Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. freiwillige Krankenversicherung. Ausschluss von der Familienversicherung. Systemabgrenzung gesetzliche/private Krankenversicherung. Systemabgrenzung soziale/private Pflegeversicherung. Beiträge nach Mindesteinnahmen. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt nicht gegen Grundrechte, wenn minderjährige einkommenslose Kinder, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, in der sozialen Pflegeversicherung zu Beiträgen nach Mindesteinnahmen herangezogen werden.
Normenkette
SGB V § 9 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1988-12-20, Abs. 2 Nr. 2, § 10 Abs. 3 Hs. 1, § 240 Abs. 4 S. 1; SGB XI § 20 Abs. 3, §§ 22, 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 56 Abs. 1, § 57 Abs. 4 S. 1, § 110 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f., Abs. 3 Nr. 6; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. November 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht der Kläger in der sozialen Pflegeversicherung.
Die 1988 geborene Klägerin zu 1) und der 1991 geborene Kläger zu 2) sind seit der Geburt bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) freiwillig krankenversichert und deshalb Pflichtversicherte der Beklagten in der sozialen Pflegeversicherung. Ihre Mutter war zunächst ebenfalls bei der DAK freiwillig krankenversichert, sodann nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit pflichtversichert. Der Vater der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt bei einem privaten Versicherungsunternehmen kranken- und pflegeversichert. Sein Bruttoeinkommen überstieg im Jahre 1995 die Jahresarbeitsentgeltgrenze von DM 70.200 (monatlich DM 5.850) in der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit Bescheiden vom 9. Januar 1995 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Kläger in der sozialen Pflegeversicherung fest. Gleichzeitig stellte sie fest, dass für die Kläger ab 1. Januar 1995 monatliche Beiträge in Höhe von je DM 13,54 zu entrichten seien. Die Beklagte legte der Beitragsbemessung für die Kläger in entsprechender Anwendung des § 240 Abs 4 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) jeweils Mindesteinnahmen in Höhe von DM 1.353,33 monatlich zu Grunde.
Widerspruch, Klage und Berufung der Kläger sind jeweils erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 9. November 1995, Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 11. Februar 2003, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 6. November 2003). Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Heranziehung der Kläger zu Beiträgen in der sozialen Pflegeversicherung verletze nicht Grundrechte. Mit der Anordnung der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung habe der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Das gelte auch, soweit die Versicherungspflicht Personen jüngeren Alters ohne Erwerbseinkommen erfasse und diese außerdem einer Beitragspflicht unterwerfe. Die Verpflichtung der Kläger zur Zahlung von Mindestbeiträgen benachteilige diese zwar gegenüber Kindern, die im Rahmen der Familienversicherung in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung beitragsfrei mitversichert seien. Hierfür bestünden jedoch sachliche Gründe, weil das Schutzbedürfnis freiwilliger Mitglieder, deren Krankenversicherung von den Pflichtversicherten nicht mitgetragen werden solle, geringer sei. Die Kläger seien dem Einzugsbereich der privaten Kranken- und Pflegeversicherung zugeordnet. Dass eine verfassungsrechtlich relevante Überforderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Familie der Kläger vorliege, sei nicht vorgetragen worden. Demgemäß sei die mit der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung verbundene Beitragsbelastung in der sozialen Pflegeversicherung hinzunehmen. Sachverhalte wie der vorliegende seien nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 3. April 2001 gewesen, die sich mit der Beitragshöhe kindererziehender Eltern in der sozialen Pflegeversicherung befasst habe (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2).
Die Kläger haben Revision eingelegt und begründen diese im Wesentlichen verfassungsrechtlich. Der Ausschluss von der Familienversicherung und ihre Verpflichtung, Beiträge nach Mindesteinnahmen zu entrichten, verstießen gegen Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Die Personengruppe, die sie repräsentierten, werde ohne sachlichen Grund gegenüber Kindern, die in der sozialen Pflegeversicherung familienversichert seien, bzw solchen, die in der privaten Pflegeversicherung versichert seien, und jeweils keine Beiträge zu entrichten hätten, benachteiligt. Verfassungsrechtlich ohne Bedeutung sei, dass sie sich nach § 22 des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) von der Versicherungspflicht befreien lassen und beitragsfrei in der privaten Pflegeversicherung versichern könnten. Ihre rechtliche Behandlung in der Pflegeversicherung verstoße auch deshalb gegen den Gleichheitssatz, weil die zu Grunde liegenden Vorschriften systemwidrig seien. Sei es in der gesetzlichen Krankenversicherung noch vertretbar, dass freiwillig versicherte Kinder trotz ihrer Einkommenslosigkeit Beiträge zahlten, so gelte das nicht für die soziale Pflegeversicherung, weil diese auf dem so genannten Dreigenerationenvertrag beruhe. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die Beiträge mangels eigenen Einkommens der Kinder letztlich von den Eltern zu tragen seien. In seinem Urteil vom 3. April 2001 habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine beitragsrechtliche Familienkomponente für Eltern gefordert. Sei danach schon bei beitragsfreier Mitversicherung der Kinder in der Familienversicherung der sozialen Pflegeversicherung eine Beitragsentlastung der Eltern verfassungsrechtlich geboten, so müsse das erst recht für einen Sachverhalt wie den vorliegenden gelten, in dem Eltern mit Beiträgen für ihre Kinder belastet würden, weil diese von der Familienversicherung ausgeschlossen und deshalb beitragspflichtig seien.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des LSG vom 6. November 2003 und das Urteil des SG vom 11. Februar 2003 sowie die Bescheide der Beklagten vom 9. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Der Senat hat während des Revisionsverfahrens mit deren Zustimmung die Mutter der Versicherten beigeladen. Die Beigeladene hat gleichzeitig auf die Wiederholung des Verwaltungsverfahrens verzichtet. Sie hat sich zur Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Kläger ist unbegründet. Zutreffend hat die beklagte Pflegekasse mit den Bescheiden vom 9. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 1995 die Pflichtversicherung der Kläger in der sozialen Pflegeversicherung (SPV) festgestellt und sie zu Beiträgen nach Mindesteinnahmen herangezogen. Ebenfalls zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen und das LSG die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben das einfache Gesetzesrecht zutreffend angewandt. Die auf diese Weise gefundenen Ergebnisse begegnen auch verfassungsrechtlich keinen Bedenken.
1. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Mitgliedschaft der Kläger in der SPV.
a) Die Kläger sind freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und deshalb in der SPV pflichtversichert (§ 20 Abs 3 SGB XI). Der Senat hat mit seinem Urteil vom 3. September 1998 bereits entschieden, dass die Anordnung von Versicherungspflicht in der SPV nicht gegen Verfassungsrecht verstößt, soweit sie – wie hier – tatbestandlich an die freiwillige Mitgliedschaft in der GKV anknüpft (SozR 3-3300 § 20 Nr 5). Er hat damals insbesondere darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber für das gegenüber der Krankheit eher fern liegende Risiko der Pflegebedürftigkeit typisierend eine geringere Selbstvorsorge unterstellen durfte und daher durch Art 3 Abs 1 GG nicht gehindert war, in gegenüber der GKV erweitertem Maße Versicherungspflicht anzuordnen. Von der Möglichkeit, sich nach § 22 SGB XI zugunsten einer eigenen privaten Pflegeversicherung befreien zu lassen, haben die Kläger keinen Gebrauch gemacht. Ihrer Mitgliedschaft auf Grund eigener Versicherungspflicht steht auch nicht etwa eine (gemäß § 56 Abs 1 SGB XI beitragsfreie) Familienversicherung im Rahmen der Stammversicherung ihrer Mutter entgegen. Die Kläger erfüllen zwar die persönlichen Voraussetzungen der Familienversicherung nach § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 3 – 5, Abs 2 SGB XI, sind hiervon aber dennoch nach § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI tatbestandlich ausgeschlossen. Danach erfüllen ua solche Familienmitglieder nicht die Voraussetzungen der Familienversicherung in der SPV, die – wie hier – nach § 20 Abs 3 SGB XI pflichtversichert sind. Soweit nach § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI die auf § 20 Abs 3 SGB XI beruhende Versicherungspflicht die Familienversicherung ausschließt, überträgt die Vorschrift die krankenversicherungsrechtliche Wertung des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V auf das Recht der Pflegeversicherung und gewährleistet damit systemübergreifend eine auf einheitlichen Maßstäben beruhende Begrenzung der Familienversicherung für beide betroffenen Zweige der Sozialversicherung. Auch bei Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen einer Familienversicherung für Kinder nach § 25 Abs 1, 2 SGB XI wären die Kläger im Übrigen wegen der § 10 Abs 3 SGB V entsprechenden (vgl hierzu unmittelbar nachfolgend unter b und c) Rechtsfolgenreduktion in § 25 Abs 3 SGB XI dennoch in der SPV nicht familienversichert.
