Entscheidungsstichwort (Thema)
Privater Krankenversicherungsschutz für minderjährige Adoptivkinder für vor der Adoption bereits eingetretene Versicherungsfälle
Leitsatz (amtlich)
Die in § 178 d Abs. 2 Satz 1 VVG vorgenommene Gleichstellung der Adoption eines minderjährigen Kindes mit der Geburt eines leiblichen Kindes verbietet es in Verbindung mit § 178 o VVG, Versicherungsfälle, die im Zeitpunkt der Adoption bereits eingetreten sind, auch für die Zukunft von der Leistungspflicht auszuschließen.
Normenkette
VVG §§ 178d, 178d Abs. 4, 2 S. 1, § 178o
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. Mai 1999 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 13. März 1998 abgeändert.
Der von der Klägerin für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 5. Juni 1997 geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Pflegetagegeld ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, aufgrund der zwischen den Parteien abgeschlossenen Krankenversicherung (Versicherungsschein Nr. …) bedingungsgemäß wegen der Pflegebedürftigkeit der Klägerin (Down-Syndrom) Pflegetagegeld über den Monat Oktober 1997 hinaus zu zahlen.
Wegen der Höhe des Zahlungsanspruchs und der Kosten des Rechtsstreits einschließlich der des Revisionsverfahrens wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die am 31. Januar 1988 geborene Klägerin leidet am Down-Syndrom. Für sie bestehen bei der Beklagten seit dem 20. Februar 1997, dem Zeitpunkt der Adoption durch ihren Adoptivvater, eine Krankheitskostenversicherung und eine Pflegetagegeldversicherung sowie die gesetzlich vorgeschriebene Pflegepflichtversicherung. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Pflegetagegeld hat, obwohl sie schon vor Abschluß des Versicherungsvertrages schwerpflegebedürftig war (Pflegestufe II gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI).
Zuvor war sie über ihren leiblichen, von der Mutter geschiedenen Vater gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Ihre Mutter heiratete 1994 den jetzigen Adoptivvater der Klägerin. Die Eheleute haben eine gemeinsame, 1994 geborene Tochter. Seit September 1996 bemühte der Ehemann sich um die Adoption der Klägerin, die durch Beschluß des Amtsgerichts W. vom 20. Februar 1997 ausgesprochen wurde.
Mit der Adoption erlosch die Mitversicherung der Klägerin in der Krankenversicherung ihres leiblichen Vaters. Weil diese Rechtsfolge absehbar war, machten die Eltern sich bereits im Herbst 1996 Gedanken über die künftige Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin. In Betracht kam eine freiwillige Weiterversicherung in der bisherigen gesetzlichen Krankenversicherung oder eine Versicherung bei der Beklagten, bei der der Adoptivvater eine Krankheitskostenversicherung, eine Pflegetagegeldversicherung und die Pflegepflichtversicherung unterhielt. Hierüber sprachen die Eltern mit einem Agenten der Beklagten, dem bekannt war, daß die Klägerin am Down-Syndrom litt und Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung erhielt. Nach Rücksprache des Agenten mit der Beklagten wurde am 11. November 1996 der Versicherungsantrag gestellt. Nach Übersendung des Adoptionsbeschlusses fertigte die Beklagte am 2. April 1997 den Versicherungsschein aus, in dem unter „Zusätzliche Vereinbarungen” vermerkt ist, für K. (die Klägerin) bestehe Versicherungsschutz ab 20. Februar 1997.
