Beteiligte
2. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
1. Bundesanstalt für Arbeit |
Kaufmännische Krankenkasse – KKH |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 24. November 1998 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Streitig ist, ob die Kläger für eine Beitragsforderung haften.
Die Kläger zu 1) und 2) sowie die Klägerin zu 3) gründeten mit weiteren Personen im Juli 1993 die „V. eingetragene Genossenschaft” (im folgenden: Genossenschaft), zu deren Vorstand die Klägerin zu 3) und ein weiterer Genosse gewählt wurden. Die Kläger leisteten die Einzahlung auf den übernommenen Geschäftsanteil von je 1.000 DM. Die Genossenschaft nahm nach der Gründung die Geschäfte auf und beantragte die Eintragung ins Genossenschaftsregister. Die Klägerin zu 3) wurde bei der Genossenschaft für den kaufmännischen Arbeitsbereich angestellt. Das Arbeitsverhältnis begann im September 1993 und endete am 28. Februar 1994. Das Arbeitsentgelt betrug monatlich 4.500 DM brutto. Die Genossenschaft reichte am 25. Februar 1994 bei der beklagten Krankenkasse (Einzugsstelle) einen Dauerbeitragsnachweis für die Zeit ab Januar 1994 ein. Darin waren die monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung mit 570,82 DM, zur Rentenversicherung mit 864 DM und zur Arbeitslosenversicherung mit 292,50 DM (insgesamt pro Monat 1.727,32 DM) angegeben. Im Februar und März 1994 mahnte die Beklagte die Beitragsentrichtung vergeblich bei der Genossenschaft an. Über deren Vermögen wurde am 31. Mai 1994 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Der Antrag auf Eintragung ins Genossenschaftsregister wurde am 15. Juni 1994 zurückgenommen.
Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zahlte das Arbeitsamt der Beklagten die für die Klägerin zu 3) als Arbeitnehmerin im Januar und Februar 1994 geschuldeten Beiträge. Mit „Beitragsbescheiden” vom 18. Juli 1996 stellte die Beklagte gegenüber den Klägern zu 1) und 2) fest, sie hafteten als Gründungsgenossen für Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 3.454,66 DM, die durch die Beschäftigung der Klägerin zu 3) im Januar und Februar 1994 entstanden seien, zuzüglich Säumniszuschlägen und Verwaltungsgebühren; sie sollten diese Beträge zahlen. Mit Bescheid vom 5. September 1996 regelte die Beklagte das Gleiche gegenüber der Klägerin zu 3), ebenfalls in ihrer Eigenschaft als Gründungsgenossin. In den Bescheiden sind die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nur in einer Summe von 3.454,66 DM genannt und nicht im einzelnen berechnet oder nach Versicherungszweigen aufgeteilt. In ihren Widersprüchen machten die Kläger geltend, ihre Haftung sei auf die Einlage beschränkt. Die Beklagte wies die Widersprüche zurück, weil ihr die Kläger unbeschränkt hafteten (Widerspruchsbescheide vom 2. Oktober 1996, 7. Oktober 1996 und 13. Juni 1997).
Die Kläger haben Klagen erhoben und in Ergänzung ihrer Ansicht zur beschränkten Haftung vorgetragen, die Nachschußpflicht sei im Statut ausgeschlossen worden. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Eintragung der Genossenschaft sei nicht ernsthaft betrieben worden. Außerdem sei die Genossenschaft vermögenslos. Der Gesamtvollstreckungsverwalter habe Masseunzulänglichkeit angezeigt und erklärt, daß mit einer Quotenzahlung nicht zu rechnen sei. Während der Klageverfahren ist sodann die auch gegen einen weiteren Gründungsgenossen gerichtete Beitragsforderung einschließlich Säumniszuschlägen durch Vollstreckung bei diesem erfüllt worden. Die Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, von einer Vollstreckung gegen die Kläger abzusehen. Das Sozialgericht (SG) hat die Bundesanstalt für Arbeit (BA, Beigeladene zu 1) und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, Beigeladene zu 2) beigeladen, die Verfahren verbunden und auf die von den Klägern weiterverfolgten Anträge mit Urteil vom 17. Dezember 1997 die Bescheide aufgehoben. Sie seien rechtswidrig geworden, weil der weitere Gründungsgenosse die Forderung erfüllt habe.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen der Beklagten mit Urteil vom 24. November 1998 zurückgewiesen. Die Bescheide seien zwar wegen der Zahlung durch den weiteren Gründungsgenossen nicht erledigt und auch nicht rechtswidrig geworden. Dennoch seien sie vom SG im Ergebnis zu Recht aufgehoben worden, weil sie nicht hinreichend bestimmt seien. Nach § 28h Abs 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) habe die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu entscheiden. Ein solcher Bescheid müsse personenbezogen spezifiziert sein. Diesen Anforderungen genügten die angefochtenen Bescheide nicht. Aus ihnen sei nur ersichtlich, daß Beiträge für die Klägerin zu 3) als Arbeitnehmerin sowie für Januar und Februar 1994 erhoben würden. Es sei aber nicht dargelegt, ein wie hohes Arbeitsentgelt der Forderung zugrunde liege, zu welchen Versicherungszweigen eine Beitragspflicht bestanden haben solle und wie hoch jeweils der Beitrag sei. Der Beitragsnachweis der Genossenschaft mache diese Einzelangaben gegenüber den Klägern nicht entbehrlich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie verteidigt ihre Bescheide und rügt sinngemäß eine Verletzung des § 33 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren (SGB X). Sie habe gegen die Kläger als Gründungsgenossen Haftungsbescheide erlassen, weil die Beiträge von der Genossenschaft nicht gezahlt worden seien. Die Bescheide beruhten auf dem von der Arbeitgeberin übermittelten Beitragsnachweis. Aus den Bescheiden sei ersichtlich, für welche Arbeitnehmerin und für welchen Zeitraum die Haftung geltend gemacht werde. Angaben über das beitragspflichtige Arbeitsentgelt und eine Aufschlüsselung nach Versicherungszweigen seien hier nicht erforderlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 24. November 1998 und das Urteil des SG vom 17. Dezember 1997 aufzuheben sowie die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen sehen von einer Stellungnahme ab.
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht aus den vom LSG und vom SG angeführten Gründen rechtswidrig. Für eine abschließende Entscheidung fehlen Feststellungen.
1. Die Bescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide sind inhaltlich hinreichend bestimmt und deshalb nicht wegen Verstoßes gegen § 33 Abs 1 SGB X rechtswidrig.
a) Das LSG hat seine gegenteilige Ansicht im wesentlichen mit den Anforderungen begründet, welche das Bundessozialgericht (BSG) an Bescheide von Einzugsstellen gegenüber Arbeitgebern gestellt hat. Allerdings sind solche Bescheide regelmäßig nicht erforderlich, weil die Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer melden (§§ 28a bis 28c SGB IV), getrennt davon die Beiträge nachweisen (§ 28f Abs 3 SGB IV) und sie an die Einzugsstellen abführen. Nur bei Streit hat die Einzugsstelle einen Bescheid zu erteilen (seit 1989 nach § 28h Abs 2 SGB IV, vorher nach den entsprechenden spezialgesetzlichen Vorschriften).
Ein solcher „Beitragsbescheid” gegenüber dem Arbeitgeber, in dem gleichzeitig über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe entschieden wird, muß in bezug auf die betroffenen Arbeitnehmer grundsätzlich personenbezogen sein (BSGE 37, 114 = SozR 2200 § 1399 Nr 1; BSGE 41, 297 = SozR 2200 § 1399 Nr 4; BSGE 45, 206 = SozR 2200 § 1227 Nr 10; BSGE 59, 235 = SozR 2200 § 1399 Nr 16). Das Gesetz verlangt von der Einzugsstelle eine Entscheidung über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe für bestimmte Personen in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung für eine bestimmte Zeit (BSGE 45, 206, 207 = SozR 2200 § 1227 Nr 10 S 26). Eine weitergehende Darlegung aller Berechnungselemente der Beiträge (zB der Höhe der Arbeitsentgelte und der Beitragssätze) ist in dieser Rechtsprechung nicht gefordert worden. Zur hinreichenden Bestimmtheit genügt es auch, wenn sich der notwendige Inhalt eines solchen Bescheides aus Unterlagen (zB Beitragsnachweisen oder Lohnlisten) ergibt, die spätestens bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens eingeführt worden sind (vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 72). Ob sich anderenfalls ein Arbeitgeber auf die Unbestimmtheit eines Bescheides berufen kann, der auf seinen eigenen Angaben und Berechnungen beruht, hat der Senat in dieser Entscheidung offengelassen. Ausnahmen von den genannten Bestimmtheitsanforderungen sind bei einer Verletzung von Aufzeichnungspflichten durch den Arbeitgeber in Form von Beweiserleichterungen für die Einzugsstelle bis hin zur Zulassung einer pauschalen Beitragserhebung aus Lohnsummen erwogen worden (BSGE 59, 235 = SozR 2200 § 1399 Nr 16). Dem hat der Gesetzgeber für solche Fälle mittlerweile nach Maßgabe des § 28f Abs 2 SGB IV durch die Zulassung sogenannter Summenbescheide Rechnung getragen. In § 28f Abs 3 Satz 5 SGB IV ist ferner bestimmt, daß der Beitragsnachweis des Arbeitgebers für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gilt.
Die personelle Bestimmtheit der Bescheide von Einzugsstellen gegenüber Arbeitgebern hat verfahrensrechtliche Auswirkungen: Die betroffenen Arbeitnehmer sind nach § 12 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB X von dem Verwaltungsverfahren zu benachrichtigen (hierzu BSGE 55, 160 = SozR 1300 § 12 Nr 1; BSGE 64, 145, 147, 148 = SozR 2100 § 5 Nr 3 S 4/5; vgl auch BSGE 81, 276, 287/288 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1 S 13/14) und im Prozeß nach § 75 Abs 2 Fall 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendig beizuladen. Mit der verfahrensrechtlichen Stellung der Versicherungsträger, für welche die Krankenkasse als Einzugsstelle die Beiträge ebenfalls einzieht („Fremdversicherungsträger”, hier BA und BfA), hat sich der Senat in seinem Urteil vom 1. Juli 1999 - B 12 KR 2/99 R (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR bestimmt) befaßt. Diese Versicherungsträger sind ebenfalls notwendig beizuladen.
b) Die Anforderungen an Bescheide der Einzugsstellen gegenüber den nach § 28e Abs 1 SGB IV zahlungspflichtigen Arbeitgebern sind nicht auf Bescheide zu übertragen, mit denen Einzugsstellen Personen in Anspruch nehmen, die für die Beitragsschuld von Arbeitgebern lediglich haften. Soweit aus der früheren Rechtsprechung des Senats etwas anderes entnommen werden kann (BSG SozR 1500 § 75 Nrn 41, 72), wird hieran nicht festgehalten.
