Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 23.11.1993) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 23. November 1993 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung seiner Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) wegen der Tätigkeit der Landesbildstelle Berlin.
Die Landesbildstelle ist eine Einrichtung der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport. Mit Bescheid vom 1. März 1989 stellte die Beklagte die Abgabepflicht des Klägers seit dem 1. Januar 1983 fest. Zur Begründung gab sie an, die Landesbildstelle betreibe eine Galerie bzw einen Kunsthandel. Mit Änderungsbescheid vom 14. April 1989 änderte sie die Begründung für die Abgabepflicht dahin ab, daß die Landesbildstelle ein Museum betreibe. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 1990 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Feststellung der Abgabepflicht zurück; nunmehr gab sie als Begründung an, die Landesbildstelle betreibe einen Bilderdienst. Der Kläger hat den Widerspruchsbescheid nicht mit der Klage angefochten. Im Rahmen der Ermittlung der Abgabenhöhe (Abgabenbescheid vom 15. Juni 1989) beschrieb die Landesbildstelle ihre Tätigkeiten wie folgt: Herausgabe kostenloser Begleitmaterialien zu audio-visuellen Medien und Herstellung von Tonträgern für den Sprachunterricht und von Videobändern für den Literaturunterricht. Daraufhin ergänzte die Beklagte mit Bescheid vom 17. August 1990 die Begründung für die Abgabepflicht des Klägers dahingehend, daß dieser auch einen Verlag sowie die Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern betreibe. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. März 1991). Urteil und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 8. Januar 1993 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Berlin vom 23. November 1993). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei abgabepflichtig, weil die Landesbildstelle einen Verlag sowie eine Presseagentur einschließlich Bilderdienst betreibe und darüberhinaus bespielte Bild- und Tonträger herstelle. Bei der Landesbildstelle handele es sich auch um ein Unternehmen iS des Sozialversicherungsrechts. Nach der gesetzlichen Definition des Unternehmens komme es auf die Erzielung von Einnahmen nicht an. Selbst wenn man auf das Merkmal der Einnahmeerzielung abstelle, reiche es aus, daß dem Unternehmen Mittel zur Verfügung gestellt würden, die es in die Lage versetzten, seiner Aufgabe nachzukommen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 24 Abs 1 Nr 1 und 5 KSVG. Der Kläger unterliege der Abgabepflicht nicht, weil die Tätigkeit der Landesbildstelle nicht auf die Erzielung von Einnahmen, schon gar nicht auf Gewinn, ausgerichtet sei. Den Ausgaben von rund 14,8 Millionen DM im Haushaltsjahr 1991 stünden Einnahmen von nicht einmal 180.000,00 DM gegenüber. Der Kläger erfülle mit der Landesbildstelle ihm originär obliegende Aufgaben der Daseinsvorsorge. Hierfür setze er in erster Linie angestellte bzw beamtete Mitarbeiter ein. An freie Mitarbeiter seien im Jahre 1992 lediglich Entgelte iH von 82.790,40 DM gezahlt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Januar 1993 und das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 23. November 1993 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. August 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1991 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 23. November 1993 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger dem Grunde nach der Abgabepflicht nach dem KSVG unterliegt.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist, wie das LSG zutreffend festgestellt hat, der Bescheid der Beklagten vom 17. August 1990 idF des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1991, mit dem die Beklagte die Abgabepflicht für das ganze Unternehmen „Landesbildstelle” ab dem Jahre 1983 dem Grunde nach festgestellt hat unter dem Gesichtspunkt „Verlag” sowie „Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern” (§ 24 Abs 1 Satz 1 Nr 5 KSVG idF vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2306 = KSVG 1989). Die zuvor angenommene Würdigung der Tätigkeit als Galerie/Kunsthandel (Bescheid vom 1. März 1989) und Museum (Bescheid vom 14. April 1989) wurde nicht aufrechterhalten. Entgegen der Annahme der Beklagten liegt hierin keine Umdeutung nach § 43 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X), sondern nur eine Ergänzung der Begründung, weil sich der Verfügungssatz nicht geändert hat und Ermessenerwägungen keine Rolle spielen.
