Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsberechnung bei nachträglicher Lohnabrechnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Arbeitsentgelt ist - unabhängig vom Zeitpunkt der Abrechnung und Auszahlung - für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge in dem Zeitabschnitt zu berücksichtigen, in dem es tatsächlich erzielt worden ist.
2. Sofern ein Arbeitgeber zunächst nur Abschlagszahlungen leistet und die endgültige Lohnabrechnung erst zu einem späteren Zeitpunkt vornimmt, sind die nachgezahlten Entgeltteile beitragsrechtlich auf die Zeiträume zu verteilen, in denen die entsprechenden Arbeiten ausgeführt wurden.
3. Bei verspäteter Lohnabrechnung braucht der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge für die noch nicht ausgezahlten Entgeltteile erst dann zu entrichten, wenn die Abrechnung vorgenommen und der Restlohn ausgezahlt worden ist.
Leitsatz (amtlich)
Wird bei Stücklohnarbeiten ein Teil des Entgelts (Akkordspitze) erst in einer späteren Lohnperiode ausgezahlt, so ist dieser Entgeltteil für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge in der Lohnperiode zu berücksichtigen, in dem er erzielt worden ist; Beiträge sind davon jedoch erst im Zeitpunkt der Auszahlung zu entrichten.
Normenkette
RVO § 160 Fassung: 1941-07-01, § 385 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1956-06-12
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. April 1971 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger, der ein Ofenbau- und Fliesenlegergeschäft betreibt, beschäftigt mehrere Fliesenleger, die gegen Stücklohn arbeiten. Die Abrechnung und Bezahlung des Stücklohns erfolgte in den Jahren 1967 und 1968 gemäß § 6 Abs. 1 des Tarifvertrages für das Fliesen- und Plattenlegergewerbe bei kleineren Arbeiten innerhalb von vierzehn Tagen, bei größeren innerhalb von vier Wochen nach vollständiger Fertigstellung. Die vorher für Stücklohnstunden gezahlten Löhne waren als Abschlagszahlungen zu betrachten. Die Auszahlung des Überschusses erfolgte erst nach vollständiger Fertigstellung und Abrechnung.
Aufgrund dieser Regelung gewährte der Kläger seinen Fliesenlegern zunächst jeweils monatliche Abschlagszahlungen, den Rest des erzielten Stücklohnes (die sogenannten Akkordspitzen) zahlte er ihnen zwei bzw. vier Wochen nach vollständiger Fertigstellung der jeweiligen Arbeiten aus. Die Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung entrichtete der Kläger nach den monatlichen Abschlagszahlungen einschließlich der in diesen Monaten ausbezahlten Stücklohnspitzen. Das hatte häufig zur Folge, daß in den Lohnperioden, in denen die Stücklohnarbeiten abgerechnet wurden, die Beitragsbemessungsgrenzen überschritten wurden.
Durch Bescheid vom 7. Februar 1969 forderte die Beklagte vom Kläger für die Jahre 1967 und 1968 Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung im Betrage von 931,32 DM mit der Begründung nach, daß die vom Kläger ausbezahlten Akkordspitzen jeweils auf die Lohnperiode zu verteilen seien, in denen die entsprechenden Stücklohnarbeiten ausgeführt wurden. Durch diese Verteilung ergebe sich, daß der Kläger noch Beiträge in Höhe von 931,32 DM nachzuzahlen habe. Der Widerspruch wurde am 23. Juli 1969 zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Für die Berechnung des Beitrags zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung sei das Arbeitsentgelt maßgebend, das der Arbeitnehmer in der Lohnperiode verdient habe. Es müsse daher jeweils das Arbeitsentgelt zugrundegelegt werden, das die Arbeitnehmer des Klägers durch ihre in den einzelnen Monaten geleistete Arbeit verdient hätten. Daß der Kläger den in einer Lohnperiode erzielten Stücklohn zum Teil erst später abrechne und ausbezahle, sei ohne Einfluß auf die Höhe seiner Beitragsschuld. Das Recht zur späteren Auszahlung des in der Lohnperiode erzielten Arbeitsentgeltes oder eines Teils davon wirke sich nur auf die Fälligkeit der Beitragsschuld aus. Denn der Arbeitgeber sei grundsätzlich nicht verpflichtet, Beiträge vor Fälligkeit des Arbeitsentgelts zu entrichten, von dem die Beiträge abzuführen seien. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Er trägt vor: Das Arbeitsentgelt könne erst dann als "in der Lohnperiode verdient" bezeichnet werden, wenn der Anspruch sowohl dem Grunde ... als auch der Höhe nach voll entstanden sei. Nur bei einem der Höhe nach bereits bestehenden Anspruch könne die Fälligkeit hinausgeschoben werden. Die Ansprüche der Arbeitnehmer seien mit der Ausführung der Arbeiten zwar dem Grunde, nicht aber der Höhe nach entstanden, wie sich eindeutig aus dem Tarifvertrag ergebe. Die Stücklohnabrechnung sei Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs der Höhe nach. Solange sie nicht vorliege, sei der Anspruch der Höhe nach nicht entstanden.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 1. April 1971 und des SG Augsburg vom 13. März 1970 sowie die Bescheide des Beklagten vom 7. Februar und 23. Juli 1969 aufzuheben.
