Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. künstliche Befruchtung. untere Altersgrenze. Kostenerstattung. zwingendes Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung der Krankenkasse und der Kostenlast des Versicherten
Orientierungssatz
Zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten muss ein Ursachenzusammenhang bestehen, an dem es fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre. Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse ist selbst dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens - etwa aufgrund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststeht (vgl zB BSG vom 15.4.1997 - 1 BK 31/96 = SozR 3-2500 § 13 Nr 15; BSG vom 25.9.2000 - B 1 KR 5/99 R = SozR 3-2500 § 13 Nr 22; BSG vom 4.4.2006 - B 1 KR 5/05 R = BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8); dies gilt auch, soweit es um Leistungen geht, die kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R).
Normenkette
SGB 5 § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2, § 27a Abs. 3 S. 1 Hs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der 1975 geborene, bei der beklagten AOK pflichtversicherte Kläger zu 2., der an einer Fertilitätsstörung leidet, und die Klägerin zu 1., seine 1983 geborene, familienversicherte Ehefrau, sind mit dem Begehren, die Kosten für zwischen September 2004 und April 2005 durchgeführte privatärztliche Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels künstlicher Befruchtung erstattet zu erhalten, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (≪LSG≫ Urteil vom 6.9.2007) hat ua ausgeführt, es lasse sich nicht mehr aufklären, ob vor Behandlungsbeginn eine Rücksprache zwischen den behandelnden Ärzten und der Beklagten stattgefunden habe; es könne aber dahinstehen, ob der Anspruch aus § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V bereits am erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung durch die Beklagte und der Kostenlast der Kläger scheitere. Jedenfalls hätten die Kläger zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen keinen Sachleistungsanspruch nach § 27a Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V gehabt, weil das 25. Lebensjahr der Klägerin noch nicht vollendet gewesen sei. Die Regelung verstoße insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, weil es sachliche Gründe für die Altersgrenze gebe (erhöhte Belastungen und Risiken künstlicher Befruchtung; Dokumentation der Ernsthaftigkeit des Kinderwunsches).
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG eine Rechtsfrage formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Zwar formuliert die Beschwerde sinngemäß die Frage, "Verstößt die untere Altersgrenze von 25 Jahren bei der Gewährung von Leistungen wegen künstlicher Befruchtung nach § 27a Abs 3 Satz 1 SGB V gegen Art 3 Abs 1 GG?". Sie legt jedoch nicht dar, dass es auf die Beantwortung dieser Frage im Revisionsverfahren ankommen wird, mithin, dass die Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit auch entscheidungserheblich ist. Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers in seinem Sinne hätte ausfallen müssen. Daher muss bei einem geltend gemachten Anspruch, der - wie hier derjenige des § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V - mehrere Voraussetzungen hat und der vom Berufungsgericht verneint wurde, weil eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt, dargelegt werden, dass auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Denn andernfalls ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, dass die Entscheidung über die aufgeworfene Rechtsfrage Konsequenzen für den Ausgang des Rechtsstreits hat (vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 3; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16) . Hat das LSG hinsichtlich weiterer Voraussetzungen des Anspruchs festgestellt, dass sie nicht erfüllt sind, aber seine Entscheidung nicht hierauf gestützt, ist darzulegen, dass die aufgeworfene Rechtsfrage dennoch entscheidungserheblich ist, etwa, weil die Feststellungen des LSG zum Fehlen weiterer Anspruchsvoraussetzungen mit Verfahrensrügen angegriffen werden und deshalb eventuell in einem sich anschließenden Revisionsverfahren nicht bindend (§ 163 SGG) sind. Es genügt dagegen nicht, lediglich einen von den Feststellungen des LSG abweichenden Sachverhalt vorzutragen. So aber liegt es hier.
Das LSG hat den Kostenerstattungsanspruch der Kläger aus § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V verneint, weil die Beklagte die begehrte Sachleistung nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Allein hierauf geht die Beschwerde mit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage ein, nicht aber auch darauf, dass der Kostenerstattungsanspruch ua auch voraussetzt, dass den Klägern "dadurch" Kosten entstanden sein müssen. Nach der Rechtsprechung des Senats muss zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang bestehen, an dem es fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre. Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse ist selbst dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens - etwa aufgrund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststeht ( stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 105 f; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8 RdNr 23) ; dies gilt auch, soweit es - wie hier - um Leistungen geht, die kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (so BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - RdNr 10 ff,zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) .
Insoweit trägt die Beschwerde zwar sinngemäß vor, es sei zur Selbstbeschaffung der künstlichen Befruchtung gekommen, weil die Beklagte gegenüber der behandelnden Arztpraxis (als Vertreter der Kläger?) ihre Leistungspflicht verneint habe. Das LSG hat eine entsprechende Feststellung indessen gerade nicht treffen können. Es heißt vielmehr im Tatbestand des Urteils ausdrücklich, dass sich nicht mehr aufklären lasse, ob vor Behandlungsbeginn eine Rücksprache zwischen den behandelnden Ärzten und der Beklagten stattgefunden habe; die Genehmigung eines Behandlungsplans für die von September 2004 bis April 2005 durchgeführten Maßnahmen durch die Beklagte liege nicht vor; die Kläger hätten erstmals bei der Beklagten im April 2005 die Erstattung der entstandenen Kosten beantragt. Aufgrund der nicht mit Revisionszulassungsgründen angefochtenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) muss damit angenommen werden, dass die Kostenbelastung der Kläger nicht auf eine vorherige Sachleistungsablehnung durch die Beklagte zurückzuführen ist und dass der Kostenerstattungsanspruch aus diesem Grund scheitert.
Weiteres Beschwerdevorbringen wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass die Kläger im Berufungsverfahren die Ansicht vertreten haben, das Risiko der Nichtaufklärbarkeit gehe zu Lasten der Beklagten; denn es wird nicht darauf eingegangen, weshalb die Kläger als Anspruchsteller entsprechend den allgemeinen Regelungen des Prozessrechts nicht auch die Feststellungslast (vgl dazu allgemein zuletzt zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 19 mwN) für die Nichterweislichkeit der anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 13 Abs 3 SGB V tragen sollten. Ebenso reicht nicht schon, dass geltend gemacht wird, die Kläger hätten für die Behandlung am 3.2.2005 ein Darlehen aufgenommen. Hat das LSG damit für den Kostenerstattungsanspruch nötige weitere Voraussetzungen ausdrücklich nicht positiv feststellen können und werden im Beschwerdeverfahren dagegen insbesondere Verfahrensrügen (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 103 SGG) nicht erhoben, wird die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen