Entscheidungsstichwort (Thema)
Miterbenanteil in der Teilungsversteigerung
Leitsatz (amtlich)
Zur Verwertung eines gepfändeten Miterbenanteils im Wege der Teilungsversteigerung eines zum Nachlaß gehörenden Grundstücks.
Normenkette
BGB §§ 753, 2042; ZVG § 181 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 20. August 1997 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 13. Mai 1996 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelzüge werden den Klägern auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin zu 1 ist die Mutter, der Kläger zu 2 ist der Bruder des geschiedenen Ehemannes der Beklagten. Dieser (im folgenden: Vollstreckungsschuldner) schuldet der Beklagten aus einer am 29. November 1993 notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung, in der er sich wegen der Forderung der Beklagten der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwarf, noch 64.910,24 DM. Er ist in Vermögensverfall geraten. Sein letzter Vermögenswert war der Anteil an der Erbengemeinschaft nach dem im Jahre 1969 verstorbenen Vater. Der Vollstreckungsschuldner ist Erbe zu 1/4; neben ihm sind die Klägerin zu 1 Erbin zu 1/2 und der Kläger zu 2 Erbe zu 1/4. Der Nachlaß bestand nur aus einem Hausgrundstück.
Die Erbengemeinschaft bestellte im Jahre 1991 an dem Grundstück, das einen Verkehrswert von 664.000 DM hat, der Berliner Volksbank (im folgenden: Bank) eine Grundschuld in Höhe von 350.000 DM, die zur Sicherung einer Darlehensschuld diente. Nach der Behauptung der Kläger ist die Darlehenssumme ausschließlich dem Vollstreckungsschuldner zugeflossen.
Die Beklagte erwirkte, gestützt auf die notarielle Urkunde vom 29. November 1993, am 18. Oktober 1994 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, mit dem der Miterbenanteil des Vollstreckungsschuldners gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen wurde. Den Miterben wurde der Beschluß am 4. November 1994 zugestellt.
Am 21. März 1995 zahlten die Kläger an die Bank zur Ablösung des grundschuldgesicherten Kredits 317.688,25 DM. Am 20. April 1995 vereinbarten sie mit dem Vollstreckungsschuldner hinsichtlich des Grundstücks eine „Teilerbauseinandersetzung”. Der Vollstreckungsschuldner erklärte sich durch die von den Klägern geleistete Zahlung hinsichtlich seines Erbrechts für vollständig abgefunden.
Die Beklagte betreibt die Teilungsversteigerung des Grundstücks. Mit ihrer Klage beantragen die Kläger, diese Versteigerung für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der Berufung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von der Beklagten betriebene Teilungsversteigerung sei unzulässig. Zwar stehe ihr die „Teilerbauseinandersetzung” vom 20. April 1995 nicht entgegen. Wegen der vorherigen Pfändung des Miterbenanteils des Vollstreckungsschuldners sei dieser Vertrag der Beklagten gegenüber unwirksam. Die Kläger könnten auch nicht mit Erfolg geltend machen, daß die Teilung des Nachlasses wirksam ausgeschlossen sei. Falls die Miterben, wie die Kläger behaupteten, vereinbart hätten, der Vollstreckungsschuldner könne die Erbauseinandersetzung erst verlangen, wenn die Grundschuld gelöscht sei, entfalte diese Vereinbarung gegenüber der Beklagten als Pfändungspfandgläubigerin keine Wirkung. Die Durchsetzung des Erbauseinandersetzungsanspruchs sei jedoch im vorliegenden Fall treuwidrig. Durch das Betreiben der Teilungsversteigerung würden den Klägern bewußt Nachteile zugefügt, ohne daß die Beklagte daraus einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil erwarten könne. Es stehe bereits jetzt fest, daß diese aus dem Versteigerungserlös keine Befriedigung erlangen würde. Selbst wenn der volle Verkehrswert des Grundstücks in der Versteigerung realisiert werden könne, stünde dem Vollstreckungsschuldner auf seinen Anteil von 1/4 nur ein Betrag von 166.000 DM zu. Da die Grundschuld, die auch bei der Erlösverteilung berücksichtigt werden müsse, weit höher sei, könne an die Beklagte als Pfändungspfandgläubigerin nichts ausgeschüttet werden.