Die Klage ist nicht schon deshalb unbegründet, weil die Feststellung der Abgabepflicht (aufgrund des Bescheids vom 1. März 1989 idF des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 1990) bei Erlaß des hier angefochtenen Bescheids bereits bindend war. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid erneut über das Bestehen der Abgabepflicht dem Grunde nach ab 1983 entschieden und damit den Rechtsweg erneut eröffnet. Die im Feststellungsbescheid genannte Begründung für die Abgabepflicht schränkt den Umfang der gerichtlichen Prüfung nur ausnahmweise ein, wenn damit die Abgabepflicht auf einen bestimmten, organisationsmäßig abgrenzbaren Teilbereich des Unternehmens begrenzt werden soll (vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 7). Die Beklagte wollte jedoch auch mit den früheren Bescheiden jeweils die gesamte Tätigkeit der Landesbildstelle erfassen. Der Wechsel der Begründungen beruht allein auf der zunächst unzureichenden Kenntnis der Beklagten vom Tätigkeitsbereich der Landesbildstelle.
2. Das LSG ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen, die von der Revision nicht angegriffen werden, zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger ein Unternehmen betreibt, das ab 1983 zunächst nach § 24 Abs 1 Nr 1 und 3 KSVG idF vom 27. Juli 1981 (BGBl I 705 = KSVG 1981) und ab 1989 nach § 24 Abs 1 Nr 1 und 5 KSVG 1989 der Abgabepflicht unterliegt. Die Landesbildstelle entfaltet Tätigkeiten, die in diesen Vorschriften aufgeführt sind. Dies stellt die Revision nicht in Abrede. Sie wendet sich jedoch dagegen, daß diese Einrichtung als Unternehmen iS des § 24 Abs 1 KSVG eingestuft wird. Sie erziele keinen Gewinn und ihre Ausgaben iH von 14,8 Millionen DM würden ganz überwiegend nur aus Haushaltszuweisungen finanziert; die Fremdeinnahmen erreichten noch nicht einmal 1 vH des Gesamtausgabevolumens.
Die fehlende Gewinnerzielung und die Tatsache, daß die Einrichtung eines Hoheitsträgers ganz überwiegend aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert wird und nur in einem unbedeutenden Umfang Einnahmen in Form von Nutzungsgebühren erzielt werden, steht der Unternehmenseigenschaft nicht entgegen. Soweit die Rechtsprechung für den Unternehmensbegriff des KSVG neben einer nachhaltigen, dh nicht nur gelegentlichen Tätigkeit, die Absicht der Erzielung von Einnahmen gefordert hat (BSGE 69, 259, 263 = SozR 3-5425 § 24 Nr 1 und Urteil vom 8. Dezember 1988, 12 RK 8/88), hat sie es als ausreichend angesehen, wenn zwischen der Verwertung künstlerischer oder publizistischer Leistungen und der Erzielung von Einnahmen nur eine mittelbare Verbindung besteht. Es genügt, daß die Kunstverwertung im Zusammenhang mit Aufgaben steht, die aus Haushaltszuweisungen, aus Beiträgen oder aus anderen Einnahmen finanziert werden (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 6 und 8).
