Leitsatz (amtlich)
a) § 75 f HGB ist auf Sperrabreden zulasten nicht-kaufmännischer Arbeitnehmer entsprechend anwendbar (Bestätigung der BGH-Urteile vom 30. April 1974 – VI ZR 132/72 und VI ZR 153/72 = LM HGB § 75 f Nr. 1 und 2).
b) § 75 f HGB ist auch auf Sperrabreden anzuwenden, durch die sich ein Dritter dem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, dessen Angestellte nach ihrem Ausscheiden nicht als selbständige Unternehmer zu beschäftigen.
c) § 75 f HGB wird durch die in § 75 b Satz 2 HGB für die Karenzentschädigung vorgeschriebene Gehaltsgrenze nicht eingeschränkt.
Normenkette
BGB § 611; HGB § 75f
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 17.09.1981) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. September 1981 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen der Klägerin zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung mit Beratungs- und Dienstleistungstätigkeiten. Nach einer Pilotinstallation im Jahre 1975 wurde sie von der Rechtsvorgängerin der Beklagten Mitte 1976 mit der Durchführung der Systemplanung und Realisierung der im Gesamtkonzept bereits definierten ersten Realisierungsstufe für das „integrierte Planungs- und Berichtssystem technischer Aktivitäten” (IPS) beauftragt. Das IPS sollte der Planung, Steuerung und Abrechnung von Instandhaltungs- und Investitionstätigkeiten dienen. Vertragsbestandteil waren u.a. die „Allgemeinen Auftragsbedingungen für Beratungs-, Planungs-, Organisation- und Programmierungsarbeiten des Bundes Deutscher Unternehmensberater (BDU e.V.-Fachgruppe Datenverarbeitung)”, die unter Ziffer 4 („Loyalitätsverpflichtung”) folgende Bestimmung enthielten:
„Auftraggeber und Berater verpflichten sich zu gegenseitiger Loyalität. Zu unterlassen ist insbesondere die Einstellung oder sonstige Beschäftigung (z.B. Aufträge auf eigene Rechnung) von Mitarbeitern des Vertragspartners, die in Verbindung mit der Auftragsdurchführung tätig gewesen sind, vor Ablauf von 12 Monaten nach Beendigung der Auftragsdurchführung.”
Als Projektmanager war der damalige Angestellte L. der Klägerin, der frühere Beklagte zu 2), einzusetzen. Außerdem setzte die Klägerin als IPS-Team die Mitarbeiter B., F., H. und Sch. ein. Das IPS-Team erstellte die erste IPS-Stufe bis Anfang 1978, die Beklagte bestätigte den Abschluß der Arbeiten im März 1978.
Entsprechend dem Anfang 1978 geäußerten Wunsch aller im IPS-Team eingesetzten Angestellten entließ die Klägerin ihre Mitarbeiter zum 31. März 1978. Nur der Angestellte Sch. blieb bei der Klägerin bis zum 31. August 1978.
Am 8. Juni 1978 beauftragte die Beklagte L. als nunmehr selbständigen Unternehmensberater mit der Durchführung der IPS-Stufe II. L. führte mit weiteren früheren Mitgliedern des IPS-Teams den Auftrag aus.