II.
Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Vorgehen der Beklagten kann nicht als treuwidrig angesehen werden, weil sie berechtigte Aussicht hat, aus dem Versteigerungserlös ganz oder doch sehr weitgehend befriedigt zu werden.
1. Das Berufungsgericht geht von der unrichtigen Ansicht aus, die Beklagte könne aus der Teilungsversteigerung deshalb keine Befriedigung erwarten, weil sie einen Miterbenanteil gepfändet habe, der über seinen Wert hinaus belastet sei. Belastet – und zwar mit der ursprünglich der Bank bestellten und von den Klägern abgelösten Grundschuld – ist indes nicht der Miterbenanteil, sondern lediglich das Grundstück als Nachlaßbestandteil, dieser aber insgesamt. Pfändungs- und Grundpfandrecht haben nicht denselben Gegenstand.
2. Das Berufungsgericht bezweifelt zu Recht nicht die grundsätzliche Befugnis eines jeden Miterben, zum Zwecke der Gesamtauseinandersetzung (vgl. RG JW 1919, 42, 43; AG Nürtingen MDR 1961, 606; Schiffhauer, in: Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG 12. Aufl. § 181 Rdnr. 12; Zeller/Stöber, ZVG 15. Aufl. § 180 Anm. 11.5 Buchst. e) selbständig den Antrag auf Teilungsversteigerung eines zum Nachlaß gehörenden Grundstücks zu stellen (§ 2042 i.V.m. § 753 BGB, § 181 Abs. 2 Satz 1 ZVG). Dieses Recht steht nunmehr der Beklagten als Pfändungspfandgläubigerin zu.
Entgegen der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht steht die Beklagte als Pfändungspfandgläubigerin, falls die Klage abgewiesen wird, nicht besser, als der Vollstreckungsschuldner ohne die Pfändung seines Anteils stünde. Bei der Teilungsversteigerung fällt die Grundschuld – sofern sie noch besteht (s.u. 3 a bb) – in das geringste Gebot. Bei dessen Feststellung müssen nach § 182 ZVG alle auf dem Grundstück lastenden Rechte berücksichtigt werden (Schiffhauer ZIP 1982, 660, 661; Zeller/Stöber, § 182 ZVG Anm. 2.6). Das geringste Gebot besteht auch bei der Teilungsversteigerung aus den bestehenbleibenden Rechten (§ 52 ZVG) und dem bar zu zahlenden Teil nach § 49 Abs. 1 ZVG (Zeller/Stöber, § 182 ZVG Anm. 2.1). Falls die von den Klägern abgelöste Grundschuld noch besteht, ist sie nicht durch Zahlung zu decken; sie bleibt also weiterhin bestehen. Das Berufungsgericht hat es für möglich gehalten, daß der Verkehrswert des Grundstücks von 664.000 DM in der Teilungsversteigerung realisiert werden kann; nur einen höheren Erlös hat es ausgeschlossen. Ein Ersteher, der auf ein dem Verkehrswert entsprechendes Gebot den Zuschlag erhält, müßte also, falls die Grundschuld noch besteht, 314.000 DM bar berichtigen. Davon entfielen – sieht man einmal von den vorab zu deckenden Kosten ab – auf den 1/4-Anteil des Vollstreckungsschuldners 78.500 DM. Dies ist mehr, als die Restforderung der Beklagten gegen den Vollstreckungsschuldner ausmacht. Wenn die Grundschuld nicht mehr besteht, gebührt dem Vollstreckungsschuldner sogar 1/4 von 664.000 DM, das sind 166.000 DM. Solange die Grundschuld noch besteht, sind die Rechte der Kläger dadurch gewahrt. Ist die Grundschuld erloschen, was gegen den Willen der Kläger nicht denkbar ist (s.u. 3 a bb), können sie den Vollstreckungsschuldner nur auf obligatorischer Grundlage in Anspruch nehmen. In beiderlei Hinsicht hat sich die Rechtslage durch die Pfändungsmaßnahme der Beklagten nicht geändert.
