Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung des Grundlohns nach § 180 Abs 4 RVO für freiwillig versicherte Ehefrauen ohne Einkommen
Orientierungssatz
In einer kinderlosen Ehe ist bei der Bemessung des Grundlohns des nicht berufstätigen freiwillig krankenversicherten Ehegatten die Hälfte des Arbeitsverdienstes des alleine berufstätigen Ehegatten bis zur Beitragsbemessungsgrenze heranzuziehen; sind unterhaltsberechtigte, nicht mitversicherte Kinder vorhanden, ist der Beitrag für den freiwillig versicherten Ehegatten aus dem für seinen eigenen Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Betrag zu berechnen.
Normenkette
RVO § 180 Abs 4 Fassung: 1977-06-27
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe das Einkommen des Ehemanns der Klägerin bei der Bemessung ihres Beitrags zur freiwilligen Krankenversicherung zu berücksichtigen ist. Die Klägerin ist Hausfrau, ihr Ehemann ist Beamter mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt (Anfang 1979) 3.112,45 DM. Er ist nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Ehepaar hat drei unterhaltsberechtigte Kinder. Für diese Kinder bestand bis zum 1. Juli 1977 (Inkrafttreten des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes -KVKG-) ein Anspruch auf Familienhilfe nach § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Seitdem sind nach § 205 Abs 1 Satz 2 RVO nF die Kinder von Leistungsansprüchen ausgeschlossen, weil der Vater nicht Mitglied bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist, sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat 1/12 der Jahresarbeitsverdienstgrenze des § 165 Abs 1 Nr 2 RVO übersteigt und die Ehefrau kein eigenes Einkommen hat. Der Ehemann der Klägerin hat deshalb für die Kinder eine private Krankenversicherung abgeschlossen, nachdem sie zunächst - bis Ende 1977 - bei der Beklagten freiwillig versichert gewesen waren.
Die Beklagte stufte die Klägerin ab 1. Januar 1978 in die Lohnstufe 46 mit einem monatlichen Beitrag von 138,-- DM ein und führte zur Begründung aus: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei bei einer einkommenslosen Ehefrau die Hälfte des Bruttoeinkommens des Ehemannes der Beitragsberechnung zugrunde zu legen (Bescheid vom 24. Mai 1978, Widerspruchsbescheid vom 6. November 1978). Das Sozialgericht hat die Bescheide geändert und die Beklagte verpflichtet, die Beiträge der Klägerin zu ihrer freiwilligen Krankenversicherung nach 2/7 des Bruttoeinkommens ihres Ehemanns zu berechnen (Urteil vom 21. März 1979).
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Sprungrevision eingelegt.
In der Rechtsprechung des BSG ist für den Rechtszustand vor Erlaß des KVKG in der Tat die Auffassung vertreten worden, daß bei der Bemessung des Beitrags einer nicht verdienenden, vermögenslosen Hausfrau die Hälfte des Bruttoeinkommens des Ehemanns als Grundlohn angesehen werden könne (BSGE 42, 49 = SozR 2200 § 313a Nr 3). Die Frage, inwieweit dies auch noch für die Zeit nach Inkrafttreten des KVKG gilt, hat, soweit ersichtlich, bisher nur der 3. Senat entschieden; er hat in seinem Urteil vom 12. Dezember 1979 (3 RK 98/78 - SozR 2200 § 180 Nr 4) ausgesprochen, daß jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - neben der freiwillig versicherten einkommenslosen Ehefrau nicht noch andere Familienangehörige Mitglieder einer Krankenkasse sind, das Einkommen des berufstätigen Ehemanns zur Hälfte als Grundlohn der Frau bestimmt werden könne.
Der 12. Senat möchte hiervon für Fälle der vorliegenden Art, in denen neben der versicherten Ehefrau noch unterhaltsberechtigte, aber nicht bei der Mutter mitversicherte Kinder vorhanden sind, abweichen. Durch die Diskussionen der letzten Zeit in Rechtsprechung und Schrifttum (s besonders Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. April 1981 - L 16 Kr 171/79) sind im Zusammenhang mit der Neufassung des § 180 Abs 4 RVO und des § 205 RVO Probleme aufgezeigt worden, die es erforderlich erscheinen lassen, denjenigen Teil des Einkommens des Ehemannes, der als Unterhalt der Frau bei der Grundlohnberechnung zu berücksichtigen ist, in anderer Weise zu bestimmen, als dies bisher geschehen ist.