Mit einem Haftungsbescheid entscheidet die Einzugsstelle nicht über die Beitragsschuld eines Arbeitgebers einschließlich der Versicherungs- und Beitragspflicht von Arbeitnehmern, sondern lediglich darüber, ob der Adressat für eine Beitragsforderung gegen den Arbeitgeber haftet. Für einen solchen Haftungsbescheid ist nur das Bestehen einer Beitragsforderung gegen den Arbeitgeber und die Haftung des Adressaten hierfür rechtsbegründend. Nur insofern gilt demnach auch das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X. Das Bestehen von Versicherungspflicht und Beitragspflicht der Arbeitnehmer sowie die richtige Beitragshöhe sind lediglich Vorfragen, über die eine Einzugsstelle in einem Haftungsbescheid nicht mit Bindungswirkung gegenüber Arbeitgeber und Arbeitnehmern entscheidet. Diese brauchen deshalb im Streit um die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides auch nicht vom Verwaltungsverfahren benachrichtigt und im Prozeß nicht notwendig beigeladen zu werden. Ein in der Rechtsprechung zu den Bescheiden gegenüber Arbeitgebern hervorgehobenes Interesse der Arbeitnehmer an der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen führt in Haftungsprozessen nicht zur Notwendigkeit ihrer Beiladung nach § 75 Abs 2 Fall 1 SGG. Hingegen sind die Fremdversicherungsträger auch in solchen Prozessen notwendig beizuladen, weil es um die Haftung für die Beiträge zu diesen Versicherungszweigen geht.
Für den Erlaß von Haftungsbescheiden mit geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit besteht in der Praxis häufig Bedarf, wenn die Beiträge bisher vom Arbeitgeber ohne Erlaß eines Bescheides entrichtet worden sind (oben a), er dann aber wirtschaftlich hierzu nicht mehr imstande ist. In diesen Fällen ist die Beitragsforderung in der Regel schon durch Beitragsnachweise oder andere Unterlagen oder Angaben des Arbeitgebers hinreichend konkretisiert. Nur auf einer solchen Grundlage ist es der Einzugsstelle überhaupt möglich, eine bestimmte Haftungssumme festzusetzen. Liegt eine Konkretisierung der Beiträge durch den Arbeitgeber vor, so muß sich der Haftende diese zurechnen lassen.
Bei dieser Auffassung wird die Rechtsverteidigung gegen Haftungsbescheide nicht unzumutbar beeinträchtigt. Der in Anspruch Genommene kann einmal geltend machen, er hafte nicht oder nur beschränkt. Er kann ferner einwenden, die Forderung, für die er haften solle, bestehe nach Grund oder Höhe nicht. Das gilt jedenfalls insofern, wie der Arbeitgeber die Beitragsforderung noch anfechten könnte.
c) Im vorliegenden Verfahren sind die angefochtenen Bescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide inhaltlich Haftungsbescheide in dem unter b) behandelten Sinne. Entgegen dem Vorbringen der Kläger in der Revisionserwiderung ändert daran die Bezeichnung der Ursprungsbescheide als „Beitragsbescheide” nichts. In den Haftungsbescheiden hat die Beklagte die Höhe der gegen die Genossenschaft geltend gemachten Beitragsforderung und der Nebenforderungen angegeben. Sie hat darin ferner mitgeteilt, daß die Beitragsforderung auf der Beschäftigung der Klägerin zu 3) als Arbeitnehmerin der Genossenschaft im Januar und Februar 1994 beruhe. Dieses reicht für die Bestimmtheit der Haftungsbescheide iS des § 33 Abs 1 SGB X und für deren Begründung nach § 35 Abs 1 Satz 1, 2 SGB X aus. Deshalb kann offenbleiben, ob die Rüge mangelnder Bestimmtheit nicht auch deswegen unbegründet wäre, weil die Beitragsforderung auf einem Beitragsnachweis der Genossenschaft beruhte, der ihr gegenüber sogar Vollstreckungstitel ist (§ 28f Abs 3 Satz 5 SGB IV) und den sich die Gründungsgenossen zurechnen lassen müssen. Eine Bezugnahme der Beklagten auf den Beitragsnachweis hätte für die Bestimmtheit allein ausgereicht. In der Sache ist die von den Klägern in erster Instanz geäußerte Ansicht, Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft könnten nicht deren versicherungspflichtig Beschäftigte sein, unzutreffend (BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 1). Unklar ist demgegenüber bisher, ob in der Krankenversicherung bei dem vom LSG festgestellten Monatsentgelt von 4.500 DM die Jahresarbeitsentgeltgrenze und die Beitragsbemessungsgrenze beachtet worden sind (§ 6 Abs 1 Nr 1 Halbsatz 1, 3, § 223 Abs 3, § 309 Abs 1, § 313 Abs 2 Satz 1 SGB V).