b) Nach § 20 Abs 3 SGB XI sind die Kläger in die Versicherungspflicht der SPV nur deshalb einbezogen, weil sie freiwillige Mitglieder der GKV sind. Sie haben von der Möglichkeit, sich privat krankenzuversichern, keinen Gebrauch gemacht, sondern sind jeweils mit ihrer Geburt der GKV beigetreten. Für sie schied eine beitragsfreie Familienversicherung in der GKV im Jahre 1995, um das es hier vor allem geht, aus, weil die Voraussetzungen des § 10 Abs 3 SGB V nicht erfüllt waren. Nach § 10 Abs 3 Halbsatz 1 SGB V sind Kinder in der GKV nicht familienversichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist. Dies traf hier zu. Die beigeladene Mutter der Kläger war Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, während ihr Ehemann, der Vater der Kläger, als selbständiger Rechtsanwalt nicht Mitglied einer solchen Kasse war. Das regelmäßige monatliche Gesamteinkommen des Vaters überstieg im Jahre 1995 ein Zwölftel der seinerzeit geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze und auch das Gesamteinkommen seiner Ehefrau (Mutter der Kläger), die zu dieser Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachging.
c) Soweit die Pflichtmitgliedschaft der Kläger in der SPV damit mittelbar auf ihren Ausschluss aus der Familienversicherung in der GKV zurückzuführen ist, verstößt dies nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt zu § 10 Abs 3 SGB V (BSGE 70, 13 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6; SozR 3-2500 § 240 Nr 7; SozR 3-2500 § 10 Nr 20, 21, 22; SozR 3-2500 § 240 Nr 36; BSGE 91, 190 = SozR 4-2500 § 10 Nr 3) und dem bis zum In-Kraft-Treten des SGB V geltenden § 205 Abs 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entschieden. Verfassungsbeschwerden gegen § 10 Abs 3 SGB V und die frühere Regelung des § 205 Abs 1 Satz 2 RVO sind erfolglos geblieben (BVerfGE 107, 205 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1; BVerfG SozR 2200 § 205 Nr 18). § 10 Abs 3 SGB V beantwortet die Frage, welchem Elternteil die Kinder versicherungsrechtlich zugeordnet werden, wenn der eine Elternteil gesetzlich krankenversichert ist, der andere jedoch nicht der GKV angehört und dann in der Regel privat versichert ist. § 10 Abs 3 SGB V löst diesen Konflikt, indem er die Kinder bei überdurchschnittlichem Gesamteinkommen des privat versicherten Elternteils und in dem Fall, dass dieses das Gesamteinkommen des gesetzlich krankenversicherten Elternteils übersteigt, dem System der privaten Krankenversicherung (PKV) zuordnet. Liegen die in § 10 Abs 3 SGB V genannten einkommensbezogenen Merkmale vor, so darf typischerweise die soziale Schutzbedürftigkeit der Familie verneint und der Ausschluss der Kinder von der beitragsfreien Familienversicherung als sachgerecht angesehen werden. Insoweit nimmt die Vorschrift zum Schutz der Solidargemeinschaft eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Abgrenzung des Zuständigkeitsbereichs der GKV und damit auch eine Systemabgrenzung zwischen GKV und PKV vor. In Abhängigkeit von der Wahlentscheidung der nicht familienversicherten Kinder ergeben sich mittelbar gleichzeitig Auswirkungen auf ihre Pflegeversicherung und dient auf diese Weise § 10 Abs 3 SGB V über seinen sachlichen Anwendungsbereich hinaus auch in der Pflegeversicherung der Systemabgrenzung.