Mit Schreiben vom 4. April 1997 beantragte der Vater der Klägerin mit Formularen, die er gleichzeitig mit dem Versicherungsschein erhalten hatte, Pflegeleistungen für die Klägerin und fügte ärztliche Bescheinigungen über die Pflegebedürftigkeit bei. Die Beklagte ließ die Klägerin am 6. Juni 1997 durch den medizinischen Dienst der privaten Pflegepflichtversicherung untersuchen, der Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftigkeit) feststellte. Mit Schreiben vom 21. Juli 1997 teilte die Beklagte dies den Eltern mit und kündigte die Zahlung des für diese Pflegestufe vereinbarten Pflegetagegeldes von täglich 100 DM an. Bis einschließlich Oktober 1997 zahlte sie 14.800 DM Pflegetagegeld. Ab Ende Juli 1997 stritten die Eltern der Klägerin mit der Beklagten darüber, ob diese das Pflegetagegeld schon vor dem 6. Juni 1997 hätte zahlen müssen. Mit Schreiben vom 26. November 1997 lehnte die Beklagte weitere Leistungen ab, forderte die gezahlten 14.800 DM zurück und wies darauf hin, daß der Beitrag für die Pflegetagegeldversicherung ab 1. März 1997 zu entrichten sei. Nach dem Ergebnis einer nochmaligen eingehenden Prüfung bestehe gemäß § 2 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Pflegetagegeldversicherung (AVB) keine Leistungspflicht für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten seien. Nach Ansicht der Beklagten folgt etwas anderes auch nicht aus den (inhaltlich mit § 178d VVG übereinstimmenden) Regelungen in § 2 Abs. 3 und 4 AVB, wonach der Geburt eines Kindes die Adoption eines minderjährigen Kindes gleichsteht.
Die Klägerin meint, sie könne die Leistungen jedenfalls nach der Vorschrift des § 178d VVG beanspruchen, durch die minderjährige Adoptivkinder den neugeborenen leiblichen Kindern gleichgestellt seien.
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von 10.600 DM Pflegetagegeld für die Zeit vom 20. Februar bis zum 5. Juni 1997 und auf Feststellung der Leistungspflicht über Oktober 1997 hinaus abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und für den Fall der vollständigen Ablehnung eines vertraglichen Anspruchs auf Pflegetagegeld hilfsweise Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluß verlangt. Falls ein Anspruch auf Pflegetagegeld nicht bestehe, sei sie wirtschaftlich schlechter gestellt als bei freiwilliger Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse.
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Hauptanträge bestätigt und den Hilfsanträgen im zuletzt geltend gemachten Umfang stattgegeben (Veröffentlichung des Urteils in NVersZ 1999, 570 = VersR 2000, 441 = r+s 2000, 80).
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Hauptanträge weiter. Nach Annahme der Revision hat die Beklagte Anschlußrevision eingelegt, mit der sie die Abweisung der Hilfsanträge erstrebt.
Entscheidungsgründe
A.
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie hat einen vertraglichen Anspruch auf Pflegetagegeld.
I. Das Berufungsgericht ist der Meinung, die Beklagte habe nach § 2 Abs. 1 der AVB für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten seien, nicht zu leisten. Die inhaltlich § 178d VVG entsprechenden Bestimmungen in § 2 Abs. 3 und 4 der AVB führten zu keiner anderen Bewertung. Zwar sei der gesetzgeberische Wille, der zur Gleichstellung von adoptierten mit leiblichen Kindern geführt habe, einfühlbar, wonach jene soweit wie möglich den leiblichen Kindern gleichgestellt werden und keinerlei Nachteile erleiden sollten. Deshalb erscheine auch zunächst einleuchtend, daß ebenso wie ein neugeborenes Kind ein Adoptivkind der Versicherung mit seinen bestehenden Krankheiten zuwachse. Dem stehe jedoch entgegen, daß sich beide in einem wesentlichen Punkt unterschieden. Bei Neugeborenen beginne der Versicherungsschutz unmittelbar nach der Geburt mit Eintritt der Rechtsfähigkeit. Ein Versicherungsfall könne hier denknotwendig erst nach dem Beginn des Versicherungsschutzes eintreten. Bei Adoptivkindern könne der Versicherungsfall wie hier bereits vor der Adoption und damit vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sein. Für diese Fälle sehe § 2 Abs. 1 Satz 2 der AVB aber gerade vor, daß nicht geleistet werde.
Diese Bestimmung könne durch eine Individualvereinbarung oder unter dem Gesichtspunkt der versicherungsrechtlichen Vertrauenshaftung nicht abbedungen werden. Nach dem in § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG zum Ausdruck gekommenen Grundgedanken des Versicherungsvertragsrechts seien nur ungewisse Risiken versicherbar, nicht dagegen bereits feststehende Schäden. Der grundsätzlich möglichen Abbedingung dieser Vorschrift seien jedoch allgemeine gesetzliche Grenzen gezogen, insbesondere durch § 138 BGB. Die Übernahme eines wie hier bereits feststehenden, beiden Vertragspartnern bekannten Schadens würde sich als willkürliches persönliches Geschenk zu Lasten der Versichertengemeinschaft darstellen und wäre gemäß § 138 BGB als nichtig anzusehen.
II. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Sie berücksichtigt die durch das Gesetz vom 21. Juli 1994 in das Versicherungsvertragsgesetz eingefügten Bestimmungen über die Krankenversicherung (§§ 178a ff.) nicht hinreichend. Soweit der Leistungsausschluß in § 2 Abs. 1 Satz 2 der AVB für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind, sich auf minderjährige Adoptivkinder beziehen sollte, verstieße dies gegen § 178d Abs. 2 VVG. Auf eine abweichende Vereinbarung könnte die Beklagte sich nach § 178o VVG nicht berufen. § 178d VVG lautet auszugsweise:
„§ 178d
(1) Besteht am Tag der Geburt für mindestens ein Elternteil eine Krankenversicherung, ist der Versicherer verpflichtet, dessen neugeborenes Kind ab Vollendung der Geburt ohne Risikozuschläge und Wartezeiten zu versichern, wenn die Anmeldung zur Versicherung spätestens zwei Monate nach dem Tag der Geburt rückwirkend erfolgt. Diese Verpflichtung besteht nur insoweit, als der beantragte Versicherungsschutz des Neugeborenen nicht höher und nicht umfassender als der des versicherten Elternteils ist.
(2) Der Geburt eines Kindes steht die Adoption gleich, sofern das Kind im Zeitpunkt der Adoption noch minderjährig ist. Besteht eine höhere Gefahr, so ist die Vereinbarung eines Risikozuschlages höchstens bis zur einfachen Prämienhöhe zulässig.
(3) …”
1. Die Pflegetagegeldversicherung, wie sie hier abgeschlossen worden ist, ist eine Krankenversicherung im Sinne von § 178d VVG. Dies ergibt sich aus § 178b VVG. Diese Vorschrift definiert Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes in der Krankenversicherung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zu § 12 VAG und § 178b VVG, BR-Drucks. 23/94 S. 177, 311, 312, BT-Drucks. 12/6959 S. 104; Römer in Römer/Langheid, VVG § 178b Rdn. 1; BK/Hohlfeld, § 178b VVG Rdn. 1). Nach § 178b Abs. 4 VVG gehört dazu auch die Pflegekrankenversicherung, in der der Versicherer im Fall der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang die Pflegeaufwendungen zu erstatten (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu zahlen hat (Pflegetagegeldversicherung). Die Auffassung, daß die Pflegekrankenversicherung von den Vorschriften der §§ 178a ff. VVG erfaßt wird, wird auch von der Literatur geteilt (Sahmer, ZfV 1996, 524 ff.; Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 178b Rdn. 13, 15, 16; Römer, aaO Rdn. 4; Hohlfeld, aaO Rdn. 20 ff.).
Ob die Pflegekrankenversicherung entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers als substitutive (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf aaO) oder nur als ergänzende Krankenversicherung (so Sahmer, aaO S. 525 f. und ZfV 1996, 483, 485) anzusehen ist, ist unerheblich. Die §§ 178a ff. VVG, insbesondere auch § 178o VVG, gelten für die dort beschriebenen Arten der Krankenversicherung auch insoweit, als die Versicherung nur ergänzenden Charakter hat (Hohlfeld, aaO § 178o VVG Rdn. 1, 3; ebenso, jedoch kritisch Sahmer, aaO S. 525).