Die Beklagte sowie die Beigeladenen (Bundesanstalt für Arbeit und Landesversicherungsanstalt S) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 385 Abs. 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sind die Beiträge zur Krankenversicherung nach dem "Grundlohn" zu berechnen. Das gleiche galt während der hier fraglichen Zeit (1967 und 1968) für die Berechnung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (§ 164 Abs. 2 Nr. 1 des hier noch anwendbaren Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung). Für die Berechnung der Rentenversicherungsbeiträge ist dagegen bei versicherungspflichtigen Arbeitern das "Bruttoarbeitsentgelt" maßgebend (§ 1385 Abs. 3 iVm § 160 RVO). Dieser Unterschied (Grundlohn einerseits, Bruttoarbeitsentgelt andererseits) ist indessen für den vorliegenden Fall unerheblich, da als Grundlohn nach § 180 Abs. 1 Satz 2 RVO der auf den Kalendertag entfallende Teil des Arbeitsentgelts gilt.
Wie das der Beitragsberechnung zugrunde zu legende (Brutto-) Arbeitsentgelt zeitlich zu verteilen ist, richtet sich danach, wann es erzielt worden ist. Entscheidend ist also der Zeitraum, in dem die betreffenden Arbeiten ausgeführt worden sind, und nicht der, in dem abgerechnet worden ist. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die spätere Lohnabrechnung sich nur auf die Fälligkeit, nicht aber auf die Entstehung des Lohnanspruches und damit nicht auf die Erzielung des Entgelts ausgewirkt. Der vom Kläger nachträglich abgerechnete und gezahlte Stücklohn ist deshalb Entgelt für die Monate, in denen er verdient wurde, auch wenn zunächst nur Abschlagszahlungen erfolgten und die endgültige Abrechnung erst später vorgenommen wurde. Die nachträgliche Abrechnung hat bei der Beitragsberechnung jeweils von dem Entgelt der einzelnen Lohnperioden auszugehen, in denen die Stücklohnarbeiten ausgeführt worden sind. Die Rechtslage ist also ähnlich zu beurteilen wie bei der Nachzahlung von laufendem geschuldeten Arbeitslohn. Hierzu hat der Senat in BSG 22, 162 ausgesprochen, daß bei verspäteter Zahlung geschuldeten Lohnes der nachgezahlte Betrag auf die Lohnperioden zu verteilen ist, auf die er entfällt; anderenfalls würden die versicherungsrechtlichen Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer durch die verspätete Lohnzahlung verkürzt werden (aaO S. 168).
Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Kläger als Arbeitgeber Beiträge von einem noch nicht abgerechneten Entgelt zu entrichten hat. Wie der Senat schon in anderem Zusammenhang entschieden hat, braucht der Arbeitgeber die Beiträge nicht vor der tatsächlichen Auszahlung des Arbeitsentgelts zu leisten (vgl. BSG 22, 162, 168). Auch der Kläger hat daher die Beiträge für die nachträglich abgerechneten Stücklohnarbeiten erst abzuführen, wenn die Abrechnung vorgenommen und das entsprechende Entgelt gezahlt worden ist.
Da die beklagte Krankenkasse die Beiträge entsprechend berechnet hat, muß die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes zurückgewiesen werden.
Fundstellen
BB 1971, 1567 (LT1) |
RegNr, 4223 |
USK, 71152 (ST1-3) |
AP § 611 BGB Akkordlohn (LT1), Nr 22 |
BKK 1971, 329 (LT1) |
Breith 1972, 273 (LT1) |
Die Beiträge 1971, 380 (LT1) |
EzS, 55/4 |
SozR § 385 RVO (LT1), Nr 6 |