Leitsatz (amtlich)
Der Taschengeldanspruch des haushaltführenden Ehegatten ist nach § 850b Abs. 2 ZPO bedingt pfändbar.
Normenkette
ZPO § 850b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 27.06.2002; Aktenzeichen 10 T 202/02) |
AG Nürtingen |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Stuttgart v. 27.6.2002 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Hauptforderung von 4.501,43 EUR nebst Zinsen und Kosten. Der Schuldner wird von seiner Ehefrau, der Drittschuldnerin, unterhalten. Unterhaltsberechtigte Kinder sind nicht vorhanden. Bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 24.9.2001 hat der Schuldner das monatliche Nettoeinkommen seiner Ehefrau auf etwa 6.000 DM beziffert. Mit Schreiben v. 6.3.2002 wies der Schuldner unter Vorlage einer Verdienstbescheinigung darauf hin, dass der Nettoverdienst seiner Ehefrau derzeit 2.759,70 EUR betrage.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das AG den angeblichen Anspruch des Schuldners gegen seine Ehefrau auf Taschengeld i.H.v. 7/10 des monatlich geschuldeten Betrages gepfändet und an die Gläubigerin zur Einziehung überwiesen.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das LG unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Es ist der Auffassung, dass der Taschengeldanspruch bedingt, d.h. unter den Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO und unter Berücksichtigung der in § 850c ZPO festgelegten Grenzen pfändbar ist. Diese Voraussetzungen lägen vor, weil der Schuldner selbst über kein eigenes Einkommen aus Arbeit oder Vermögen verfüge, mit der Drittschuldnerin - ausweislich der übereinstimmenden Anschriften im Rubrum - in ehelicher Gemeinschaft lebe und den Haushalt führe. Bei der Pfändung von 7/10 des Taschengeldanspruchs, der mit 7 % des Nettoeinkommens anzusetzen sei, verbleibe dem Schuldner in jedem Fall ein Mindesttaschengeld von 50 EUR.
Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde bestehen grundsätzliche Bedenken gegen die Anerkennung eines Taschengeldanspruchs des einkommenslosen, haushaltführenden Ehegatten gegenüber dem erwerbstätigen Ehegatten. Jedenfalls aber könne ein solcher Anspruch nicht der Pfändung unterliegen, weil er allein der Befriedigung notwendiger persönlicher Bedürfnisse diene.
II.
Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im übrigen gem. § 575 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Zwar ist die Annahme des LG, dass der einem Ehegatten gegen den anderen zustehende Taschengeldanspruch gem. § 850b Abs. 2 i.V.m. den §§ 850c ff ZPO bedingt pfändbar ist, entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde rechtlich nicht zu beanstanden. Da sich den Entscheidungen des Amts- und des LG nicht entnehmen lässt, ob die Pfändung des Taschengeldanspruchs des Schuldners nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht (§ 850b Abs. 2 ZPO), bedarf die Sache aber insoweit der Aufklärung und erneuter Entscheidung durch das LG.
1. Der Taschengeldanspruch des Ehegatten ist nach herrschender Meinung gem. § 850b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO bedingt pfändbar.