2. Die Haftungsbescheide gegen die Kläger sind nicht deswegen rechtswidrig, weil die Beiträge von anderer Seite gezahlt worden sind.
a) Soweit das Arbeitsamt die Beiträge nach § 141 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gezahlt hat, bleiben die Ansprüche auf diese Beiträge gegenüber dem Arbeitgeber bestehen (§ 141 Abs 2 Satz 1 AFG, jetzt § 208 Abs 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs – Arbeitsförderung ≪SGB III≫). Sie sind deshalb auch gegenüber denjenigen weiterzuverfolgen, die für die Beitragsforderung gegen den Arbeitgeber haften.
b) Zu Recht hat das LSG entschieden, daß der Haftungsbescheid entgegen der Ansicht des SG nicht schon deswegen aufzuheben war, weil die Beitragsforderung später von einem weiteren Gründungsgenossen erfüllt worden ist. Sollten die Kläger, wie von der Beklagten geltend gemacht wird, als Gesamtschuldner (§ 421 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ≪BGB≫) für die Beitragsforderung haften, so durfte die Beklagte gleichwohl an der ausgesprochenen Haftung gegenüber jedem Gesamtschuldner festhalten, auch wenn sie die Zahlung nicht noch ein weiteres Mal verlangen konnte. Die Erfüllung der Forderung durch einen der Gesamtschuldner macht ihre Festsetzung gegen andere Gesamtschuldner nicht rechtswidrig. Sollten die Kläger, was ebenfalls in Betracht kommt, nur anteilig haften, so ist die in jedem einzelnen Bescheid festgestellte Forderung zwar überhöht. Die Rechtmäßigkeit der Bescheide wird dann jedoch, soweit die Forderung jeweils als Teilschuld besteht, durch die Zahlung eines Dritten auf die gegen ihn geltend gemachte Forderung nicht beeinflußt.
3. Der Senat kann nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die angefochtenen Bescheide nach Grund und Höhe rechtmäßig sind, soweit die Kläger haften sollen.
a) Die Vorgenossenschaft hat die Geschäfte aufgenommen und die Klägerin zu 3) als Arbeitnehmerin beschäftigt. Damit ist die Vorgenossenschaft Schuldnerin der hierdurch begründeten Beitragsforderung. Eine persönliche Haftung der Kläger als Gründungsgenossen ist jedoch nicht ausgeschlossen.
Die Haftung der Kläger richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Haftung in einer Entscheidung zur Haftung von Gesellschaftern einer Vor-GmbH so umschrieben, daß nach diesen Grundsätzen derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen unbeschränkt haftet. Dieser Grundsatz gilt so lange, wie er nicht durch das Gesetz abgeändert wird oder die Gesellschafter mit dem Vertragspartner keine vertragliche Begrenzung der Haftung herbeiführen; außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle ist nicht etwa die Annahme einer unbeschränkten, sondern diejenige einer beschränkten Haftung begründungsbedürftig (BGHZ 134, 333, 335/336). Diese Regeln gelten auch für eine Genossenschaft vor ihrer Eintragung. Eine hinreichende Begründung für die von den Klägern geltend gemachte Haftungsbeschränkung auf die übernommenen Geschäftsanteile ist nicht erkennbar.
