Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagter und Revisionsbeklagter |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Feststellung, daß eine am 20. August 1988 erlittene Knieverletzung links Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger nahm am 20. August 1988 an einem Sommerfest des Musikvereins M. teil. Er beteiligte sich an einem Tauziehwettbewerb, bei dem die Freiwillige Feuerwehr M., deren Mitglied er war, neben anderen Gruppen mit zwei Mannschaften zu jeweils 6 Teilnehmern vertreten war. Während des Tauziehwettbewerbs zwischen seiner und einer anderen Mannschaft verspürte der Kläger plötzlich einen starken Schmerz im linken Kniegelenk. Bei der anschließenden stationären Behandlung wurde ein intraligamentärer Riß des vorderen Kreuzbandes festgestellt, der eine Teilresektion des Innenmeniskus sowie eine Innenbandnaht zur Folge hatte.
Der Beklagte lehnte es ab, dem Kläger Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (Bescheid vom 27. März 1990) : Hauptzweck der Veranstaltung sei die Unterstützung des dörflichen Gemeinschaftslebens gewesen. Bei dem Wettbewerb habe es sich weder um Betriebssport noch um eine dem Unternehmenszweck der Feuerwehr dienende Veranstaltung gehandelt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Januar 1991). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 21. August 1991). Zur Begründung heißt es im wesentlichen: Ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 8 der Reichsversicherungsordnung (RVO) komme nicht in Betracht. Der Kläger sei nicht bei einem Feuerwehreinsatz verunglückt. Bei dem Tauziehwettbewerb habe es sich auch nicht um eine sonstige Tätigkeit gehandelt, die den Zwecken der Feuerwehr wesentlich gedient hätte, und von der festgestellt werden könnte, daß sie in rechtserheblicher Weise mit dem Unternehmen in innerem Zusammenhang gestanden habe. Zwar habe die Beteiligung zweier Auswahlmannschaften der Freiwilligen Feuerwehr am Sommerfest des Musikvereins auch insofern den Zwecken der Feuerwehr mittelbar gedient, als damit eine Dankesschuld dafür abgetragen worden sei, daß der Musikverein die Freiwillige Feuerwehr auch seinerseits unterstützt gehabt habe. Dies reiche jedoch für einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 8 RVO nicht aus. Das Sommerfest habe auch nicht dadurch zu einer den Zwecken der Freiwilligen Feuerwehr dienenden Veranstaltung werden können, daß der Kommandant zwei Auswahlmannschaften (12 von 38 Mitgliedern) zur Teilnahme bestimmt und dann die Teilnahme als "dienstliche Veranstaltung" bezeichnet habe; jedenfalls insoweit habe es sich nicht um "Feuerwehrdienst im eigentlichen Sinne" gehandelt. Ein "Dienstbuch" sei generell nicht geführt worden; statt dessen seien über Einsätze aus dem Kernbereich der Feuerwehr "Einsatzberichte" erstattet worden. Ein solcher Bericht sei hier nicht erfolgt. Der Tauziehwettbewerb sei dem Kommandanten lediglich geeignet erschienen, in den alljährlich aufgestellten "Dienstplan" aufgenommen zu werden. Daraus folge jedoch nicht zwingend, daß es sich um einen unter Versicherungsschutz stehenden Einsatz gehandelt habe. Ein Versicherungsschutz unter den Gesichtspunkten des "Betriebssports" oder der "betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung" scheitere schon daran, daß an dem Wettbewerb nur eine Minderheit der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr teilgenommen habe.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts (§ 539 Abs. 1 Nrn. 8 und 13 und § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Seine Tätigkeit anläßlich der Teilnahme an dem Sommerfest sei Feuerwehrtätigkeit gewesen. Sie habe im Rahmen der körperlichen Ertüchtigung einerseits als Ausbildungsveranstaltung und andererseits als soziale Komponente im Vereinsleben der Freiwilligen Feuerwehr gedient. Hierbei sei auf die seitens des Kommandanten festgestellte Teilnahmepflicht abzustellen. Es sei auch und überwiegend auf den Horizont des Teilnehmers abzustellen, hier also auf den des Klägers, der als später eingesetzter Ersatzmann an der Teilnahme für die Feuerwehr verpflichtet gewesen sei. Maßgebend seien die damaligen subjektiven Einstellungen gewesen; für beide - ihn, den Kläger, und den Kommandanten -sei die Teilnahme an der Veranstaltung Pflicht gewesen. Im übrigen stelle § 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO die ehrenamtlich Tätigen unter Versicherungsschutz, die für entsprechende Organisationen - öffentlich-rechtliche Institutionen - tätig seien. Die Freiwillige Feuerwehr unterstehe der Gemeinde M. und damit dem Bürgermeister; auch insoweit würden Helfer und Mitglieder der Frei-willigen Feuerwehr als ehrenamtlich tätige Mitglieder Versicherungsschutz ge-nießen.