2. Der eigenen Pflichtmitgliedschaft der Kläger in der SPV entspricht einfachgesetzlich, dass für sie allein das für versicherungspflichtige Mitglieder der SPV einschlägige Beitragsrecht als maßgeblich in Betracht kommt. Sie können dagegen nicht verlangen, im Gegensatz zu der einfachgesetzlich und verfassungsrechtlich unbedenklichen Leitentscheidung für ihre eigene Pflichtmitgliedschaft in der SPV beitragsrechtlich systemwidrig wie Familienversicherte behandelt zu werden, für die Beiträge nicht zu entrichten sind (§ 56 Abs 1 SGB XI). § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI ist mit Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Entsprechendes gilt für die § 10 Abs 3 SGB V entsprechende Ausschlussnorm des § 25 Abs 3 SGB XI.
a) Als Pflichtmitglieder der für sie zuständigen Beklagten (§ 48 Abs 1 Satz 1, § 49 Abs 1 Satz 1 SGB XI) haben die Kläger grundsätzlich für jeden Tag der Mitgliedschaft Beiträge zu zahlen (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGB XI). Die Voraussetzungen der Beitragsfreiheit nach § 56 Abs 1 SGB XI liegen nicht vor. Die Beiträge der Kläger sind nach § 57 Abs 4 Satz 1 SGB XI zu bemessen. Hiernach ist für die Beitragsbemessung bei freiwilligen Mitgliedern der GKV verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl BSG in SozR 3-3300 § 57 Nr 1) § 240 SGB V entsprechend anzuwenden. Als beitragspflichtige Einnahme gilt damit nach § 240 Abs 4 Satz 1 SGB V für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (monatliche Bezugsgröße 1995: DM 4.060; hiervon 1/90: DM 45,11), der auch in Härtefällen nicht unterschritten werden darf (BSGE 79, 133 = SozR 3-2500 § 240 Nr 27). Auf der Grundlage des damals maßgeblichen Beitragssatzes in der SPV von 1 vH ergab sich der mit den angegriffenen Bescheiden festgesetzte Beitrag. Die Kläger tragen (§ 59 Abs 4 Satz 1 SGB XI) und schulden (§ 60 Abs 1 Satz 1 SGB XI) die entsprechenden Beiträge allein. Dass hierdurch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie überfordert sein könnte (vgl zu diesem Gesichtspunkt BVerfG in SozR 3-1300 § 40 Nr 3), haben die Kläger nicht geltend gemacht.
b) Der Senat vermag sich den verfassungsrechtlichen Bedenken, die die Revision hiergegen erhebt, nicht anzuschließen. Die Revision wendet sich in der Sache dagegen, dass für die beitragsrechtliche Behandlung der Kläger in der SPV an deren Status als freiwillige Mitglieder in der GKV und nicht an ihre Eigenschaft als Kinder eines in der SPV versicherten Elternteils angeknüpft wird. Sie hält es für verfassungsrechtlich geboten, dass in den persönlichen Anwendungsbereich des § 25 SGB XI auch die Kläger einbezogen werden. Sie wendet sich des Weiteren dagegen, dass in einem solchen Fall die dem § 10 Abs 3 SGB V entsprechende Bestimmung des § 25 Abs 3 SGB XI zur Anwendung komme und damit eine beitragsfreie Versicherung der Kläger unter den gleichen Voraussetzungen und mit den gleichen Konsequenzen wie in der GKV auch in der SPV ausgeschlossen sei.
aa) § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Abs 3 SGB XI stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.
Aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG für den Bereich der Familie und dem Sozialstaatsprinzip lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Insoweit besteht grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Dies gilt auch für die Ausgestaltung der SPV (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 103, 271, 291 f = SozR 3-3300 § 23 Nr 3 S 10 f).
Der Gesetzgeber bewegt sich innerhalb seines Gestaltungsspielraums, den er für die Verwirklichung seines Auftrags zur Förderung der Familie hat, wenn er auch in der SPV bei der Bestimmung des Personenkreises, den er in die Familienversicherung einbezieht, nach dem Vorliegen einer eigenen Pflichtversicherung unterscheidet. Er trägt damit der Subsidiarität der Familienversicherung Rechnung und stellt verfassungsrechtlich unbedenklich sicher, dass Familienangehörige des Mitglieds nur dann beitragsfreien Versicherungsschutz erhalten, wenn sie nicht auf andere Weise abgesichert sind (vgl insofern zur GKV BSGE 89, 254 = SozR 3-2500 § 19 Nr 5). Ebenso ist der Gesetzgeber durch Art 6 Abs 1 GG nicht gehindert, auch im vorliegenden Zusammenhang Gesichtspunkte der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Hieran anknüpfend werden auch in der SPV nur diejenigen in den für die Familienversicherung charakteristischen sozialen Ausgleich einbezogen, für die der Gesichtspunkt der sozialen Schutzbedürftigkeit auch bei der beitragsfreien Mitversicherung in der GKV maßgeblich ist (vgl insofern BVerfGE 107, 205, 213 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 29; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 20, 21, 22; Kasseler Komm-Peters, § 3 SGB V RdNr 7; Stand Mai 1997; § 10 SGB V RdNr 2, Stand September 2003). Wie in der GKV (BVerfGE 107, 205, 213 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 29) verbietet es Art 6 Abs 1 GG auch in der SPV nicht, die Vorteile einer beitragsfreien Familienversicherung der Kinder von der Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Familie abhängig zu machen.