2. Die in § 178d Abs. 2 Satz 1 VVG vorgenommene Gleichstellung der Adoption eines minderjährigen Kindes mit der Geburt eines Kindes verbietet es in Verbindung mit § 178o VVG, Versicherungsfälle, die im Zeitpunkt der Adoption bereits eingetreten sind, auch für die Zukunft von der Leistungspflicht auszuschließen.
a) Es ist zwar richtig, daß nach dem Grundgedanken des Versicherungsvertragsrechts nur ungewisse Risiken versicherbar sind, nicht dagegen nach Umfang und Zeitpunkt bereits bekannte Schäden (vgl. BGHZ 84, 268, 277). Dem Gesetzgeber ist es jedenfalls nicht verwehrt, hiervon Ausnahmen zu machen. Eine solche aus sozialpolitischen Gründen getroffene Ausnahmeregelung stellt beispielsweise die Einführung der privaten Pflegepflichtversicherung dar, in die nach § 110 SGB XI auch bereits pflegebedürftige Personen übernommen werden müssen (vgl. Uschding, SGB XI § 110 Rdn. 2 und § 23 Rdn. 3).
b) Eine derartige Ausnahmeregelung hat der Gesetzgeber aus sozialpolitischen Gründen auch mit der Vorschrift des § 178d Abs. 2 VVG geschaffen (Römer, aaO § 178d VVG Rdn. 3, 4; Hohlfeld, aaO § 178d VVG Rdn. 6-9). Daß der Wille des Gesetzgebers dahin ging, bei minderjährigen Adoptivkindern einen Leistungsausschluß wegen bereits eingetretener Versicherungsfälle zu verhindern und lediglich einen Risikozuschlag bis zur einfachen Prämienhöhe zu erlauben, ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren (vgl. BR-Drucks. 23/94 S. 313; BT-Drucks. 12/6959 S. 105).
Bei Neugeborenen bestand Einigkeit darüber, daß ihnen Versicherungsschutz auch für angeborene und ererbte Krankheiten und Anomalien zu gewähren ist. Dies entsprach der schon bestehenden Rechtslage nach § 2 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung von 1976 (MB/KK 76). Aus sozialpolitischen Gründen erschien es dem Gesetzgeber notwendig und angemessen, in § 178d Abs. 2 VVG minderjährige Adoptivkinder bezüglich des Anspruchs auf Krankenversicherungsschutz den Neugeborenen gleichzustellen. Durch die Gleichstellung sollte erreicht werden, daß ab dem Zeitpunkt der Adoption auch für bereits eingetretene Versicherungsfälle Versicherungsschutz zu beanspruchen sein sollte. Dies ergibt sich aus den schriftlichen Stellungnahmen der Experten sowie den Beratungen in den Ausschüssen (Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode: Protokoll Nr. 74 des Finanzausschusses, Anlage S. 233, 237, 238; Protokoll Nr. 76a des Finanzausschusses S. 20-22; Protokoll Nr. 118 des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung S. 11, 12; Plenarprotokoll 12/228 S. 19802; vgl. auch Moser, Der Referentenentwurf der VVG-Novelle auf dem Prüfstand S. 13). Über den Grundsatz, daß minderjährigen Adoptivkindern wie neugeborenen leiblichen Kindern trotz bestehender Vorerkrankungen Versicherungsschutz zu gewähren ist, bestand kein Streit. Kontrovers diskutiert wurde aber die Frage, bis zu welchem Alter des Adoptivkindes die Krankenversicherer dazu verpflichtet sein sollten. Der Verband der privaten Krankenversicherung erklärte sich unter Hinweis auf schon bestehende Regelungen vieler Versicherer bereit, dies bei kleinen Kindern bis zur Vollendung des 5. Lebensjahres im Interesse der Familiengründung ohne Ablehnungsmöglichkeit zu akzeptieren. Bei älteren Kindern hat der Verband die Gefahr des Mißbrauchs gesehen. Dem ist entgegengehalten worden, es werde wohl kaum jemand ein behindertes Kind allein aus Manipulationsgründen adoptieren, die Zahl der Adoptionen älterer behinderter Kinder belaufe sich auf 10 oder 20 im Jahr. Dies sei von den Versicherern zu bewältigen. Kinder zwischen 6 und 18 Jahren würden anderenfalls wegen der finanziellen Belastungen der Adoptiveltern kaum Aussicht auf eine Adoption haben. Diesen Erwägungen hat der Verband der privaten Krankenversicherung nicht widersprochen. Auch im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens haben sich die Versicherer mit ihrer Forderung nach einer Herabsetzung der Altersgrenze nicht durchsetzen können.