a) Der haushaltführende Ehegatte hat, sofern nicht das Familieneinkommen schon durch den notwendigen Grundbedarf der Familienmitglieder restlos aufgezehrt wird (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 140/96, MDR 1998, 472 = NJW 1998, 1553 [1554], m.w.N.), Anspruch auf Zahlung eines Taschengelds (st.Rspr., BGH, Urt. v. 19.3.1986 - IVb ZR 18/85, MDR 1986, 740 = FamRZ 1986, 668 [669]; Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 140/96, MDR 1998, 472 = NJW 1998, 1553 [1554]; v. 15.10.2003 - XII ZR 122/00, BGHReport 2004, 382 = NJW 2004, 674 [676 f.]; ebenso Wacke in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1360a Rz. 6; Staudinger/Hübner/Voppel, BGB, 13. Bearb., § 1360a Rz. 17; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Bd. 1, 3. Aufl., § 850b Rz. 11; Behr, JurBüro 1997, 121 [122]; Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rz. 1015; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl., § 21 I 15). Dieser Anspruch ist eine auf gesetzlicher Vorschrift beruhende Unterhaltsrente i.S.d. § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Der Annahme eines solchen auf eine Unterhaltsrente gerichteten Individualanspruchs des Ehegatten steht nicht entgegen, dass der Taschengeldanspruch Bestandteil des Familienunterhalts nach §§ 1360, 1360a BGB ist (so aber Braun,NJW 2000, 97 [98, 99]; Haumer, FamRZ 1996, 193 [195 ff.]). Er ist gleichwohl - ebenso wie der Anspruch auf Trennungs- oder Nachehelichenunterhalt - ein auf Geld gerichteter Zahlungsanspruch, denn er soll den Ehegatten unabhängig von einer Mitsprache des jeweils anderen Ehepartners die Befriedigung solcher persönlicher Bedürfnisse ermöglichen, die über die regelmäßig in Form des Naturalunterhaltes gewährten (Grund-)Bedürfnisse (wie Nahrung, Wohnung, Kleidung, Körperpflege, medizinische Versorgung, kulturelle Bedürfnisse, Kranken- und Altersvorsorge, Mobilität) hinausgehen. Seine Höhe richtet sich nach den im Einzelfall gegebenen Vermögensverhältnissen, dem Lebensstil und der Zukunftsplanung der Ehegatten und wird in der Rechtsprechung üblicherweise mit einer Quote von 5 % bis 7 % des zur Verfügung stehenden Nettogesamteinkommens bemessen (BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 140/96, MDR 1998, 472 = NJW 1998, 1553 [1554 f.], m.w.N.; v. 15.10.2003 - XII ZR 122/00, BGHReport 2004, 382 = NJW 2004, 674 [677]; krit. Braun, AcP 195 (1995), 311 [321 ff.]; Braun, NJW 2000, 97 [97, 98]; Haumer, FamRZ 1996, 193).
Da der Taschengeldanspruch aus dem Gesetz folgt, ist er in seinem Bestehen weder von einem Organisationsakt noch von einer Vereinbarung der Ehegatten abhängig (BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 140/96, MDR 1998, 472 = NJW 1998, 1553 [1555]; Büttner, FamRZ 1994, 1433 [1439]). Für die Frage, ob er ggf. zur Befriedigung von Gläubigern herangezogen werden kann, ist demgemäß allein die materielle Rechtslage maßgeblich, nicht aber, wie die Eheleute den Taschengeldanspruch im Einzelfall handhaben (vgl. BVerfG v. 14.11.1984 - 1 BvR 14/82, 1 BvR 1642/82, BVerfGE 68, 256 [271]; v. 13.6.1986 - 1 BvR 460/86, FamRZ 1986, 773; BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 140/96, MDR 1998, 472 = NJW 1998, 1553 [1555]). Die Pfändbarkeit des Taschengeldanspruchs in den Grenzen der §§ 850b ff ZPO ist für seinen Bestand und die Bemessung seiner Höhe ohne Bedeutung (a.A. Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rz. 1015e f.; Zöller/Stöber, a.a.O. mit der zirkulären Erwägung, gepfändete Beträge seien nicht geschuldet, weil insoweit persönliche Bedürfnisse nicht befriedigt würden und daher nicht bestünden; anders noch Stöber, Forderungspfändung, 11. Aufl., Rz. 1015), denn für Bestand und Höhe einer Forderung ist allein die materielle Rechtslage maßgeblich. Hierfür ist jedoch die vollstreckungsrechtliche Frage, ob die Forderung pfändbar ist, ohne Belang.
