Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe eines Änderungsbescheides an einen Steuerberater
Leitsatz (NV)
Bevollmächtigt ein Steuerpflichtiger in seiner Steuererklärung einen Steuerberater zum Empfang des Steuerbescheides, so umfaßt diese Vollmacht auch die Bekanntgabe eines Änderungsbescheides.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 1 S. 3, § 110
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der in 1989 verheiratet war und Unterhaltsleistungen vom Wehrbereichsgebührnisamt ... bezog, erzielte für die Zeit vom 28. August bis 31. Dezember 1989 Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Schiffsbetriebstechniker. Er fuhr vom 28. August bis 1. September 1989 als Technischer Offizier auf der "X" und vom 16. September bis 17. Januar 1990 auf der "Y". Vom 2. bis 15. September 1989 hatte er Urlaub. Der Kläger musterte am 18. Januar 1990 ab und ging in Urlaub bis zum 10. März 1990.
Die vorgenannten Schiffe fuhren unter liberianischer Flagge. Die vom Kläger 1989 bezogenen Heuern wurden von seiner Arbeitgeberin nicht der Lohnsteuer unterworfen. Die Ehefrau des Klägers bezog 1989 ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung 1989 fügten die Eheleute u. a. eine Bescheinigung des Finanzamts (FA) Z vom 15. September 1989 über die vollständige Freistellung des Arbeitslohns des Klägers vom Steuerabzug aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens Liberia (DBA-Liberia) bei. In dieser Bescheinigung war u. a. zugleich geregelt, daß sie nur unter der Bedingung gelte, daß der Arbeitnehmer sich länger als 183 Tage in einem Zeitraum von 12 Monaten in dem genannten ausländischen Land (Liberia) aufhält. Mit der Einkommensteuererklärung 1989 beantragten die Eheleute ausdrücklich, daß der Einkommensteuerbescheid nicht ihnen, sondern dem Steuerberater T zugesandt werden sollte, der bei der Anfertigung dieser Steuer erklärung mitgewirkt hatte.
Im Einkommensteuerbescheid 1989 vom 9. Januar 1991 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) die Ein nahmen des Klägers aus der Tätigkeit auf ausländischen Schiffen nach Abzug von Werbungskosten nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts gemäß § 32 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von zusammen ... DM wurde die Einkommensteuer 1989 nach der Splittingtabelle auf ... DM festgesetzt. Der Steuerbescheid wurde, wie in der Einkommensteuererklärung beantragt, dem Steuerberater T als Empfangs bevollmächtigten zugestellt.
Mit -- vom Steuerberater T eingelegtem -- Einspruch vom 14. Januar 1991 wurde eine Änderung dieses Bescheides beantragt, weil der Vorwegabzug um 6 000 DM gekürzt worden sei. Dem Einspruch entsprach das FA mit (erstem) Änderungsbescheid vom 3. April 1991 (zu versteuerndes Einkommen ... DM, Einkommensteuer ... DM). Auch dieser Bescheid wurde dem Steuer berater T zugestellt.
Am 11. Dezember 1991 ging beim FA eine Kontrollmitteilung des FA Z ein. Nach den Feststellungen einer Lohnsteuer-Außenprüfung beim Arbeitgeber des Klägers waren für den Besteuerungszeitraum 1989 als vom Kläger in Liberia verbrachte Zeit nur 143 Tage anzuerkennen und deshalb die steuerpflichtigen Einkünfte aus der Tätigkeit als Schiffsbetriebstechniker nebst dem Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung nachzuversteuern. Die zeitliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA-Liberia (183 Tage Aufenthalt im Tätigkeitsstaat) waren -- nach Auffassung des Lohnsteuer-Außenprüfers -- durch den Urlaub des Klägers im Anschluß an die Abmusterung nicht erfüllt. Die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung seien zusätzlich nachzuversteuern gewesen, da die Beiträge ohne gesetzliche Verpflichtung gezahlt worden seien. Die steuerpflichtigen Bezüge betrugen insgesamt ... DM.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 1991 wies das FA den Steuerberater T auf diese Nachversteuerungsabsicht hin und gewährte ihm rechtliches Gehör. Auch im Zuge des sich anschließenden Schriftverkehrs wurde der Steuerberater T auf die Sach- und Rechts lage hingewiesen. Am 24. September 1994 erging ein gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erneut geänderter und nach § 165 Abs. 1 AO 1977 teilweise vorläufiger Einkommensteuerbescheid für 1989 (zu versteuerndes Einkommen ... DM, Einkommensteuer -- nach der Splittingtabelle ohne Progressionsvorbehalt -- ... DM). Auch dieser Bescheid wurde -- wie die beiden vorherigen Einkommensteuerbescheide -- dem Steuerberater T als Empfangsbevollmächtigten zugestellt.