Die Klägerin meint, die Beklagte habe durch die Vergabe des Auftrags an L. ihre Pflichten aus der Loyalitätsklausel verletzt. Bei pflichtgemäßem Verhalten wäre ihr der Auftrag für die Folgestufe erteilt worden. Ohne jeden Nachteil für die Beklagte hätte sie die nächste Stufe auch ohne L. verwirklichen können. Außerdem hätte ihr die Beklagte im Zusammenwirken mit L. das IPS-Team ausgespannt. Durch den Entgang des Folgeauftrags sei ihr ein Schaden von 549.538 DM entstanden. Diesen Betrag hat sie mit ihrer Klage geltend gemacht.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte weder aus Vertrag noch aus Deliktsrecht (§§ 823, 826 BGB i.V. mit § 1 UWG) herleiten. Eine planmäßige Abwerbung von L. oder eine Beteiligung an solcher Abwerbung von anderen Mitarbeitern des sog. IPS-Teams sei der Beklagten nicht nachzuweisen. Von der ihr bekannt gewordenen Absicht des L., ihr als selbständiger Unternehmensberater die Erstellung der IPS-Stufe II anzubieten, habe sie die Klägerin nicht unterrichten müssen. Soweit die Beklagte sich durch das Unterlassen einer Mitteilung von der ihr zur Kenntnis gelangten Kündigungsabsicht des L. pflichtwidrig verhalten habe, sei dieses Versäumnis für den Schaden der Klägerin nicht ursächlich geworden. Die Klägerin könne ihre Klageforderung auch nicht darauf stützen, daß die Beklagte den Auftrag für die IPS-Stufe II nicht ihr, sondern nach dem Ausscheiden von L. aus seinem Anstellungsverhältnis diesem erteilt habe. Selbst wenn L. die von ihm dafür herangezogenen Mitarbeiter unter Verletzung seiner Pflicht gegenüber der Klägerin aus dem Anstellungsvertrag abgeworben haben sollte, habe das die Beklagte an der Beauftragung von L. nicht hindern müssen. Die Klägerin habe sich rechtlich durch entsprechende Konkurrenzvereinbarungen mit ihren Angestellten oder durch längere Kündigungsfristen gegen eine derartige Abwanderung schützen können. Wenn sie das versäumt habe, könne sie nicht von der Beklagten verlangen, daß diese ihr berechtigtes wirtschaftliches Interesse zurückstelle, L. zu den Arbeiten für die IPS-Stufe II heranzuziehen. Dieser habe aus den Arbeiten an der IPS-Stufe I Einblick in ihre Verhältnisse gehabt und ihr am ehesten Gewähr für eine reibungslose und zufriedenstellende Durchführung des Auftrags geboten. Soweit die Beklagte durch seine Beauftragung gegen die mit der Klägerin vereinbarte Loyalitätsklausel verstoßen habe, könne diese aufgrund der im Streitfall gebotenen entsprechenden Anwendung von § 75 f HGB hieraus keine Ersatzansprüche herleiten.
II.
Gegenüber diesen Ausführungen bleiben die Angriffe der Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Das Berufungsgericht vermag seiner ausführlichen Beweisaufnahme hierzu keinen Hinweis dafür zu entnehmen, daß die Beklagte früher für die Klägerin tätige Angestellte planmäßig abgeworben oder solche planmäßige Abwerbung gefördert hat. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen; auch die Revision wendet sich nicht dagegen.
2. Ebensowenig kann die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche auf eine Mitverantwortung der Beklagten für die Zwangslage stützen, den Auftrag für die IPS-Stufe II entweder – wie geplant – der Klägerin, aber unter Verzicht auf den eingearbeiteten L., oder unter Zurücksetzung ihrer langjährigen Geschäftspartnerin diesem zu übertragen.
a) Bedenklich ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei vertraglich nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin alsbald von der ihr bekannt gewordenen Absicht des L. zu unterrichten, nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin dieser wegen des Auftrage für die IPS-Stufe II Konkurrenz zu machen. Richtig ist zwar, daß seine Pläne die Durchführung der IPS-Stufe I nicht berührten. Aber sie stellten die künftige Zusammenarbeit der Geschäftspartner in Frage, wenn die Beklagte nicht auf L. verzichten wollte, was wegen seiner für die zügige Fortsetzung der Arbeiten wichtigen Kenntnisse, auf deren Einsatz sie schon für die IPS-Stufe I bestanden hatte, nicht in ihrer Absicht lag. Andererseits wußte die Beklagte, daß die Klägerin in die Vergabe der Folgeaufträge für die weiteren IPS-Stufen Erwartungen setzte und angesichts der bis dahin guten Zusammenarbeit auch setzen konnte, sofern nur die Beklagte diese realisieren wollte. Unter den gegebenen Umständen hätte ein um Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Seite bei der Verfolgung der eigenen Belange bemühter loyaler Geschäftspartner seine Kenntnisse von dem sich abzeichnenden Interessenkonflikt der Klägerin nicht vorenthalten. Zudem mußte die Beklagte selbst daran interessiert sein, eine Entwicklung zu vermeiden, die sie in Konflikt mit der ausdrücklich übernommenen Loyalitätsverpflichtung bringen und die langjährigen Vertragsbeziehungen durch Zweifel der Klägerin an ihrer Vertragstreue im Nachhinein belasten konnte. Es besteht kein Grund, die Pflichtenstellung der Beklagten in bezug auf eine Unterrichtung der Klägerin von den Konkurrenzplänen des L, anders zu beurteilen als für die unterlassene Mitteilung von der der Beklagten bekannt gewordenen Kündigungsabsicht des L., für die auch das Berufungsgericht einen Vertragsverstoß der Beklagten in Erwägung zieht.
b) Jedoch kann die Klägerin den entgegen der Auffassung der Revision ihr obliegenden Nachweis nicht führen, daß etwaige Versäumnisse der Beklagten für den eingeklagten Schaden ursächlich geworden sind; die Kausalitätsfrage, die das Berufungsgericht für das Unterlassen einer Mitteilung von den Kündigungsabsichten des L. ohne Verfahrensverstoß nicht bejahen kann, ist für die unterbliebene Unterrichtung über die Konkurrenzpläne des L. nicht anders zu beantworten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war L. zur Kündigung unbedingt entschlossen; darin hätte die Klägerin ihn aller Voraussicht nach auch dann nicht umstimmen können, wenn sie ihm die Verbesserungen, die sie ihm nach Zugang der Kündigung angeboten hat, zu einem früheren Zeitpunkt angeboten hätte. L. hat dazu bekundet, selbst bei Verdoppelung seines Gehalts hätte er zwar über das Angebot „nachgedacht”, er hat es aber als „nicht sicher” bezeichnet, daß er solches Angebot angenommen hätte, da „für ihn nicht nur finanzielle Dinge eine Rolle gespielt hätten”. Aufgrund dieser Bekundung – zumal vor dem Hintergrund der Erwartung, den Auftrag für die IPS-Stufe II mit einem Volumen von 1,6 Millionen DM für eigene Rechnung durchführen zu können – konnte das Berufungsgericht die Kausalität als nicht bewiesen ansehen. Im übrigen hat die Klägerin zu keiner Zeit hinreichend substantiiert behauptet, daß sie überhaupt eine Verdoppelung des Gehalts in Erwägung gezogen haben würde; auch der Vortrag der Revision, die Klägerin hätte ihm bei rechtzeitiger Kenntnis seiner Pläne „ein äußerst verlockendes Angebot gemacht”, genügt dazu nicht.
3. Eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz könnte sich deshalb allenfalls daraus ergeben, daß sie L., nachdem dieser bei der Klägerin ausgeschieden war und sich unter Heranziehung weiterer Mitglieder des IPS-Teams selbständig gemacht hatte, mit der IPS-Stufe II beauftragt hat. Indes ist auch das nicht der Fall.
a) Vertraglich war die Beklagte nicht gebunden, die IPS-Stufe II an die Klägerin zu vergeben. Zwar hatten die Parteien in Aussicht genommen, ihre Zusammenarbeit fortzusetzen, wenn sich die Beklagte zur Realisierung dieser Stufe entschließen würde. Unstreitig war ein Auftrag dazu aber noch nicht an die Klägerin vergeben worden; der Auftrag für die IPS-Stufe I, mit der die Beklagte auch ohne Ergänzung arbeiten konnte, umfaßte die II. Stufe nicht.
Die Verpflichtung zur gegenseitigen Loyalität, der sich die Parteien mit Ziffer 4 Satz 1 der Allgemeinen Auftragsbedingungen für ihre Zusammenarbeit an der IPS-Stufe I ausdrücklich unterworfen hatten, hinderte die Beklagte nicht, die IPS-Stufe II an L. anstatt an die Klägerin zu vergeben; um so weniger verlangten das die allgemeinen Pflichten zur Beachtung der guten Sitten i.S. von § 826 BGB von ihr. Das folgt schon aus der Interessenlage, auf die das Berufungsgericht zutreffend abgehoben hat.