Die Revision hält der Einstufung von zugewiesenen Haushaltsmitteln als Einnahmen zu Unrecht entgegen, dies sei mit der verfassungsrechtlichen Legitimation der Künstlersozialabgabe nicht zu vereinbaren; nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫ (SozR 5425 § 1 Nr 1) sei die Erzielung von (externen) Einnahmen notwendig, um die besondere Solidaritätspflicht der Vermarkter künstlerischer oder publizistischer Leistungen mit selbständigen Künstlern oder Publizisten begründen zu können. Die spezifische Solidaritäts-oder Verantwortungsbeziehung zwischen selbständigen Künstlern und Publizisten auf der einen und den Vermarktern von Kunst und Publizistik auf der anderen Seite beruht indessen, wie sich auch der Entscheidung des BVerfG (aa0) entnehmen läßt, nicht darauf, daß derjenige, der Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten in Anspruch nimmt, hierdurch Gewinne erzielt oder überhaupt erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgt, sondern darauf, daß der Kunstverwerter, der sich der Werke selbständiger Künstler zur Erfüllung seiner Zwecke bedient, eine arbeitgeberähnliche Position einnimmt. Der Gesetzgeber hat, ausgehend von der Entscheidung des BVerfG, zu Recht angenommen, daß für die Künstlersozialabgabe nicht eine Vermarktung künstlerischer oder publizistischer Leistungen maßgebend ist, sondern deren Inanspruchnahme und Verwertung für eigene Zwecke (BT-Drucks 11/2964, S 13). Diese können auch, wie bei der Klägerin, in der Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge, etwa der Wahrnehmung eines Bildungsauftrags, bestehen. § 24 Abs 1 KSVG unterwirft Unternehmen ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in der sie betrieben werden, der Abgabepflicht; öffentlich-rechtliche Unternehmen werden nicht ausgeklammert. Dies gilt auch für den Fall, daß sie bei der Verwertung von Kunst oder Publizistik gerade in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe tätig werden. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang deutlich gemacht, daß die Einbeziehung derartiger Unternehmen in die Abgabepflicht nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht (SozR 3-5425 § 24 Nr 6). Stellte man in diesem Zusammenhang darauf ab, ob bei der Verwertung Fremdeinnahmen erzielt werden, dh Einnahmen, die von den Abnehmern der künstlerischen Leistungen erbracht werden, und ließe man die Zuweisung von Haushaltsmitteln für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben nicht ausreichen, so ergäbe sich eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung gerade der öffentlichen Auftraggeber, obgleich sich ihre Stellung im Verhältnis zu den selbständig Kulturschaffenden von derjenigen privater Auftraggeber nicht unterscheidet (vgl hierzu auch BSG SozR 5425 § 24 Nr 6). Diese Auffassung hat der erkennende Senat mit Urteil vom 12. April 1995 (3 RK 4/94) nochmals bestätigt.
Der Landesbildstelle werden Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, mit denen sie Tätigkeiten betreibt, die nach § 24 Abs 1 KSVG typischerweise mit der Inanspruchnahme künstlerischer oder publizistischer Leistungen verbunden sind. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Kunstverwertung und Einnahmeerzielung, wie er nach dem KSVG 1989 für die Abgabepflicht sonstiger Unternehmer nach § 24 Abs 2 KSVG nF vorausgesetzt wird, war auch unter der Geltung des KSVG 1981 (einschließlich der Änderungen durch das Gesetz vom 18. Dezember 1987, BGBl I 2794) für die Zeit bis zum 31. Dezember 1988 bei solchen Unternehmen, die zu den typischen Verwertern von Kunst und Publizistik zählen – und seinerzeit allein abgabepflichtig waren – nicht erforderlich (aA Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl, § 24 RdNr 17 f). Das KSVG 1981 sah in § 24 Abs 2 Nr 2 als abgabepflichtig an: Unternehmer und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Musikschulen oder Museen betreiben. Dies läßt nicht den Schluß zu, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts bei fehlendem unmittelbaren Zusammenhang von Einnahmeerzielung und Kunstverwertung nur dann der Abgabepflicht unterlagen, wenn sie eines der in § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG 1981 im einzelnen aufgeführten künstlerischen Unternehmen betrieben, nicht aber als Betreiber eines der in Abs 1 aufgeführten Unternehmen, zu denen die hier einschlägigen zählen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts gehörten auch nach dem KSVG 1981 zu den Unternehmern iS des § 24. Ihre besondere Erwähnung in § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG 1981 diente lediglich der Verdeutlichung. Sie sollte klarstellen, daß auch juristische Personen des öffentlichen Rechts als Betreiber abgabepflichtiger Unternehmen in Betracht kamen (BSGE 64, 221, 224 = SozR 5425 § 24 Nr 2). In der Begründung zum Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1988 (aaO) wird die ausdrückliche Erwähnung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts als nicht erforderlich bezeichnet (BT-Drucks 11/2964, S 18). Handelte es sich bei der Landesbildstelle demnach auch unter der Geltung des KSVG 1981 um ein Unternehmen iS des § 24 Abs 1, so reichten auch seinerzeit die zugewiesenen Haushaltsmittel aus, um von einer Einnahmeerzielung ausgehen zu können.