Der Kläger beantragt,
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1. |
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 21. August 1991 sowie das Urteil des SG vom 23. Januar 1991 und den Bescheid des Beklagten vom 27. März 1990 aufzuheben und |
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2. |
den Beklagten zu verurteilen, festzustellen, daß Folgeschäden am linken Knie nach Innenmeniskusverletzung, vorderer Kreuzbandruptur und Innenbandruptur Folgen eines beim Kläger am 20. August 1988 erlittenen Arbeitsunfalls sind. |
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Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers hat insofern Erfolg, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Für eine Entscheidung über den umstrittenen Feststellungsanspruch des Klägers fehlt es nach der Rechtsauffassung des Senats noch an weiteren erforderlichen Tatsachenfeststellungen.
Dem Kläger steht entgegen seiner Auffassung kein Entschädigungsanspruch nach § 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO zu. Danach sind gegen Arbeitsunfall u.a. versichert, die für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen, wenn ihnen nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt wird. Der Kläger war bei der Mitgestaltung des Festes nicht ehrenamtlich i.S. dieser Vorschrift für die Gemeinde tätig geworden. Die Gemeinde M. hatte dieses Fest im Rahmen ihres Aufgaben- und Verantwortungsbereichs weder organisiert noch durchgeführt (s dazu eingehend BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 10). Denn nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes SGG ) war alleiniger Veranstalter des Sommerfestes der Musikverein M.
Wie das LSG zutreffend festgestellt hat, richtet sich der Versicherungsschutz des Klägers vielmehr nach § 539 Abs. 1 Nr. 8 RVO. Danach sind die in einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen Tätigen gegen Arbeitsunfall versichert. Hierzu zählen auch die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr, ohne daß allerdings dieser Personenkreis ausdrücklich in § 539 Abs. 1 Nr. 8 RVO erwähnt wird (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 5 m.w.N.).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Kläger nicht bei einer zum eigentlichen Feuerwehrdienst (wie Brandbekämpfung, Hilfeleistungen bei öffentlichen Notständen und Verkehrsunfällen, Absperrungen, Übungen - S. § 14 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 des Feuerwehrgesetzes FwG-BW für das Land Baden-Württemberg vom 10. Februar 1987 - GBl. I05 - sowie Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl. S. 472z I m.w.N.) gehörenden Tätigkeit verunglückt. Entgegen der Auffassung des Klägers sind nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß der Tauziehwettbewerb mit dem Ziel der körperlichen Ertüchtigung als versicherte Ausbildungsveranstaltung in einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen gedient hätte (s dazu BSG SozR 2200 § 539 Nr. 75).
Der Versicherungsschutz eines Mitgliedes der Freiwilligen Feuerwehr umfaßt allerdings - im Unterschied zu Arbeitsleistungen im Rahmen der Mitgliedspflichten in einem privat-rechtlichen Verein (s BSGE 52, 11, 12; Brackmann a.a.O. S. 471b) - auch sonstige Tätigkeiten, die den Zwecken der Freiwilligen Feuerwehr wesentlich dienen (BSG Urteil vom 29. November 1990 - 2 RU 27/90 -HV-Info 1991, 504 -). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 539 Abs. 1 Nr. 8 RVO, wonach die in einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen Tätigen vom Versicherungsschutz umfaßt werden. Entscheidend für den Versicherungsschutz ist, daß die unfallbringende Tätigkeit in rechtserheblicher Weise mit dem Unternehmen innerlich zusammenhängt (BSG Urteil vom 27. Februar 1985 - 2 RU 10/84 - HV-Info Nr. 10/85, 24 m.w.N.). Es muß demgemäß ein innerer Zusammenhang bestehen, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (s BSGE 63, 273, 274; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 95; SozR 3-2200 § 539 Nrn. 5 und 9). Nichts anderes gilt auch für die nach § 539 Abs. 1 Nr. 8 RVO geschützten Personen (BSG Urteil vom 29. November 1990 - 2 RU 27/90 - HV-Info a.a.O.; Brackmann a.a.O. S. 472z I). Daher stehen nach der Rechtsprechung des Senats entsprechend den in der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannten Grundsätzen sonstige Verrichtungen, die den Belangen der Freiwilligen Feuerwehr wesentlich dienen oder Angelegenheiten der Freiwilligen Feuerwehr wesentlich fördern, unter Versicherungsschutz (BSG Urteil vom 27. Februar 1985 - 2 RU 10/84 - HV-Info a.a.O.).