Auf entsprechenden -- beim FA am 16. November 1992 eingegangenen -- Antrag seiner -- inzwischen vom Kläger getrennt lebenden -- früheren Ehefrau erließ das FA am 8. Februar 1993 Aufteilungsbescheide, wonach von der Einkommensteuer 1989 auf den Kläger ... DM entfielen. Am 9. Oktober 1992 hatte die frühere Ehefrau des Klägers dem FA anläßlich eines Stundungsschreibens mitgeteilt, daß sie seit einiger Zeit von ihrem Ehemann getrennt lebe.
Am 31. Dezember 1992 legte der Kläger, nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt H, gegen den Einkommensteuerbescheid 1989 vom 24. September 1992 Einspruch ein und beantragte -- wegen der Versäumnis der Einspruchs- und Wiedereinsetzungsfrist -- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO 1977. Zur Begründung trug er vor, daß er als Schiffsingenieur bis zum 12. Dezember 1992 zur See gefahren sei und ihm weder die Einspruchs- noch die Wiedereinsetzungsfristen bekannt gewesen seien. Außerdem lebe er von seiner Frau getrennt. Diese Trennung sei bereits vor September 1992 erfolgt, so daß keine Zustellung an die Anschrift ... habe durchgeführt werden können. Außerdem sei der Einkommensteuerbescheid vom 24. September 1992 deshalb zu ändern, weil er nach § 165 Abs. 1 AO 1977 nur vorläufig ergangen sei. Der Kläger habe klären können, daß er entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzbehörden 1989 länger als 183 Tage unter Liberia-Flagge gefahren sei.
Durch Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 1993 verwarf das FA den Einspruch gemäß § 358 AO 1977 als unzulässig, da er erst am 31. Dezember 1992 und damit verspätet beim FA eingegangen sei. Der Steuerbescheid sei, wie vom Kläger beantragt, dem Empfangsbevollmächtigten T mit Wirkung für und gegen den Kläger bekanntgegeben worden (§ 122 Abs. 1 AO 1977).
Gegen diese Einspruchsentscheidung erhob der Kläger am 23. März 1993 Klage, die ohne Erfolg blieb.
Mit seiner vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 110 AO 1977.
Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO 1977 für Einkommensteuer 1989 zuzulassen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Revisionsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, daß das FG davon ausgegangen ist, der geänderte Einkommensteuerbescheid 1989 vom 24. September 1992 sei gegenüber dem Kläger bestandskräftig geworden.
a) Liegt eine schriftliche Vollmacht vor, so sollen die Finanzbehörden Steuerbescheide dem schriftlich Bevollmächtigten bekanntgeben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Juli 1987 I R 180, 181/84, BFH/NV 1988, 274). Dieser Verpflichtung ist das FA nachgekommen. Es hat den an den Kläger gerichteten Änderungsbescheid vom 24. September 1992 dem Steuerberater T bekanntgegeben. Der Kläger hatte gegenüber dem FA dem Steuerberater T für die Bekanntgabe dieses Bescheides eine schriftliche Empfangsvollmacht erteilt. Die Vollmacht wurde bis zum 24. September 1992 einschließlich nicht widerrufen. Sie war inhaltlich unbedingt erteilt, weshalb das vom FG unterstellte Getrenntleben des Klägers und seiner Ehefrau am 24. September 1992 keinen Einfluß auf den Fortbestand der Vollmacht hatte. Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Vollmacht die Bekanntgabe von Änderungsbescheiden mitumfaßte.
b) Dem Kläger war keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 AO 1977). Der Steuerberater T war der Vertreter des Klägers. Der Kläger muß sich dessen Verschulden zurechnen lassen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der Kläger in dem Verfahren vor dem FG keine Gründe für fehlendes Verschulden des Steuerberaters T vorgetragen hatte und daß sich ein solches auch nicht aus den Akten ergebe. Diese Feststellungen hat der Kläger innerhalb seiner Revisionsbegründung nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Deshalb binden sie den erkennenden Senat (§ 118 Abs. 2 FGO). Soweit der Kläger als Revisionsbegründung vorträgt, der Steuerberater T habe auf das Ergebnis der Lohnsteuer-Außenprüfung vertrauen können, handelt es sich um neues und verspätetes Vorbringen, das auch aus anderen Gründen nicht durchgreift. Der Steuerberater T war verpflichtet, die Richtigkeit des Ergebnisses der Lohnsteuer- Außenprüfung durch Rücksprache mit dem Kläger zu verifizieren. Soweit eine Rücksprache mit dem Kläger wegen dessen Aufenthalts auf hoher See nicht möglich war, mußte er gegen den Einkommensteuerbescheid vorsorglich Einspruch einlegen und die Rückkehr des Klägers abwarten. Soweit der Steuerberater T dieser Verpflichtung nicht nachkam, trifft ihn ein Verschulden, das der Kläger sich zurechnen lassen muß. Es schließt die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
Fundstellen