Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückfluss von Arbeitslohn bei Nettolohnvereinbarung; Abtretung des Einkommensteuererstattungsanspruchs an den Arbeitgeber
Leitsatz (NV)
1. Maßgeblich für den Lohnsteuereinbehalt vom laufenden Arbeitslohn bei einer Nettolohnvereinbarung ist der Arbeitslohn, der vermindert um die übernommenen Lohnabzüge den arbeitsvertraglich vereinbarten Nettobetrag ergibt. Damit ist die steuerliche Ausgangsgröße des Lohnsteuerabzugs auch im Fall der Nettolohnabrede ein Bruttobetrag.
2. Ein Einkommensteuererstattungsanspruch, den der Arbeitnehmer im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung seinem Arbeitgeber abgetreten hat, ist deshalb im Rahmen des Lohnsteuereinbehalts nur durch einen Abzug vom laufenden (Brutto)Arbeitslohn und nicht durch eine Verminderung des laufenden Nettolohns zu berücksichtigen.
3. Eine Hochrechnung der Steuererstattung auf einen fiktiven Bruttobetrag ist nicht möglich.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 39b Abs. 2 S. 1, § 38 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1; LStR R 122
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 24.04.2006; Aktenzeichen 17 K 4593/04 H (L)) |
Tatbestand
I. Streitig ist, ob Einkommensteuererstattungen bei einer Nettolohnvereinbarung im Lohnsteuerabzugsverfahren durch eine Minderung des Bruttoarbeitslohns oder durch Abzug vom Nettolohn zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat mit ihren japanischen Arbeitnehmern Nettolohnvereinbarungen abgeschlossen. Auf deren Grundlage zahlt sie den Angestellten den vereinbarten Nettolohn aus und übernimmt die auf diesen Nettolohn anfallenden Steuern als Arbeitgeberin. Kommt es im Rahmen von Einkommensteuerveranlagungen der Arbeitnehmer zur Erstattung von Einkommensteuer, werden die Erstattungsbeträge auf der Grundlage der getroffenen Nettolohnabreden von den Arbeitnehmern an die Klägerin abgeführt. Dies erfolgt regelmäßig dadurch, dass die im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen entstehenden Steuererstattungsansprüche an die Klägerin abgetreten werden. Die Klägerin berücksichtigte die Einkommensteuererstattungen als negative Einnahmen der Arbeitnehmer. Sie kürzte in Höhe dieser negativen Einnahmen den laufend ausgezahlten Nettolohn, den sie ihrer Lohnsteueranmeldung zu Grunde legte. Die Einkommensteuererstattungen waren auf den Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer nicht als Werbungskosten oder negative Einnahmen eingetragen.
Bei der Klägerin wurde eine Lohnsteueraußenprüfung durchgeführt. Bei dieser Prüfung vertraten die Prüfer die Auffassung, die negativen Einnahmen seien nicht vom Nettolohn abzuziehen, sondern minderten nur den Bruttolohn. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ dementsprechend einen Lohnsteuerhaftungsbescheid für die Jahre 2000 bis 2002 und nahm die Klägerin in Höhe der sich ergebenden Differenzen in Anspruch.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit abzuändern, dass die im Rahmen der Nettolohnvereinbarung an die Klägerin von ihren Arbeitnehmern abgeführten Einkommensteuererstattungen als Minderung des Nettolohns berücksichtigt werden und die im Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 12. Mai 2003 festgesetzte Nachforderung für Lohnsteuer um 12.467,53 € und die Nachforderung für Solidaritätszuschlag um 690,51 € herabgesetzt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat die --hier allein streitige-- Höhe der Haftungsschuld zutreffend bemessen. Es hat insbesondere zu Recht entschieden, dass die Einkommensteuererstattungen bei der Berechnung der einzubehaltenden Lohnsteuer lediglich in tatsächlicher Höhe vom laufenden (Brutto)Arbeitslohn abzuziehen sind.
Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
a) Für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn hat der Arbeitgeber zunächst (zeitraumbezogen) die Höhe des laufenden Arbeitslohns festzustellen (§ 39b Abs. 2 Satz 1 EStG). Laufender Arbeitslohn ist der Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung regelmäßig fortlaufend zufließt. Hierzu zählen auch die Vorteile, die dem Arbeitnehmer --wie im Streitfall-- deshalb zufließen, weil der Arbeitgeber ihn von der geschuldeten Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EStG) freistellt (sogenannte Nettolohnvereinbarung), und zwar auch dann, wenn die einbehaltene Lohnsteuer höher als die später festgesetzte Einkommensteuer ist (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. Juni 1990 VI R 162/86, BFH/NV 1991, 156).
b) Maßgeblich für den Lohnsteuereinbehalt vom laufenden Arbeitslohn bei einer Nettolohnvereinbarung ist daher der Arbeitslohn, der vermindert um die übernommenen Lohnabzüge den arbeitsvertraglich vereinbarten Nettobetrag ergibt. Damit ist die steuerliche Ausgangsgröße des Lohnsteuerabzugs auch im Fall der Nettolohnabrede ein Bruttobetrag (vgl. Schmidt/ Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 39b Rz 10). Der Steuereinbehalt gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 39b Abs. 2 und 3 EStG vollzieht sich folglich bei der Nettolohnzahlung ebenso wie bei der Bruttolohnzahlung (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 39b Rz C 4 f.).
c) Somit können --wie das FG zu Recht entschieden hat-- die an den Arbeitgeber abgetretenen Steuererstattungsansprüche im Rahmen des Lohnsteuereinbehalts nur durch einen Abzug vom laufenden (Brutto)Arbeitslohn und nicht durch eine Verminderung des laufenden Nettolohns berücksichtigt werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe seines Urteils vom 30. Juli 2009 VI R 29/06.
Fundstellen