b) Die Kläger berufen sich für den Ausschluß ihrer Haftung zu Unrecht darauf, daß sie ihren Geschäftsanteil eingezahlt haben und im Statut der Genossenschaft die Nachschußpflicht nach § 105 Abs 1 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) ausgeschlossen sei. In Rechtsprechung (LG Göttingen ZIP 1995, 1104) und Literatur (Meyer/Meulenberg/Beuthien, GenG, 12. Aufl, § 13 RdNr 4) wird allerdings die Ansicht vertreten, die Genossen hafteten für Schulden einer Vorgenossenschaft, auch wenn sie endgültig nicht eingetragen werde, nur in Höhe ihrer zu leistenden Einlage, wenn im Statut die Nachschußpflicht nach § 105 Abs 1 GenG ausgeschlossen ist. Der Senat folgt dem nicht. Die Haftung der Genossen einer eingetragenen Genossenschaft ist allerdings nach Maßgabe der §§ 2, 23 und 98 ff GenG beschränkt. Diese Vorschriften schließen eine unmittelbare Haftung der Genossen für Verbindlichkeiten der Genossenschaft aus, beschränken die Haftung auf das Vermögen der Genossenschaft und sehen nur für den Fall des Konkurses (seit 1. Januar 1999: der Insolvenz) eine Nachschußpflicht im Verhältnis zur Genossenschaft vor. Die Nachschußpflicht kann außerdem nach § 6 Nr 3 iVm § 105 Abs 1 Satz 1 GenG durch das Statut ausgeschlossen werden. Diese Haftungsbeschränkungen gelten jedoch nur für die eingetragene Genossenschaft. Nach § 1 Abs 1 GenG erwerben Genossenschaften die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft nach Maßgabe dieses Gesetzes. § 13 GenG bestimmt, daß die Genossenschaft vor der Eintragung in das Genossenschaftsregister die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft nicht hat. Es ist nicht gerechtfertigt, ohne eine gesetzliche Regelung und abweichend von dem oben bezeichneten Grundsatz der unbeschränkten Haftung vor Eintragung die Haftung der Genossen auf ihren Geschäftsanteil zu beschränken.
c) Dieses wird durch einen Vergleich der Genossen einer Vorgenossenschaft mit den Gesellschaftern einer Vor-GmbH bestätigt. Die GmbH besteht nach § 11 Abs 1 des GmbH-Gesetzes (GmbHG) als solche vor ihrer Eintragung nicht. Die Rechtsstellung der GmbH vor Eintragung entspricht damit derjenigen, die die Genossenschaft vor Eintragung nach § 13 GenG hat. Die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs 2 GmbHG, die der in §§ 2, 23 GenG entspricht, gilt vor Eintragung der GmbH nicht (BGHZ 134, 333). Dieser Rechtsprechung des BGH haben sich das Bundesarbeitsgericht (BAGE 85, 94 und 86, 38), der Bundesfinanzhof (BFHE 185, 356) und der erkennende Senat im Urteil vom 8. Dezember 1999 (B 12 KR 10/98 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) angeschlossen. Der BGH hat zur Begründung angeführt, bei einer Beschränkung der Haftung schon für die nicht eingetragene GmbH würde sich die Bedeutung der Handelsregistereintragung auf die Umwandlung der Vorgesellschaft in eine juristische Person, also einen rein formalen Aspekt beschränken (BGHZ 134, 333, 336). Dieses trifft für die Haftung und eine mögliche Haftungsbeschränkung bei der Genossenschaft vor ihrer Eintragung ins Genossenschaftsregister ebenfalls zu.
