Verdichtung von Kennzahlen
Seit 2008 werden überwiegend klassische Analyseinstrumente eines BGM angewandt, wie z. B. interne Kennzahlen (u. a. AU-Quote, BEM-Kennzahlen), Krankenkassenberichte und Expertengespräche, um mögliche Ursachen für den erhöhten Krankenstand zu identifizieren. Den regelmäßigen Einsatz einer Mitarbeiterbefragung hält Bittner dabei für "absolut notwendig". Allerdings nur unter der Bedingung, dass diese durch gutes Fachpersonal begleitet, optimal vorbereitet und mit den Ergebnissen weitergearbeitet wird. Bei der LHW findet dies z. B. in vertiefenden Workshops statt. Fraglich ist es eher, inwiefern dieses Instrument jedes Mal global eingesetzt werden muss. Je nachdem, welches Ziel mit dem Einsatz eines Fragebogens verfolgt wird, ist zu überlegen, welche Zielgruppe angesprochen werden soll und welche zeitlichen Abstände dabei vonnöten sind.
Durch die Weiterentwicklung hin zu einem integrierten Gesundheitsmanagement mit einer Vielfalt an Handlungsfeldern werden heute viele weitere Daten gesammelt, die es zu beobachten gilt; darunter auch Daten zur Lebenssituation der Beschäftigten, z. B. Kilometer-Entfernung zum Arbeitsplatz oder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (Jobticket). Letztgenannte Information gibt Auskunft über den Beitrag zum Klimawandel und kann entsprechend kommuniziert werden.
Aus heutiger Sicht ist es daher "nicht das Problem, dass zu wenig Informationen bzw. Kennzahlen vorliegen, sondern eher zu viele", so Bittner. "In diesem Fall unterstützt uns ein qualifizierter Mitarbeiter" und hilft bei der Auswertung und Verdichtung der unterschiedlichen Daten sowie der Konzentration auf das Wesentliche. U. a. findet seither eine genauere Betrachtung des Krankenstandes statt: Ein Blick auf die Unterteilung in Kurzzeit- und Langzeiterkrankungen hat gezeigt, dass die Höhe des Krankenstandes überwiegend durch die Anzahl der BEM-Fälle zu erklären ist. Diese Kennzahl gibt Auskunft darüber, wie viele Personen innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass das Betriebliche bzw. Behördliche Eingliederungsmanagement (BEM) heute noch besser organisiert wird.
Auch wurde erkannt, dass "nicht nur die reine Erfassung einer Kennzahl, sondern insbesondere die Beurteilung bzw. Überprüfung von Normabweichungen entscheidend ist. [...] Durch die Überprüfung von Auffälligkeiten bekommt man ein Gefühl für Ursachen". Dabei werden intraindividuelle Trends beobachtet und auch Branchenvergleiche gezogen. Laut Bittner ist das ein wesentlicher Controlling-Grundsatz, der durch eine alleinige Sichtung von Krankenkassenberichten nicht erfüllt wird. Bei der LHW wird dieser Grundsatz mithilfe eines Ampelsystems dargestellt.
Ein wesentliches Ziel bei der Erfassung der Kennzahlen sei es, vorhandene Unterschiede in den Berufsgruppen und Abteilungen aufzudecken, die im öffentlichen Sektor sehr vielschichtig sein können. Bittner formuliert hierfür den Begriff einer "bereichsspezifischen Landkarte".
Veränderungen durch die Corona-Pandemie
Auf die Frage hin, was sich durch die Corona-Pandemie seit dem Frühjahr 2020 verändert habe, sagt Bitter: "Alles". Allerdings sei der Umgang mit dem Coronavirus bei der LHW bisher recht gut gelungen. Erster Ansprechpartner für das neue Aufgabenfeld ist die BGM-Abteilung (eigene Hotline). Dort werden alle wesentlichen Informationen gebündelt. Eine neu eingerichtete Arbeitsgruppe und die Anbindung an den Arbeitsschutz hat aktuellen Entwicklungen den benötigten Raum gegeben. Die Zusammenarbeit aller Bereiche des IGM ist in dieser Zeit "so eng wie noch nie" gewesen.
Smartphonefähige und digitale Angebote wurden bereits vor einigen Jahren durch das BGM ins Leben gerufen. Unter Corona wurden diese Prozesse in rasender Geschwindigkeit weiterentwickelt. Bittner und seinem Team gelang dabei ein "Quantensprung im Vergleich zu früher". Heute ist eines dieser Angebote die Arbeitgeber-App ("Meine LHW"), die für die Mitarbeiter 24 Stunden mobil erreichbar und ein wertvolles Informations- und Kommunikationsinstrument ist. Diese App wird insbesondere für interne und externe Marketingzwecke genutzt und ist ein "wertvoller Hebel für das IGM".
Neu hinzugekommen sind auch Angebote und Auswertungsoptionen zum Employee Assistance Program (EAP). Ein EAP ist ein unabhängiges Unterstützungsprogramm für Unternehmen und ihre Beschäftigten. Eines der Ziele ist es, die Stabilität der Menschen in einer Organisation auch in Krisenzeiten zu gewährleisten. Dieses individuelle Angebot ist für Mitarbeiter der LHW 14 Stunden (von 8 bis 22 Uhr) nutzbar und hat sich während der Corona-Pandemie als "goldwert" herauskristallisiert. Während einige Standardprogramme als Präsenzangebot so nicht mehr durchführbar sind (z. B. Besuch im Fitnesstudio, Vorsorgeuntersuchungen/Check-ups, Haut-/Venenscreening, Gesundheitstage vor Ort) und digitale Alternativen der Krankenkassen (bspw. "Bewegung im Homeoffice") nicht die erwarteten Teilnehmerzahlen erreiche...