Maßgebend ist damit die im Einzelfall zu beurteilende Zuordnung zum "Unternehmen Feuerwehr", die wertend unter Berücksichtigung aller Umstände festzustellen ist. Dazu hat der Senat einerseits in seinem Urteil vom 27. Februar 1985 (a.a.O.) entschieden, daß die Teilnahme eines Mitglieds der Freiwilligen Feuerwehr an einem Jubiläumsfest einer befreundeten -ausländischen -Feuerwehr keinen dienstlichen Bezug hatte und sich der Beitrag der angereisten Feuerwehrleute "in ihrer Anwesenheit und in einer geselligen oder gesellschaftlichen Unterstützung des Jubiläumsfestes" der befreundeten Feuerwehr erschöpfte. Ein innerer Zusammenhang zwischen der Teilnahme an diesem kameradschaflichen Treffen und dem dem Brand- und Katastrophenschutz dienenden Unternehmen der Freiwilligen Feuerwehr bestand unter diesen Umständen nicht. Andererseits hat der Senat in seiner Entscheidung vom 29. November 1990 (2 RU 27/90 - HV-Info a.a.O. -) klargestellt, daß die Mitgliedschaft der Freiwilligen Feuerwehr neben dem eigentlichen Feuerwehrdienst nicht nur bei Feuerwehrübungen, Probeeinsätzen, sogenannten Tagen der offenen Tür oder sonstigen Veranstaltungen zur Selbstdarstellung versichert sind, sondern auch bei solchen Veranstaltungen, die der Werbung der Freiwilligen Feuerwehr als Institution dienen. Wie bei jeder anderen derartigen Organisation ist es besonders bei der Freiwilligen Feuerwehr notwendig, in der Bevölkerung bekannt und im öffentlichen Leben präsent zu sein. Hierzu sind nicht nur Veranstaltungen, bei denen sich die Feuerwehr als Institution vorstellt, oder Feste, zu denen die Feuerwehr die Bevölkerung einlädt, geeignete Gelegenheiten. Vielmehr können auch sonstige der Öffentlichkeit zugängliche Veranstaltungen - auch - wesentlich der Öffentlichkeitsarbeit der Freiwilligen Feuerwehr dienen. Das kann auch dann gelten, wenn die Teilnahme an einer Veranstaltung wesentlich dazu dient, sich - vereinbarungsgemäß oder allgemein üblich - für die Hilfe bei einer eigenen Veranstaltung erkenntlich zu zeigen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlen hinreichende Feststellungen des LSG unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme des Klägers an einer Werbeveranstaltung für das Unternehmen Feuerwehr oder der Teilnahme des Klägers an einer Veranstaltung als "Gegenleistung" für die Unterstützung bei einer Werbeveranstaltung der Freiwilligen Feuerwehr. Diese Feststellungen hat das LSG nachzuholen. Dabei kann es wesentlich darauf ankommen, ob die Feuerwehrmänner während des Wettbewerbs Dienstkleidung trugen, ob während oder auch bei der öffentlichen Ankündigung der Veranstaltung sonstige Hinweise auf die Teilnahme der Feuerwehr vorhanden waren oder ob nach den gesamten Umständen der Werbecharakter der Teilnahme für die Gruppe der Freiwilligen Feuerwehr - wie für jede andere teilnehmende Gruppe - nicht der wesentliche Zweck war (s LSG Niedersachsen Urteil vom 5. Oktober 1984 - L 3 U 73/84 -HV-Info 2/1985, S. 34).
Läßt sich nach den vom LSG noch zu treffenden Feststellungen unter diesen Gesichtspunkten eine versicherte Tätigkeit des Klägers nicht rechtfertigen, so ist weiter zu beachten, daß es für den Versicherungsschutz bei der Teilnahme an derartigen Veranstaltungen nach § 539 Abs. 1 Nr. 8 RVO grundsätzlich auch darauf ankommt, ob der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, daß die Tätigkeit geeignet ist, den Interessen des Betriebes, des "Unternehmens Feuerwehr", zu dienen, und daß diese subjektive Meinung in den objektiv gegebenen Verhältnissen eine ausreichende Stütze findet (BSGE 20, 215, 218; 30, 282, 283; 52, 57, 59 sowie eingehend BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 5; Brackmann a.a.O. S. 479h IV).
Zu dieser entscheidungserheblichen Frage hat das LSG auch keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Die Akten, insbesondere die Einlassungen des Klägers und die Aussage des Zeugen P. vor dem LSG enthalten hierzu Hinweise, mit denen sich das LSG bisher nicht auseinandergesetzt hat. Wesentlich in diesem Zusammenhang dürfte auch sein, daß nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 FwG-BW die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr den dienstlichen Weisungen des Vorgesetzten nachzukommen haben. Hierzu ist den Ausführungen des Klägers zu entnehmen, daß von seinem Standpunkt aus zwar die Meldung zur Teilnahme an dem Tauziehwettbewerb freiwillig war, er sich jedoch anschließend einer Teilnahme an diesem Wettbewerb infolge des Ausfalls eines Feuerwehrkameraden nicht entziehen konnte (s BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 5).
Der Senat kann diese - durch weitere Feststellungen noch zu ergänzende -Anhaltspunkte im Revisionsverfahren nicht verwerten; insbesondere würde er damit den tatsächlichen Feststellungen und der darauf beruhenden Beweiswürdigung des Tatrichters vorgreifen (s BSGE 20, 215, 219). Das Urteil des LSG war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließendem Urteil vorbehalten.
Fundstellen