d) Gegen die Gleichstellung von Vorgenossenschaft und Vor-GmbH hinsichtlich der Haftung der Genossen und der Gesellschafter kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, daß nur die GmbH ein Stammkapital in einer Mindesthöhe haben müsse und die Gläubiger deshalb nur bei der GmbH mit einer bestimmten Haftungssumme rechnen könnten. Zutreffend ist, daß die Gläubiger bei Geschäften mit der Vor-GmbH von einer garantierten Haftungssumme ausgehen können. Denn für die GmbH sind nach § 5 Abs 1 GmbHG in der hier geltenden Fassung ein Mindestbetrag des Stammkapitals (50.000 DM) und nach § 7 Abs 2 GmbHG schon vor der Anmeldung eine Mindesteinzahlung auf dieses Stammkapital vorgeschrieben. Die Genossenschaft braucht demgegenüber im Statut keinen bestimmten Mindestbetrag der Geschäftsanteile und der hierauf zu leistenden Einzahlungen vorzusehen (§ 7 Nr 1 GenG). Daraus kann indes nicht hergeleitet werden, die Genossenschaft biete ihren Gläubigern keine hinreichende Sicherheit, so daß auch eine Haftung der Genossen nicht gerechtfertigt sei. Vielmehr gewährleisten die Eintragungsvoraussetzungen nach dem GenG den Gläubigern in bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vorgenossenschaft eine Sicherheit, die der durch das Mindeststammkapital vermittelten Sicherheit bei der Vor-GmbH vergleichbar ist. Nach § 11 Abs 2 Nr 3 GenG müssen schon der Anmeldung zur Eintragung beigefügt werden: Eine Bescheinigung eines Prüfungsverbandes, daß die Genossenschaft zum Beitritt zugelassen ist, sowie eine gutachtliche Äußerung des Prüfungsverbandes, ob nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der Vermögenslage der Genossenschaft, eine Gefährdung der Belange der Genossen oder der Gläubiger der Genossenschaft zu besorgen ist. Trifft dieses zu, hat das Gericht die Eintragung abzulehnen (§ 11a Abs 2 GenG). Bei einer ernsthaft betriebenen Eintragung der Genossenschaft können die Gläubiger einer Vorgenossenschaft deshalb davon ausgehen, daß ihnen mit dem Vermögen der Vorgenossenschaft eine ausreichende Haftungsgrundlage zur Verfügung steht.
e) Eine Haftungsbeschränkung der Genossen schon für die Tätigkeit der Vorgenossenschaft im Gegensatz zur unbeschränkten Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH kann schließlich nicht damit begründet werden, nur bei der GmbH entspreche die unbeschränkte Verlustdeckungshaftung vor Eintragung der ebenfalls unbeschränkten Unterbilanzhaftung nach Eintragung (vgl zur Unterbilanzhaftung BGHZ 80, 129; zum Gleichlauf von Verlustdeckungshaftung vor Eintragung und Unterbilanzhaftung nach Eintragung BGHZ 134, 333, 339). Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob auch für die eingetragene Genossenschaft nach Eintragung eine Unterbilanzhaftung anzunehmen ist oder ob dem die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Haftung der Genossen und der Genossenschaft nach der Eintragung für Schulden der Vorgenossenschaft entgegensteht (BGHZ 17, 385 und 20, 281; vgl auch zum Ausschluß des Anspruchs auf erneute Einzahlung auf den Geschäftsanteil BGHZ 15, 66). Ebensowenig ist zu entscheiden, ob der letztgenannten Rechtsprechung nach den nunmehr geltenden Grundsätzen zur Haftung der Gesellschafter für Schulden der Vor-GmbH noch zu folgen wäre. Denn eine der wesentlichen Begründungen dafür, daß zugunsten der Gesellschafter der Vor-GmbH bei gescheiterter Eintragung keine Haftungsbeschränkung eingreift, ist der Umstand, daß sonst die Eintragung nur noch formale Bedeutung hätte (oben c). Dies trifft bei der Genossenschaft gleichermaßen zu.