Durch das Ausscheiden von L. aus den Diensten der Klägerin war die Beklagte vor die Alternative gestellt, entweder den Erwartungen der Klägerin zu entsprechen und den Auftrag für die IPS-Stufe II an sie zu vergeben, dann aber mit L. als dem „know-how-Träger” auf den wesentlichen Faktor für eine zügige und reibungslose Durchführung des Auftrags zu verzichten, oder L. zu beauftragen und die Klägerin zu enttäuschen. In dieser Situation mußte die Beklagte die eigenen Interessen nicht hinter die der Klägerin zurückstellen, zumal sie, wie dargelegt, für die Zwangslage nicht verantwortlich war. Ohnehin waren ihre Pflichten zu loyalem Verhalten gegenüber der Klägerin wenigstens dem Schwergewicht nach auf die Abwicklung des Auftrags für die IPS-Stufe I bezogen, die zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt war. Nachwirkende Beschränkungen ergaben sich für die Beklagte auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unterstützung einer dem L. verbotenen Konkurrenz. L. hatte ordnungsgemäß gekündigt; ein Konkurrenzverbot hatte die Klägerin mit ihm nicht vereinbart. Er war deshalb grundsätzlich nicht daran gehindert, nach seinem Ausscheiden zu der Klägerin in Wettbewerb um die Vergabe der IPS-Stufe II zu treten (vgl. BGH Urteil vom 28. März 1977 – VIII ZR 242/75 – WM 1977, 618 – AP Nr. 28 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel); daß er dafür Kenntnisse, die er in den Diensten der Klägerin über die betrieblichen Verhältnisse der Beklagten erworben hatte, nunmehr für eigene Rechnung ausnutzte, stand dem hier nicht entgegen. Ob und inwieweit er durch Abwerben ehemaliger Mitglieder des IPS-Teams während seiner Anstellung bei der Klägerin Pflichten aus seinem Anstellungsvertrag verletzt hat, kann mit dem Berufungsgericht für den Streitfall dahingestellt bleiben. Die Klägerin hat sich selbst nicht darauf berufen, daß für die Beklagte bei der Auftragserteilung an L. die Zusammensetzung seines Teams eine Rolle gespielt hat. Im übrigen ist die Beschäftigung von Arbeitskräften, die Dritte abgeworben haben, grundsätzlich nicht anstößig, zumal wenn diese selbst – wie hier – nicht unter Kontraktbruch, sondern aufgrund ordnungsmäßiger Kündigung bei ihrem früheren Arbeitgeber ausgeschieden sind.
b) Auch auf den Verstoß gegen das der Beklagten durch Ziffer 4 Satz 2 der Allgemeinen Auftragsbedingungen auferlegte Verbot, vor Ablauf von 12 Monaten nach Beendigung der Arbeiten an der IPS-Stufe I mit dieser befaßte Mitarbeiter der Klägerin zu beschäftigen, kann die Klägerin ihre Schadensersatzklage nicht stützen. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auf diese Vertragsbestimmung die Vorschrift des § 75 f HGB angewendet. Danach findet aus einer Vereinbarung, „durch die sich ein Prinzipal einem anderen Prinzipal gegenüber verpflichtet, einen Handlungsgehilfen, der bei diesem in Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen”, weder Klage noch Einrede statt. Diese Vorschrift, die zwar die Gültigkeit solcher Abmachung nicht berührt, sie aber der gerichtlichen Durchsetzung – auch mittels einer Schadensersatzklage – entzieht, ist entgegen der Auffassung der Revision auf die Beauftragung von L. durch die Beklagte entsprechend anwendbar.
aa) § 75 f HGB ist im Zusammenhang mit der in §§ 74 bis 75 d HGB getroffenen Regelung zu sehen. Diese verschafft dem Grundsatz Geltung, daß Wettbewerbsverbote, die den Handlungsgehilfen für die Zeit nach Beendigung seines Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränken (§ 74 Abs. 1 HGB), nur verbindlich sein sollen, wenn dieser dafür eine angemessene Entschädigung erhält (§ 74 Abs. 2 HGB; Grundsatz der bezahlten Karenz). Zudem müssen solche Verbote dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dienen und dürfen das Fortkommen des Handlungsgehilfen nicht unbillig erschweren (§ 74 a Abs. 1 HGB). § 75 f HGB soll verhindern, daß diese Schutzregelung für den Handlungsgehilfen durch Absprachen des Arbeitgebers mit anderen Unternehmern über Beschränkungen seiner Anstellung bei diesen (sog. Sperrabsprachen) ohne dessen Beteiligung an den Abmachungen umgangen wird (Senatsurteile vom 30. April 1974 – VI ZR 132/72 = LM HGB § 75 f Nr. 1 = NJW 1974, 1330 und VI ZR 153/72 = LM HGB § 75 f Nr. 2 = NJW 1974, 1282).
