Die Vorgaben des Gesetzgebers haben Diskussionen über folgende Fragen ausgelöst:
- Wer muss oder soll untersucht werden?
- Wer ist die "fachkundige Person", die eine "angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens" durchführt?
- Wann sind spezielle Sehhilfen für die Bildschirmarbeit notwendig?
- Wer trifft die Entscheidung über die Notwendigkeit spezieller Sehhilfen?
- Wer trägt die Kosten für eine spezielle Sehhilfe?
- Mit welcher Häufigkeit des Bedarfes an speziellen Sehhilfen ist zu rechnen?
1.1 Wer muss oder soll untersucht werden?
Die Untersuchung ist ein Angebot für Beschäftigte mit Bildschirmtätigkeit (Angebotsuntersuchung gem. § 5 i. V. mit Anhang Teil 4 ArbMedVV). Für Mitarbeitende besteht somit kein Zwang zur Teilnahme an der angebotenen Untersuchung. Die Praxis zeigt allerdings, dass das Angebot in der Regel angenommen wird, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer gleichermaßen an der Untersuchung sowie der Sicherstellung des Sehkomforts und der Leistungsfähigkeit der Beschäftigten interessiert sind.
1.2 Wer ist die fachkundige Person?
Nach Anhang Teil 4 ArbMedVV muss die Untersuchung der Augen und des Sehvermögens der Mitarbeitenden durch eine "fachkundige Person" erfolgen. Die Untersuchung der Augen ist ohne jeden Zweifel einem Arzt, also Betriebs- oder Augenarzt, vorbehalten. Sofern es sich nur um die Untersuchung des Sehvermögens handelt, kommt dafür grundsätzlich auch der Augenoptiker infrage.
Einer ganzheitlich-präventiven Vorgehensweise empfiehlt eine betriebliche Regelung, bei der der Betriebsarzt die vollständige Untersuchung der Augen und des Sehvermögens durchführt. Dabei orientiert sich der Betriebsarzt an den Empfehlungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge für Bildschirmarbeitsplätze (ehemals G37) und berücksichtigt sowohl körperliche als auch psychischen Belastungen und Beanspruchungen.
1.3 Wann sind spezielle Sehhilfen für die Bildschirmarbeit notwendig?
Nach Anhang Teil 4 ArbMedVV sind spezielle Bildschirmbrillen notwendig, wenn normale Sehhilfen für die Bildschirmarbeit nicht geeignet sind. Dieser Fall kann eintreten, wenn die Akkommodationsfähigkeit soweit eingeschränkt ist, dass der Bildschirm mit der normalen Sehhilfe nicht mehr ohne Probleme scharf gesehen werden kann.
Eine der Ursachen für Sehprobleme alterssichtiger Bildschirmnutzer kann in dem integrierten Nahteil ihrer Zweistärken-/ Gleitsichtbrille liegen: Um Sehobjekte im Nahbereich scharf zu sehen, müssen mit diesem Nahteil gezielte Kopfbewegungen ausgeführt werden, wo der Nichtalterssichtige nur Augenbewegungen benötigt.
Wieweit diese Kopfbewegungen akzeptiert werden und ob sie eine unzumutbare Beanspruchung oder ein geradezu vorteilhaftes Nackentraining darstellen, sollte der Betriebsarzt im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung beurteilen.
Eine Altersnahbrille ist für die Bildschirmarbeit nur geeignet, wenn sie bei noch ausreichender Akkommodationsfähigkeit scharfes Sehen auf Entfernungen zwischen Vorlage/Tastatur (ca. 40 cm) und Bildschirm (ca. 50–70 cm) ermöglicht.
1.4 Wer trifft die Entscheidung über die Notwendigkeit spezieller Sehhilfen?
In der Praxis bietet sich an, dass der Betriebsarzt Mitarbeitende auf der Grundlage seiner Untersuchungsergebnisse hinsichtlich einer Bildschirmbrille berät. Die Refraktionsbestimmung (Brillenglasbestimmung) erfolgt durch einen Augenarzt oder Augenoptiker. Ein (augen-)ärztliches Attest muss anschließend dem Arbeitgeber für den Antrag der Bildschirmbrille vorgelegt werden.
1.5 Wer trägt die Kosten für eine spezielle Sehhilfe?
Anhang Teil 4 ArbMedVV sieht vor, dass Beschäftigten spezielle Sehhilfen für ihre Arbeit an Bildschirmgeräten zur Verfügung gestellt werden, wenn normale Sehhilfen für diese Arbeit nicht geeignet sind. Die Kosten dafür wurden bis zum April 1997 von den Krankenkassen übernommen, seither grundsätzlich nicht mehr.
Laut der Entscheidung des EuG v. 22.12.2022 ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Kosten für eine Brille für Bildschirmarbeit vollständig zu übernehmen, einschließlich der notwendigen Ausstattung. Die Mindestanforderungen zu Gläsern und Fassung sind in der DGUV Information 250-008 festgelegt. Zusätzliche Ergänzungen können jedoch auf Wunsch und Kosten der Beschäftigten vorgenommen werden.
Die Anpassung und Anfertigung der Brille ist Aufgabe eines Augenoptikers. Geeignete spezielle Sehhilfen sind bereits ab 150 EUR erhältlich.
Bildschirmbrille im öffentlichen Dienst
Das Bundesverwaltungsgericht hat 2003 bestimmt (Urteil v. 27.2. 2003, 2 C 2.02), dass die speziellen Sehhilfen nicht wie beihilfefähige Leistungen zu sehen sind, sondern im vollen Umfang vom Dienstherrn zu bezahlen sind. Überlasse der Dienstgeber dem Mitarbeiter die Anschaffung (Kostenerstattungsanspruch), statt eine Sachausstattung zur Verfügung zu stellen, dann dürfe es keine Mehrbelastung für den Beschäftigten geben (Art. 9 Satz 2 Nr. 3 EU-Richtlinie). Das Bundesministerium hat daraufhin die Kostenerstattung für spezielle Sehhilfen mit Rundschreiben v. 30.12.2003 DII 4 – 211 470 – 1/201 neu geregelt.
Zusatznutzen: Kostenbeteiligung des Arbeitgebers?
Dem Arbeitnehmer muss es freigestellt sein, ob er sich für eine Brille entscheidet,
- die einen Zusatznutzen für ihn hat oder
- die nur die Eigenschaften aufweist, die für die Arbeitsaufgabe und die individuellen Gegebenheiten benötigt werde...