3. Dem gepfändeten Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf seinen Anteil an dem Versteigerungserlös können die Kläger – selbst unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 14. April 1987 – IX ZR 237/86, NJW-RR 1987, 890, 892 unter c aa a.E.) – im Wege eines Zurückbehandlungsrechts nur solche Gegenforderungen entgegenhalten (vgl. § 404 BGB), die ihrerseits in dem Gemeinschaftsverhältnis wurzeln (vgl. BGHZ 90, 194, 197; BGH, Urt. v. 14. April 1987 aaO unter c bb; v. 15. November 1989 – IVb ZR 60/88, NJW-RR 1990, 133, 134; v. 2. Mai 1990 – XII ZR 20/89, NJW-RR 1990, 1202, 1203). Ein den Klägern aus der Ablösung der – dinglichen oder persönlichen – Bankforderung gegen den Vollstreckungsschuldner zustehender Anspruch hätte seinen Rechtsgrund nicht in dem Gemeinschaftsverhältnis der Miterben.
a) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob die Kläger auf die Grundschuld oder auf die gesicherte Forderung gezahlt haben. Im Tatbestand des Berufungsurteils ist zwar davon die Rede, die Zahlung vom 21. März 1995 sei „zur Ablösung der bestehenden Grundschuld” erfolgt; an anderer Stelle spricht das Berufungsgericht aber von den „zur Ablösung des Kredits, der durch die … Grundschuld gesichert (wurde), gezahlten 317.688,25 DM”.
aa) Trifft das erste zu, führte die Ablösung durch die Kläger – die als Miteigentümer des belasteten Grundstücks dazu berechtigt waren (§ 1142 BGB; vgl. Palandt/Bassenge, BGB 57. Aufl. § 1142 Rdnr. 1) – kraft Gesetzes (§§ 268 Abs. 3 Satz 1, 1150, 1192 BGB) zum unmittelbaren Übergang der Grundschuld auf sie (vgl. BGHZ 104, 26, 29; BGH, Urt. v. 28. Mai 1976 – V ZR 203/75, NJW 1976, 2340, 2341; Beschl. v. 29. März 1985 – V ZR 188/83, ZIP 1985, 732, 733; Palandt/Bassenge, § 1191 BGB Rdnr. 10; Bülow, Recht der Kreditsicherheiten 4. Aufl. Rdnr. 167 m.w.N.). Dann haben die Kläger einen dinglichen Anspruch aus der Grundschuld gegen den Ersteher. Obendrein haben sie einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Bank auf Abtretung der Forderung gegen den Kreditschuldner (Scholz/Lwowski, Das Recht der Kreditsicherung 7. Aufl. Rdnr. 245, 879; Bülow, aaO Rdnr. 186). Das ist nach Sachlage entweder die Erbengemeinschaft oder der Vollstreckungsschuldner. Solange die Bank die Kreditforderung nicht abgetreten hat, können die Kläger daraus keine Rechte herleiten.
bb) Haben die Kläger auf die gesicherte Forderung gezahlt, ist diese erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Außerdem ist den Klägern ein Anspruch – wahlweise – auf Übertragung der Grundschuld an sich selbst, Aufhebung oder Verzicht erwachsen (vgl. BGHZ 104, 26, 29; BGH, Urt. v. 25. Oktober 1984 – IX ZR 142/83, NJW 1985, 800, 801 unter II 1; Scholz/Lwowski, aaO Rdnr. 880; Bülow, aaO Rdnr. 170). Ob und mit welchem Ergebnis die Kläger ihre Wahl bereits getroffen haben und ob die Bank diese Entscheidung inzwischen umgesetzt hat, ist nicht vorgetragen.