b) Aus § 851 Abs. 1 ZPO lässt sich die Unpfändbarkeit des Taschengeldanspruchs nicht herleiten (vgl. nur OLG München FamRZ 1988, 1161 [1163]; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 850b Rz. 12; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, 3. Aufl., § 850b Rz. 22, jeweils m.w.N.; a.A. LG Frankenthal Rpfleger 1985, 120; LG Braunschweig v. 21.2.1997 - 8 T 98/97, Rpfleger 1997, 394; Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl., § 1360a Rz. 18; BGB-RGRK/Wenz, 12. Aufl., § 1360a Rz. 8; Braun, AcP 195 (1995), 331 [337]; Bodmann, Die Pfändbarkeit des Taschengeldanspruchs des nicht-erwerbstätigen Ehegatten, (1981), S. 192 ff.). Einer Zweckbindung, die gem. § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 BGB zur Unpfändbarkeit führt (vgl. BGH v. 29.11.1990 - IX ZR 94/90, BGHZ 113, 90 [94] = MDR 1991, 526, m.w.N.), unterliegt der Anspruch auf Taschengeld nicht. Denn das Taschengeld soll dem Ehegatten die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse nach eigenem Gutdünken und freier Wahl unabhängig von einer Mitsprache des anderen Ehegatten ermöglichen (vgl. BVerfG v. 14.11.1984 - 1 BvR 14/82, 1 BvR 1642/82, BVerfGE 68, 256 [271]; BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 140/96, MDR 1998, 472 = NJW 1998, 1553 [1554 f.], m.w.N.; v. 15.10.2003 - XII ZR 122/00, BGHReport 2004, 382 = NJW 2004, 674 [676]), so dass es insbes. auch zur Schuldentilgung verwendet werden kann (vgl. KG v. 3.5.1999 - 25 W 218/98, KGReport Berlin 2000, 14 = NJW 2000, 149 [150]; Smid, JurBüro 1988, 1105). Aus den gleichen Gründen ist der Taschengeldanspruch auch kein höchstpersönlicher, an die Person des Gläubigers gebundener Anspruch. Seine Pfändbarkeit richtet sich damit allein nach § 850b ZPO.
c) Die Unpfändbarkeit des Taschengeldanspruchs ergibt sich entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Smid in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 850b Rz. 7; Schmid, JurBüro 1988, 1105 [1113, 1114]) auch nicht aus § 888 Abs. 3 ZPO. Zur Begründung des Anspruchs bedarf es keiner nicht vertretbaren Handlung der Eheleute, die der Herstellung des ehelichen Lebens im Sinne dieser Vorschrift gleichgesetzt werden könnte. Vielmehr folgt das Bestehen des Taschengeldanspruchs aus dem Gesetz. Da der unterhaltspflichtige Ehegatte auf die Art der Verwendung des Taschengeldes keinen Einfluss hat, kann auch die Erfüllung dieses Anspruchs nicht als Leistung "zur Herstellung des ehelichen Lebens" gewertet werden (vgl. Büttner, FamRZ 1994, 1433 [1439]; Derleder, JurBüro 1994, 195).
d) Dass die Pfändung des Taschengeldanspruchs faktisch zu einer "Mithaftung" der Familie des Schuldners führen kann, weil dem Schuldner von seinem Ehepartner trotz der teilweisen Pfändung des Taschengeldes in der Regel nochmals ein vergleichbarer Betrag zur Verfügung gestellt wird (vgl. hierzu Braun, AcP 195 (1995), 311 [345, 346]; Braun, NJW 2000, 97 [100]; Haumer, FamRZ 1996, 193 [194]; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl., § 21 I 16; Derleder, JurBüro 1994, 195 [197]), schließt die Zulassung der Pfändung nach § 850b Abs. 2 ZPO nicht aus. Rechtlich besteht eine solche "Nachschusspflicht" nicht. Auch bei Pfändungen in das sonstige bewegliche Vermögen eines verheirateten Schuldners kann es faktisch zur Beeinträchtigung auch der Interessen von Familienmitgliedern kommen, ohne dass dies die Zulässigkeit der Pfändung infrage stellt (vgl. OLG München FamRZ 1988, 1161 [1164]).
e) Die bedingte Pfändbarkeit des Taschengeldanspruchs des Ehegatten nach § 850b Abs. 2 ZPO ist schließlich auch verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG v. 14.11.1984 - 1 BvR 14/82, 1 BvR 1642/82, BVerfGE 68, 256; v. 13.6.1986 - 1 BvR 460/86, FamRZ 1986, 773; zu den insbes. im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG erhobenen Bedenken vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl., § 21 I 16; Smid in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 850b Rz. 7; Derleder, JurBüro 1988, 195 [197]; Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl., § 1360a Rz. 18; Haumer, Der Taschengeldanspruch zwischen Ehegatten, (1995) S. 71; LG Frankenthal Rpfleger 1985, 120).