Dies steht nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des früher für das KSVG zuständig gewesenen 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG). Zwar hat dieser bei einem öffentlich-rechtlichen Unternehmer, der ein Volksbildungswerk betrieb, vorausgesetzt, daß mit der Tätigkeit Einnahmen erzielt werden sollen und dies im entschiedenen Fall als gegeben angesehen, weil mit veranstalteten Konzerten Einnahmen erzielt worden seien (Urteil vom 8. Dezember 1988, 12 RK 8/88). Dies läßt jedoch nicht den Schluß zu, der 12. Senat habe allein Fremdeinnahmen als ausreichend angesehen, nicht dagegen Zuweisungen durch den Träger einer Einrichtung. Hierauf kam es in der genannten Entscheidung ebensowenig an, wie in dem am selben Tag ergangenen Urteil in der Sache 12 RK 1/86 (BSGE 64, 221, aaO), das ebenfalls einen öffentlich-rechtlichen Unternehmer betraf. Bei einer kommunalen Musikschule ist der 12. Senat ohne weiteres von der Abgabepflicht ausgegangen. In bezug auf die Notwendigkeit der Erzielung von Einnahmen hat er lediglich erwähnt, die Tatsache, daß mit der Musikschule keine Gewinne erzielt, sondern Zuschüsse benötigt wurden, stehe der Abgabepflicht nicht entgegen (BSGE 69, 259, 262 und 263).
Die Zugehörigkeit der Landesbildstelle zum Kreis der Unternehmen, die typischerweise künstlerische oder publizistische Leistungen in Anspruch nehmen, genügt, um ihre Abgabepflicht dem Grunde nach festzustellen zu können. Die Tatsache, daß sie Leistungen selbständiger Künstler und Publizisten im Vergleich zum Gesamtumfang ihrer Tätigkeiten nur in relativ geringfügigem Umfang in Anspruch nimmt, steht dem nicht entgegen. Die tatsächliche Inanspruchnahme solcher Leistungen gegen Entgelt gehört nicht zum Tatbestand der Abgabepflicht nach § 24 KSVG (BSG SozR 5425 § 24 Nr 3 und Urteil vom 25. Januar 1995, 3/12 RK 61/93 zur Veröffentlichung vorgesehen). Sie ist allein für die Höhe der Abgabeschuld maßgebend.
Da die Klägerin damit der Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 Nr 1 und 3 KSVG 1981 und § 24 Abs 1 Nr 1 und 5 KSVG 1989 unterliegt, kann offen bleiben, ob daneben auch Abs 2 der Vorschrift die Abgabepflicht begründet.
Das Vorbringen der Revision, bei der Landesbildstelle handele es sich um ein Unternehmen iS der Generalklausel in § 24 Abs 2 KSVG 1989, das der Abgabepflicht aber nicht unterliege, weil es Leistungen selbständiger Künstler und Publizisten nur relativ selten und nicht mit dem Ziel der Einnahmeerzielung nutze, ist danach ohne Bedeutung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Fundstellen