Seit seiner Entscheidung in BAGE 22, 6, 9 hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung den Schutz der §§ 74 bis 75 d HGB auf alle Arbeitnehmer, einschließlich solcher in nicht-kaufmännischen Berufen, ausgedehnt (vgl. BAGE 22, 125, 132 ff (Anwaltsassessor); 23, 382, 386 ff sowie Urteil vom 9. August 1974 – 3 AZR 346/73 – AP Nr. 27 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel (Steuerberater); vom 14. August 1975 – 3 AZR 333/74 = WM 1976, 21 = AP Nr. 35 zu § 74 HGB (technischer Leiter); vom 2. Oktober 1975 – 3 AZR 28/75 – NJW 1976, 342 (Verkaufsleiter); vom 19. Januar 1978 – 3 AZR 573/77 – WM 1978, 911 = AP Nr. 36 zu § 74 HGB (Marketingleiter); vom 24. April 1980 – 3 AZR 1047/77 – AP Nr. 37 zu § 74 HGB (Vertriebsleiter); vom 14. Juli 1981 – 3 AZR 414/80 = AP Nr. 38 zu § 74 HGB (Friseur) und vom 20. Oktober 1981 – 3 AZR 1013/78 = AP Nr. 39 zu § 74 HGB (Ingenieur)). Der Streitfall veranlaßt den erkennenden Senat nicht, die bisher von ihm offengelassene Frage zu beantworten, ob dem auch hinsichtlich jeder einzelnen Vorschrift der §§ 74 ff HGB gefolgt werden kann. Der Senat hat jedoch bereits in den genannten früheren Entscheidungen näher dargelegt, daß jedenfalls die gesetzgeberische Wertentscheidung, die den §§ 74 ff HGB und mit ihnen auch dem § 75 f HGB zugrunde liegt, nicht nur für die Anstellung von Handlungsgehilfen, sondern auch für nicht-kaufmännische Arbeitsverhältnisse Geltung beanspruchen kann. Das Gesetz erkennt zwar ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an, sich durch Wettbewerbsverbote und Sperrabreden vor einer Abwanderung seines Personals zur Konkurrenz und den damit für den Bestand seines Unternehmens verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen zu schützen. Es sieht aber die Freiheit des Arbeitnehmers, über sein berufliches Fortkommen nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses selbst zu bestimmen, vor allem seinen Arbeitsplatz frei zu wählen, im Interessenkonflikt als grundsätzlich übergeordnet an. Deshalb versagt es in § 75 f HGB Absprachen den Schutz der Gerichte, durch die über den Kopf des Arbeitnehmers hinweg über seine Arbeitskraft und sein berufliches Fortkommen verfügt wird. Diese Wertung zugunsten der – heute verfassungsrechtlich u.a. durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten – Selbstbestimmung des Arbeitnehmers kann nicht auf das Berufsbild des Handlungsgehilfen beschränkt bleiben, sondern hat sich in gleicher Weise jedenfalls für solche Arbeitsverhältnisse durchzusetzen, für die der Konflikt zwischen den Geschäftsinteressen des Arbeitgebers und dem aus seinem Abhängigkeitsverhältnis folgernden Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers aus Sachgründen nicht anders beurteilt werden muß.