2. Dass die Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO für die Pfändung und Überweisung von 7/10 des angeblichen Taschengeldanspruchs des Schuldners gegen die Drittschuldnerin an den Gläubiger vorliegen, ist jedoch durch die bisherigen Feststellungen nicht belegt.
a) Aus den für die Prüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren maßgeblichen Gründen der angefochtenen Entscheidung des LG (§ 559 Abs. 1 S. 1, § 577 Abs. 2 S. 4 ZPO) ergibt sich nur, dass die Pfändungsfreigrenzen des § 850c Abs. 1, 2 ZPO einer Pfändung von 7/10 des Taschengeldanspruchs des Schuldners nicht entgegenstehen. Das LG hat bei der Prüfung der nach § 850c Abs. 1 zu beachtenden Pfändungsfreigrenze auf den (fiktiven) betragsmäßigen Unterhaltsanspruch abgestellt, der üblicherweise mit 3/7 des bereinigten Nettoeinkommens des unterhaltspflichtigen Ehegatten bemessen wird (vgl. OLG München FamRZ 1988, 1161 [1164]; OLG Köln v. 11.5.1994 - 2 W 36/94, OLGReport Köln 1994, 205 = FamRZ 1995, 309 [311]; Musielak/Becker, a.a.O. § 850b Rz. 4, jeweils m.w.N.). Ferner ist es davon ausgegangen, dass das Taschengeld dem danach pfändbaren Teil des (fiktiven) Unterhaltsanspruchs zu entnehmen ist (vgl. OLG Stuttgart v. 29.6.2001 - 8 W 229/00, OLGReport Stuttgart 2001, 423 = FamRZ 2002, 185 [186]). Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstandenden. Dies gilt auch für die Berücksichtigung nur der Pfändungsfreigrenze des § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO, denn eine Erhöhung nach S. 2 dieser Vorschrift ist hier nicht veranlasst, weil der Schuldner einkommens- und vermögenslos ist (vgl. OLG Celle v. 4.10.1990 - 4 W 193/90, NJW 1991, 1960 [1961]). Allein die nach § 850c ZPO gegebene Pfändbarkeit, vermag aber die Zulassung der Pfändung einer Unterhaltsrente nicht zu rechtfertigen.
b) Gemäß § 850b Abs. 2 ZPO können die nach Abs. 1 dieser Vorschrift grundsätzlich unpfändbaren Bezüge nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften (hier § 850c ZPO) vielmehr nur dann gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn die Pfändung nach den Umständen des Falles, insbes. nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, der Billigkeit entspricht. Nur wenn positiv feststeht, dass auch diese besonderen Voraussetzungen für die Pfändung vorliegen, darf die Pfändung des nach Abs. 1 Nr. 2 ZPO grundsätzlich unpfändbaren Taschengeldanspruchs zugelassen werden (vgl. nur OLG Schleswig Rpfleger 2002, 87). An derartigen Feststellungen fehlt es.
Es kann dahinstehen, ob allein mit dem Hinweis, dass der Schuldner am 29.9. die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, hinreichend belegt ist, dass die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung geführt hat oder jedenfalls voraussichtlich nicht führen wird (zu den insoweit zu stellenden Anforderungen vgl. Musielak/Becker, a.a.O. § 850b Rz. 10; Stöber, Forderungspfändung, 11. Aufl., Rz. 1036). Die angefochtene Entscheidung hat jedenfalls deshalb keinen Bestand, weil ihr nicht zu entnehmen ist, ob das LG die Billigkeit der Pfändung, bei deren Beurteilung ein tatrichterlicher Spielraum besteht, geprüft und die insoweit gebotene Gesamtabwägung vorgenommen hat, die eine umfassende und nachvollziehbare Würdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles erfordert (vgl. Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, 3. Aufl., § 850b Rz. 8).