b) Ein den Klägern gegen den Vollstreckungsschuldner zustehender Anspruch ergibt sich in jedem Falle nicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Miterben. Der dingliche Anspruch aus der Grundschuld wurzelt in dem Sicherstellungsvertrag, den die Erbengemeinschaft mit der Bank geschlossen hat. Der persönliche Anspruch, der durch die Grundschuld gesichert wird, hat seinen Rechtsgrund in dem Darlehensvertrag.
4. Sofern den Klägern aus der Ablösung der Grundschuld bzw. des Darlehens Forderungen gegen den Vollstreckungsschuldner zustehen, können sie damit gegen dessen Anspruch auf Zustimmung zur Herausgabe des zu hinterlegenden Erlösanteils auch nicht aufrechnen.
Daß die aufgerechneten Forderungen nicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis stammen, stünde zwar nicht entgegen. Die Aufrechnung scheitert hier aber jedenfalls an § 392 BGB. Eine aufrechenbare Forderung der Kläger kann erst nach der Pfändung des Miterbenanteils des Vollstreckungsschuldners entstanden sein, die dessen künftigen Anspruch auf Zustimmung zur Herausgabe eines hinterlegten Erlösanteils mit erfaßte. Vor der Ablösung der Grundschuld bzw. des Darlehens, die nach der Pfändung erfolgte, hatten die Kläger keinen Anspruch gegen den Vollstreckungsschuldner. Der Sicherungsgeber hatte zwar – falls der Vollstreckungsschuldner zugleich Kreditschuldner war – einen Anspruch gegen den Vollstreckungsschuldner auf Freistellung im Sicherungsfall (Scholz/Lwowski, aaO Rdnr. 174). Dieser Anspruch war aber nicht zur Aufrechnung geeignet, weil er nicht gleichartig ist mit einer Geldforderung (BGHZ 12, 136, 144; 25, 1, 6; 47, 157, 166; BGH, Urt. v. 28. Juni 1983 – VI ZR 285/81, WM 1983, 1085, 1086; v. 2. April 1987 – IX ZR 68/86, WM 1987, 725, 726) und somit auch nicht mit einer Forderung auf Einwilligung in die Auszahlung eines hinterlegten Betrages (vgl. BGH, Urt. v. 19. Oktober 1988 – IVb ZR 70/87, WM 1988, 1834, 1836). Im übrigen stand der Freistellungsanspruch nicht den Klägern, sondern dem Sicherungsgeber zu, also der Erbengemeinschaft, zu der neben den Klägern auch der Vollstreckungsschuldner gehört. Falls die Kläger infolge der Ablösung der Grundschuld oder der gesicherten Forderung gegen den Vollstreckungsschuldner einen Erstattungsanspruch erworben haben (vgl. BGH, Urt. v. 25. November 1985 – II ZR 80/85, WM 1986, 288; v. 14. Juni 1994 – XI ZR 4/94, NJW 1994, 2692), steht einer Aufrechnung die zwischenzeitliche Beschlagnahme entgegen.
III.
Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann, weil die Sache entscheidungsreif ist, selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückweisen.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.11.1998 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 609794 |
FamRZ 1999, 433 |
NJW-RR 1999, 504 |
EWiR 1999, 55 |
KTS 1999, 142 |
MittRhNotK 1999, 52 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 35 |
WuB 1999, 347 |
WuB 1999, 365 |
ZEV 1999, 69 |
ZIP 1999, 123 |
ZfIR 1999, 155 |
InVo 1999, 86 |
MDR 1999, 376 |
Rpfleger 1999, 140 |
ZNotP 1999, 85 |