bb) Das ist auch in bezug auf die hier von der Sperrabrede betroffenen Angestellten der Klägerin der Fall. Maßgebend ist, daß sie in einem festen Anstellungsverhältnis nicht anders als kaufmännische Angestellte mit der Klägerin verbunden waren. Als solche wurden sie durch Wettbewerbsverbote und Sperrabreden in der Verwertung ihrer Arbeitskraft Bindungen an die Klägerin ausgesetzt, die das Gesetz nicht von vornherein mit den Pflichten eines Arbeitnehmers in vergleichbarer abhängiger Lage verknüpft, sondern für die es zusätzliche Garantien zur angemessenen Wahrung des beruflichen Selbstbestimmungsrechts des Arbeitnehmers fordert. Gesichtspunkte für eine abweichende Bewertung der Interessenlage kann die Revision nicht dadurch aufzeigen, daß sie geltend macht: Von einer wirtschaftlichen und sozialen Abhängigkeit des L. könne nicht gesprochen werden, weil er finanziell gut gestellt gewesen sei, seine Kündigungsfrist nur 6 Wochen betragen habe, die Sperrklausel ihn nur an einer Tätigkeit für die Beklagte gehindert habe und die Marktlage für Leute seiner Branche damals sehr gut gewesen sei. Die angeführten Umstände liegen außerhalb der für die §§ 74 ff HGB maßgebenden Beurteilungskriterien; sie ändern nichts daran, daß auch L. Arbeitnehmer der Klägerin war und auch ihn die Sperrabreden zusätzlichen Beschränkungen aussetzten, die die Klägerin nur über entsprechende Abmachungen mit ihm durchsetzen konnte. Insbesondere ist es grundsätzlich belanglos, welcher Freiraum L. bei Beachtung der Abrede für sein berufliches Fortkommen verblieb; entscheidend ist, daß ihm durch Nichtbeteiligung an der Absprache die Möglichkeit genommen wurde, sein Recht auf freie Wahl seines Arbeitsplatzes angemessen zur Geltung zu bringen. Demgemäß schützt § 75 f HGB nicht nur vor Verbandsabsprachen, sondern auch vor Einzelabsprachen des Arbeitgebers mit einem anderen Unternehmer (Senatsurteil vom 30. April 1974 – VI ZR 132/72 = a.a.O.).
cc) Ebensowenig steht der entsprechenden Anwendung von § 75 f HGB die Höhe des von L. bei der Klägerin bezogenen Gehalts entgegen, das L. mit jährlich 70.000 DM angegeben hat. Zwar hat das Gesetz in § 75 b Satz 2 HGB den sog. hochbesoldeten Handlungsgehilfen eine Karenzentschädigung versagt. Das Bundesarbeitsgericht hat indes diese Vorschrift für unanwendbar angesehen, weil ihr die vom Gesetzgeber als maßgebend zugrunde gelegte Gehaltsgrenze mit der verfassungsrechtlich erforderlichen Klarheit heute nicht mehr entnommen werden kann (BAGE 27, 284, 290). Denn die ursprünglich auf ein Jahresgehalt von 8.000 Mark festgelegte Grenze sollte nach der Zweiten Verordnung zur Neuregelung der im Handelsgesetzbuche sowie in der Gewerbeordnung vorgesehenen Gehaltsgrenzen vom 23. Oktober 1923 – RGBl I 990 – an Veränderungen des allgemeinen Preisgefüges durch Vervielfältigung des Betrages mit der vom statistischen Reichsamt festzusetzenden „Reichsindexziffer für die Lebenshaltungskosten” angepaßt werden. Diese Indexziffer wurde seit 1938 nicht mehr veröffentlicht; die vom statistischen Bundesamt veröffentlichten Preisindexzahlen beruhen teilweise auf anderer Berechnungsgrundlage.
Auch der Senat vermag keine Kriterien zu erkennen, die die Vorschrift justiziabel erscheinen ließen. Zudem hat der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des § 75 f HGB nicht – jedenfalls nicht allein. – davon abhängig gemacht, daß dem Arbeitnehmer durch die Sperrabrede eine ihm zustehende KarenzentSchädigung entzogen wird. Ausschlaggebend ist für ihn gewesen, daß Sperrabreden mit der Gesamtregelung der §§ 74 bis 75 d HGB nicht in Einklang stehen; prinzipiell sind von dem Schutz dieser Regeln im übrigen aber auch die sog. Hochbesoldeten von Anfang an nicht ausgenommen gewesen. Das hier für L. zugrunde zu legende Gehalt erreichte zudem keine Größenordnung, für die allein wegen der Höhe des Verdienstes aus Sachgründen eine abweichende Beurteilung des Interessenkonflikts, dem § 75 f HGB nach dem zuvor Gesagten begegnen soll, in Betracht gezogen werden müßte. In einer Größenordnung wie hier ist allein das Arbeitsentgelt kein hinreichendes Kriterium dafür, daß mit dem Beschäftigungsverhältnis von vornherein Beschränkungen für das berufliche Fortkommen verknüpft sein sollten, wie sie Sperrabreden zum Gegenstand haben.