Für die Beurteilung der Billigkeit sind neben der Höhe der Bezüge, insbes. der Höhe des dem Schuldner im Falle der Pfändung verbleibenden Betrages, vor allem Art und Umstände der Entstehung der beizutreibenden Forderung von Bedeutung (vgl. OLG München FamRZ 1988, 1161 [1165]). So kann die Pfändung zur Beitreibung privilegierter Ansprüche i.S.d. §§ 850d, 850 f Abs. 2 ZPO der Billigkeit entsprechen (vgl. OLG Hamm Rpfleger 2002, 161; OLG Schleswig Rpfleger 2002, 87 [88]). Je nach Lage des Einzelfalles können für die vom Vollstreckungsgericht zu treffende Billigkeitsentscheidung ferner von Bedeutung sein eine besondere Notlage des Gläubigers (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.1969 - V ZR 138/66, NJW 1969, 252 [253]), die wirtschaftliche Situation und der Lebensstil des Schuldners, das Verhalten der Beteiligten bei der Entstehung oder der Beitreibung der Forderung sowie mögliche Belastungen, die für die Ehe des Schuldners auf Grund der Pfändung entstehen könnten (vgl. im einzelnen Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Bd. 1, 3. Aufl., § 850b Rz. 3; Musielak/Becker, a.a.O. § 850b Rz. 4, 11; Zöller/Stöber, a.a.O. § 850b Rz. 15). Auch die Höhe der zu vollstreckenden Forderung und die voraussichtliche Dauer der Pfändung können in die Bewertung einfließen (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 1997, 1494 [1495]; OLG Köln v. 11.5.1994 - 2 W 36/94, OLGReport Köln 1994, 205 = FamRZ 1995, 309 [310]; Musielak/Becker, aaO, § 850b Rz. 4). Tatsachen, aus denen sich nach den genannten Grundsätzen ergibt, dass die Pfändung des Taschengeldanspruchs des Schuldners der Billigkeit entspricht, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige (vgl. OLG München FamRZ 1988, 1161 [1163]; OLG Nürnberg Rpfleger 1998, 294 [295]; Musielak/Becker, aaO § 850b Rz. 11; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, 3. Aufl., § 850b Rz. 12; Zöller/Stöber, a.a.O. § 850b Rz. 15) Gläubigerin jedoch nicht vorgetragen.
3. Der Senat kann aber nicht in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO). Sie bedarf nach den auch im Vollstreckungsverfahren Anwendung findenden §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO weiterer Aufklärung, weil der Gläubigerin bisher keine Gelegenheit zu einer - auch in der Beschwerdeinstanz zulässigen (§ 571 Abs. 2 S. 1 ZPO) - Ergänzung ihres Vorbringens gegeben worden ist. Die Sache bedarf daher der erneuten Entscheidung durch das Beschwerdegericht.
Fundstellen
Haufe-Index 1168610 |
DB 2004, 1829 |
NJW 2004, 2450 |
BGHR 2004, 1393 |
FamRZ 2004, 1784 |
FuR 2005, 76 |
JurBüro 2004, 669 |
WM 2004, 1438 |
WuB 2004, 789 |
ZAP 2004, 918 |
FPR 2004, 588 |
InVo 2004, 412 |
JZ 2004, 1132 |
JuS 2004, 1112 |
KKZ 2004, 246 |
MDR 2004, 1144 |
MDR 2006, 966 |
Rpfleger 2004, 503 |
FamRB 2004, 356 |
RÜ 2004, 529 |
RdW 2004, 594 |
VE 2004, 153 |
ZVI 2004, 338 |
JWO-FamR 2004, 242 |
KammerForum 2004, 318 |
LMK 2004, 184 |