Besonders bedeutsam erscheint zunächst, daß die bisher angewandte Berechnungsweise zu einer Benachteiligung (stärkeren Beitragsbelastung) von Ehefrauen in intakten Ehen gegenüber solchen Frauen führt, die von ihrem Ehemann getrennt leben oder von ihm geschieden sind. In diesen Fällen kann nämlich lediglich der vom (früheren) Ehegatten zu zahlende Unterhalt als Einnahme der Frau angesehen werden. Dieser Betrag wird aber so gut wie nie die Hälfte des Bruttoeinkommens des Mannes erreichen. Die Trennung der Ehegatten kann also zu einem verbilligten Krankenversicherungsschutz für den freiwillig versicherten Partner führen, ohne daß sich in der Einkommenssituation der Familie etwas geändert hat. Die sich daraus ergebende Differenzierung zwischen intakten Ehen einerseits und getrennt lebenden bzw geschiedenen Ehepartnern andererseits erscheint dem Senat verfassungsrechtlich bedenklich. Der Senat möchte . diesem Bedenken durch eine Regelung Rechnung tragen, die sich bei intakten Ehen und gestörten (geschiedenen) Ehen in etwa gleichmäßig auswirkt.
Ein weiteres Bedenken ergibt sich bei Familien mit mehreren Kindern dann, wenn für die Kinder kein Familienhilfeanspruch nach § 205 RVO besteht und sie kein eigenes Einkommen haben. In diesen Fällen muß nämlich auch der Krankenversicherungsschutz der Kinder noch aus dem Einkommen des verdienenden Ehegatten sichergestellt werden und belastet dieses Einkommen um so stärker, je größer die Zahl der Kinder ist. Es fehlt hier auch - anders als bei Kindern, die einen Familienhilfeanspruch haben - jede Rechtfertigung dafür, den auf die Kinder entfallenden Teil des Unterhalts ebenfalls zur Hälfte dem freiwillig versicherten Ehegatten zuzurechnen.
Soweit die Kinder, für die kein Familienhilfeanspruch besteht, in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind (§ 176b Abs 1 Nr 2 RVO), ergibt sich, wie auch der 3. Senat in seinem Urteil bereits angedeutet hat, ohnehin die Notwendigkeit, die einzelnen Unterhaltsansprüche getrennt festzustellen, weil es nicht vertretbar wäre, das Einkommen des verdienenden Ehegatten mehrfach für Grundlohnberechnungen heranzuziehen. Dies könnte insbesondere bei großen Familien zu einer Beitragsbelastung führen, die außer Verhältnis zu dem verfügbaren Einkommen steht. Das gleiche müßte dann aber auch für die Kinder gelten, die privat krankenversichert sind, denn eine unterschiedliche Beitragsberechnung je nachdem, ob die Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung oder privat versichert sind, erscheint nicht gerechtfertigt, weil in jedem Falle die Versicherung der Kinder erhebliche zusätzliche Beitragslasten zur Folge hat.
Im Hinblick auf die dargelegten Folgerungen ist der Senat der Auffassung, daß zwar in einer kinderlosen Ehe, in der nur einer der Ehegatten berufstätig ist, der Arbeitsverdienst des allein berufstätigen, aber nicht versicherten Ehegatten (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) bei dem freiwillig versicherten Ehegatten zur Hälfte bei der Grundlohnbestimmung herangezogen werden darf. Dies mag sogar dann noch gerechtfertigt sein, wenn über den versicherten Ehegatten in einer Ehe mit Kindern auch die Kinder beitragsfrei mitversichert sind; denn das Solidaritätsprinzip könnte in der Tat überspannt werden, wenn im Falle einer Mitversicherung von Kindern und damit einer erhöhten Beanspruchung der Versichertengemeinschaft mit Versicherungsleistungen die Beitragslast vermindert würde (vgl BSGE 42, 49, 53). Bei einer Familie mit unterhaltsberechtigten, aber nicht mitversicherten Kindern muß dagegen wieder auf den Grundgedanken der Beitragsregelung des § 180 Abs 4 RVO zurückgegangen werden, daß nämlich der Beitrag für den freiwillig versicherten Ehegatten nur aus dem für seinen eigenen Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Betrag zu berechnen ist (vgl BT-Drucksache 8/338, S 60, zu § 180 RVO: Die Frage der Beitragsbemessung sei notwendig mit der Frage verknüpft, woraus der Versicherte seinen Lebensunterhalt bestreitet). Das bedeutet, daß bei Ehen mit Kindern dann, wenn für diese Kinder kein Familienhilfeanspruch nach § 205 RVO besteht, bei der Berechnung des Grundlohns des freiwillig versicherten Ehepartners die Unterhaltsansprüche der anderen Familienmitglieder zu berücksichtigen sind.
Diesem Problem kann Rechnung getragen werden, indem für die Grundlohnberechnung des freiwillig versicherten Ehegatten nur ein an der Größe der Familie orientierter Prozentsatz des Familieneinkommens berücksichtigt oder dieses Einkommen nur insoweit zugrunde gelegt wird, als der versicherte Ehegatte im Falle des Getrenntlebens unter Berücksichtigung der übrigen Unterhaltspflichten des anderen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch haben würde. Wie im einzelnen zu verfahren ist, soll jedoch erst entschieden werden, wenn geklärt ist, ob der 3. Senat an seiner bisherigen Auffassung festhält.
Fundstellen