dd) Der Berufung der Beklagten auf § 75 f HGB steht schließlich auch nicht entgegen, daß sie L. nicht als Arbeitnehmer, sondern als Unternehmer beschäftigt hat. § 75 f HGB schützt nicht nur vor Beschränkungen einer Weiterbeschäftigung in abhängiger Stellung als Arbeitnehmer, also für fremde Rechnung; er erfaßt vielmehr auch Fortkommenshindernisse, die auf diesem Weg für seinen Wettbewerb mit dem früheren Arbeitgeber als Unternehmer auf eigene Rechnung errichtet werden. Der Wortlaut der Vorschrift, die von „anzustellen” spricht, zwingt nicht zu einer anderen Auslegung. Auch insoweit ist auf den funktionalen Zusammenhang des § 75 f HGB mit den Vorschriften der §§ 74 bis 75 d HGB zu sehen. Die auf eine Abstimmung der geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers mit den Interessen des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen ausgerichtete Regelung zielt nicht nur auf diejenige Konkurrenz, die der Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer als in einem Konkurrenzunternehmen Beschäftigten zu befürchten hat, sondern umfaßt nach der Interessenlage auch Wettbewerbsklauseln, die dem Arbeitnehmer das Auftreten als Konkurrenzunternehmer verbieten (vgl. auch BGH Urteil vom 28. März 1977 = a.a.O.). Für den Arbeitgeber steht im Vordergrund eines Wettbewerbsverbots grundsätzlich weniger das Interesse, den Arbeitnehmer seinem Unternehmen zu erhalten, als vielmehr der Schutz vor Geschäftsnachteilen durch Ausnutzen der von diesem in seinem Unternehmen erworbenen Kenntnisse, Betriebserfahrungen und Geschäftsverbindungen für eine Konkurrenz, mag der Arbeitnehmer sie für fremde oder für eigene Rechnung betreiben. Nicht minder umfaßt das schutzwürdige Interesse des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen die freie Entscheidung, sich mit seinen beruflichen Kenntnissen in Zukunft für eigene Rechnung zu betätigen.
Daß die §§ 74 ff HGB nicht alle Gewerbetreibenden, sondern nur Arbeitnehmer vor Konkurrenzklauseln schützen, erklärt sich aus der abhängigen Lage, in der der Arbeitnehmer einer Unterwerfung unter ein Wettbewerbsverbot eher ausgesetzt sein kann. Es besagt nicht, daß das Gesetz nur das Interesse des Arbeitnehmers an einer Weiterbeschäftigung in dieser Eigenschaft für im Sinne der Regelung schutzwürdig hält. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß die gesetzlichen Mindestsätze für eine Karenzentschädigung sich in Anknüpfung an diese Ausgangslage an den Arbeitnehmerbezügen orientieren.
Sind deshalb die Vorschriften der §§ 74 bis 75 d HGB ihrem Schutzzweck nach auch auf Wettbewerbsklauseln anzuwenden, die dem Arbeitnehmer eine spätere Konkurrenz auf eigene Rechnung verbieten, so ist auch § 75 f HGB, der – wie gesagt – in erster Linie eine Umgehung dieser Vorschriften verhindern soll, schon wegen dieses Sachzusammenhangs auf Absprachen zu erstrecken, durch die der Arbeitgeber einem (anderen) Unternehmer verbietet, den Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden auf dem Gebiet, auf dem er bisher für fremde Rechnung tätig geworden ist, nunmehr für eigene Rechnung zu beauftragen.
4. Da das Berufungsurteil auch im übrigen keine Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen läßt, war die Revision der Klägerin deshalb zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Hiddemann, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Ankermann, Bischoff
Fundstellen