen) auch aus neuerer Sicht nicht unproblematisch. Zwar bildet "der Barwert der zukünftigen Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben ... den theoretisch richtigen Wert eines Unternehmens" (Stellungnahme des Hauptfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer, HFA 2/1983: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, Die Wirtschaftsprüfung, 1983, 468, 469, unter B.). Indes gibt es keine zuverlässige Methode der Gewinnprognose; daher beruht die Unternehmensbewertung im reinen Ertragswertverfahren auf unvollkommenen Informationen (so WP-Handbuch I 1985/86, S.1095). Der II.Senat des BFH hat aus einer Analyse der Entwicklung von Wissenschaft und Praxis der Unternehmensbewertung die Erkenntnis gewonnen, "daß die Ertragswertmethode für die Bewertung eines Großteils mittlerer und kleiner Unternehmen praktisch nicht anwendbar ist" (Urteil vom 6.Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459, unter 2. a).
Hinzu kommt im Streitfall folgendes: Beim Versuch einer Prognose künftiger Gewinne ist zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen langfristig Bestand haben und dadurch dem einzelnen Gesellschafter gesicherte Gewinnchancen bieten. Diese Chancen schwinden in dem Umfang wie der Fortbestand der Gesellschaft ungewiß ist und z.B. der Seniorpartner nicht verhindern kann, daß der die Trennung betreibende Mitgesellschafter den Kundenstamm "mitnimmt" und fortan das geschäftliche und technische Know-how des Unternehmens auf eigene Rechnung verwertet. Gleiches gilt, wenn der Seniorpartner aus anderen Gründen nicht bereit und in der Lage ist, sein bisheriges unternehmerisches Engagement als Einzelunternehmer fortzusetzen.
6. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich seine Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Rente ist eine betriebliche Veräußerungsrente. Die Steuer laut angefochtenem Steuerbescheid ist neu festzusetzen. Hierbei entfällt der Abzug von Sonderausgaben nach § 10 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG 1977; die Gewerbesteuerrückstellung ist anzupassen. Die Berechnung des Steuerbetrages wird dem FA übertragen (Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit).
Fundstellen
Haufe-Index 64397 |
BFH/NV 1992, 35 |
BStBl II 1992, 465 |
BFHE 167, 95 |
BFHE 1992, 95 |
BB 1992, 1117 |
BB 1992, 1117-1119 (LT) |
DB 1992, 1120-1122 (T) |
DStR 1992, 646 (KT) |
DStZ 1992, 344 (KT) |
HFR 1992, 330 (LT) |
StE 1992, 262 (K) |