f) Bei der Ausgestaltung der Haftung ist jedoch, auch wenn sich die Kläger hier nicht auf die Haftungsbeschränkung nach Maßgabe der §§ 2, 23 und 98 ff GenG berufen können, zu berücksichtigen, daß ihre Vorgenossenschaft die Vorstufe der eingetragenen Genossenschaft war und schon deren körperschaftliche Struktur aufwies. Für die Vor-GmbH legt der BGH aus diesem Grunde für die Haftung der Gesellschafter ein besonderes Haftungskonzept zugrunde, das vom BAG, BFH und vom BSG übernommen worden ist (BGHZ 134, 333; BAGE 85, 94; 86, 38; BFHE 185, 356; Urteil des Senat vom 8. Dezember 1999 - B 12 KR 10/98 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Gesellschafter der Vor-GmbH haften grundsätzlich nur im Innenverhältnis zur Gesellschaft entsprechend ihrem Gesellschaftsanteil, aber der Höhe nach unbeschränkt. Diese Innenhaftung kann sich, insbesondere bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft, in eine anteilige unbeschränkte Außenhaftung wandeln. Die Gesellschafter haften schließlich als Gesamtschuldner unbeschränkt nach den §§ 705 ff BGB oder § 128 des Handelsgesetzbuchs (HGB), wenn die Vor-GmbH sich als unechte Vorgesellschaft erweist. Dies ist der Fall, wenn die Eintragung von vornherein nicht ernstlich beabsichtigt war oder die Eintragungsabsicht später aufgegeben worden ist, die Geschäfte aber gleichwohl weiterbetrieben worden sind. Das vorstehende Haftungskonzept ist auch auf die Vorgenossenschaft anzuwenden. Es trägt der körperschaftlichen Struktur der Genossenschaft am ehesten Rechnung. Die Gläubiger der Vorgenossenschaft werden grundsätzlich auf eine Inanspruchnahme der Vorgenossenschaft verwiesen und können nur ausnahmsweise die Genossen selbst belangen.
Entsprechend diesem Konzept haften die Genossen, mit deren Einverständnis die Genossenschaft vor Eintragung ihre Tätigkeit aufgenommen hat, für die Schulden der Vorgenossenschaft unbeschränkt, aber nur ihrem Geschäftsanteil entsprechend im Wege der Innenhaftung, also der Genossenschaft gegenüber. Ist die Vorgenossenschaft jedoch vermögenslos, haften sie unbeschränkt, aber ebenfalls nur anteilig im Wege der Außenhaftung, also Gläubigern wie der Beklagten gegenüber. Bestand eine unechte Vorgenossenschaft, so haften sie entweder nach den über § 54 Satz 1 BGB anzuwendenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des BGB (§§ 705 ff BGB, vgl zum Umfang der Gesellschafterhaftung bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts jetzt BGH, Urteil vom 27. September 1999 - II ZR 371/98 = NJW 1999, 3843) oder, wenn die nicht eingetragene Genossenschaft aufgrund der handelsrechtlichen Vorschriften als Offene Handelsgesellschaft (OHG) zu beurteilen ist, als deren Gesellschafter nach § 128 HGB unbeschränkt als Gesamtschuldner (zum Umfang der Haftung bei der unechten Vorgesellschaft BAGE 86, 38, 42, 43).
g) Das LSG hat bisher keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Genossenschaft ihre Tätigkeit mit Einverständnis der Kläger zu 1) und 2) aufgenommen hat. Bei der Klägerin zu 3) lag dieses Einverständnis vor, weil sie selbst als Arbeitnehmerin für die Genossenschaft tätig geworden ist. Soweit bei den Klägern das Einverständnis gegeben war, wird das LSG zunächst zu prüfen haben, ob eine unechte Vorgenossenschaft bestanden hat. In diesem Fall haften die Kläger der Beklagten unbeschränkt als Gesamtschuldner. Hat keine unechte Vorgenossenschaft bestanden, ist zu prüfen, ob die Genossenschaft vermögenslos ist. Dies ist anzunehmen, wenn die Gesamtvollstreckung eingestellt worden ist, weil die Kosten des Verfahrens nicht gedeckt werden können (§ 19 Abs 1 Nr 3 der Gesamtvollstreckungsordnung). In diesem Fall würden die Kläger bei Einverständnis mit der Geschäftsaufnahme der Beklagten entsprechend ihrem Geschäftsanteil haften.
Da der Senat die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen selbst nicht treffen kann, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung vorbehalten, die das Verfahren abschließt.
Fundstellen
Haufe-Index 542739 |
BSGE, 200 |
DStR 2000, 744 |
DStZ 2000, 427 |
FA 2000, 172 |
NZG 2000, 611 |
AuA 2000, 392 |
SozSi 2000, 400 |
ZfgG 2002, 238 |