Daraus ist zu schließen, daß die im Gesetz vorgenommene Gleichstellung minderjähriger Adoptivkinder mit Neugeborenen den Versicherungsschutz für bereits eingetretene Versicherungsfälle ohne Altersgrenze einschließt. Die Auffassung der Beklagten und des Berufungsgerichts liefe darauf hinaus, daß auch Adoptivkinder bis zur Vollendung des 5. Lebensjahres keinen Anspruch auf Versicherungsschutz bei Vorerkrankungen hätten. Einer solchen Verpflichtung wollten sich die privaten Krankenversicherer aber ausdrücklich nicht entziehen.
c) Das Verlangen der Klägerin nach Zahlung des Pflegetagegeldes ist auch nicht rechtsmißbräuchlich.
Daß ein Rechtsmißbrauch nicht schon allein darin gesehen werden kann, daß von der im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, vollen Versicherungsschutz für das Adoptivkind zu erlangen, liegt auf der Hand.
An einen Rechtsmißbrauch wäre zu denken, wenn das Kind deshalb adoptiert wird, weil die Eltern Versicherungsleistungen erlangen wollen, die in keinem vertretbaren Verhältnis zum Pflegeaufwand stehen. Dafür ist hier nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich. Da die der sozialen Pflegeversicherung nach Art und Umfang gleichwertige (BSG, VersR 1998, 486 ff.) private Pflegepflichtversicherung die tatsächlichen Kosten einer Pflegebedürftigkeit im Regelfall nicht abdeckt (Hohlfeld, aaO § 178b VVG Rdn. 25) und die Leistungen unter Umständen sogar hinter den Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz zurückbleiben können (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2000 – 5 C 34.99 – zur Veröffentlichung in BVerwGE bestimmt), dient die Pflegekrankenversicherung dazu, diese Differenz in Form von Kostenersatz oder eines pauschalierten Tagegeldes abzudecken. Daß dies auch im vorliegenden Fall erforderlich ist, hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen.
3. Daraus folgt, daß die Beklagte auch über Oktober 1997 hinaus zur Leistung verpflichtet und der Feststellungsantrag begründet ist.
Der Anspruch auf Zahlung von Pflegetagegeld für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 15. Juni 1997 ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Zwar werden nach § 6 der AVB Leistungen erst ab Antragstellung und frühestens von dem Zeitpunkt an erbracht, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Dazu gehört die Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch einen von der Beklagten beauftragten Arzt. Nach § 6 Abs. 3 Satz 7 der AVB kann die an sich erforderliche Untersuchung im Wohnbereich der versicherten Person ausnahmsweise unterbleiben, wenn aufgrund der eindeutigen Aktenlage das Ergebnis der medizinischen Untersuchung bereits feststeht. Die Pflegebedürftigkeit richtet sich gemäß § 1 Abs. 5 der AVB nach den Kriterien der gesetzlichen Pflegeversicherung in § 15 SGB XI. Eine solche Feststellung durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger war aber, wie die Beklagte vor Abschluß des Vertrages wußte, schon getroffen. Damit ist in hohem Maße wahrscheinlich, daß der Anspruch wenigstens teilweise besteht. Dies ist für den Erlaß eines Grundurteils ausreichend (BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 – IX ZR 108/94 – NJW 1995, 2553 unter B III). Da die Einzelheiten zur Höhe streitig sind, ist die Sache insoweit an das Berufungsgericht zur weiteren Klärung zurückzuverweisen.
B.
Die Anschlußrevision der Beklagten ist gegenstandslos geworden. Da der Senat der Klägerin einen vertraglichen Anspruch auf Pflegetagegeld zuerkannt hat, kann die Bedingung, unter der über den Hilfsantrag zu entscheiden ist, endgültig nicht mehr eintreten. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Hilfsantrag ist deshalb ohne weitere Prüfung aufzuheben (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1996 – VIII ZR 212/94 – NJW 1996, 2165 unter II 3 m.w.N.).
Unterschriften
Dr. Schmitz, Prof. Römer, Terno, Seiffert, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.09.2000 durch Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556260 |
NJW 2001, 2802 |
FamRZ 2001, 217 |
NJW-RR 2001, 1106 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2001, 130 |
MDR 2001, 89 |
VersR 2000, 1533 |
ZfS 2001, 127 |