bb) Die Merkmale, nach denen das Gesetz in § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI und in § 25 Abs 3 SGB XI hinsichtlich des Ausschlusses von Kindern aus der Familienversicherung in der SPV differenziert, genügen auch den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG.
Die Ausschlusstatbestände des § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Abs 3 SGB XI benachteiligen die von den Klägern repräsentierte Personengruppe gegenüber Kindern, die die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Mitversicherung in der SPV erfüllen (Vergleichsgruppe 1) und gegenüber Kindern, die in der privaten Pflegeversicherung (PPV) prämienfrei versichert sind (vgl § 110 Abs 1 Nr 2 Buchst f, Abs 3 Nr 6 SGB XI) ≪Vergleichsgruppe 2≫.
(1) Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale er beim Vergleich von Lebenssachverhalten als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Art 3 Abs 1 GG verbietet es ihm aber, eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 103, 271, 289 = SozR 3-3300 § 23 Nr 3 S 9; stRspr). Mit seiner Entscheidung, Kinder wie die Kläger gegenüber Kindern, bei denen die Voraussetzungen für einen Ausschluss nicht vorliegen und die deshalb beitragsfrei familienversichert sind, zu benachteiligen, hält sich der Gesetzgeber innerhalb des durch diese Grenzen bestimmten Spielraums.
Der Gesetzgeber durfte die Personengruppe, die in die beitragsfreie Familienversicherung der SPV einbezogen ist, danach abgrenzen, welche Personen deren Schutz benötigen. Er brauchte demgemäß schon tatbestandlich diejenigen nicht in den Schutzbereich der beitragsfreien Familienversicherung einzubeziehen, die dieses Schutzes auf Grund eigener Versicherung nicht bedürfen (§ 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI). Ebenso hat der Gesetzgeber mit den einkommensbezogenen Merkmalen des § 25 Abs 3 SGB XI Kriterien gewählt, die am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden sind. In der GKV hat das BVerfG eine Überschreitung des doppelten “Schwellenwertes” als Hinweis darauf angesehen, dass eine soziale Schutzbedürftigkeit der Eltern und ihrer Kinder typischerweise nicht vorliegt, und entschieden, dass der darauf beruhende Ausschluss aus der Familienversicherung hinreichend gerechtfertigt ist (BVerfGE 107, 205, 214 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 33). Dies gilt ebenso in der SPV. Der Gesetzgeber hat damit die Kriterien für die Abgrenzung zwischen GKV und PKV für den Bereich der Pflegeversicherung in verfassungsgemäßer Weise übernommen.
Entgegen der Ansicht der Revision führt die Beitragspflicht von Kindern wie den Klägern im Hinblick auf die von ihr genannten strukturellen Unterschiede zwischen Kranken- und Pflegeversicherung nicht zu einem Systembruch. Die Revision trägt vor, dass eine Beitragsbelastung freiwillig versicherter Kinder allenfalls in der GKV zu rechtfertigen sei, weil auch Kinder Krankenversicherungsleistungen in Anspruch nähmen, nicht aber in der SPV, in der ein Risiko abgedeckt werde, das sich signifikant erst im Alter realisiere. Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass die Art des in der Pflegeversicherung abgedeckten Risikos bei Kindern von Verfassungs wegen nur deren Einbeziehung in die Versicherungspflicht zulässt, nicht aber auch deren Einbeziehung in die Beitragspflicht. Ihre Behauptung, dass eine Beitragsbelastung von Kindern nur dann gerechtfertigt sein könne, wenn auch diese in größerem Umfang von Leistungen der Pflegeversicherung profitierten, hat die Revision verfassungsrechtlich nicht unterlegt. Der Senat hielte es im Gegenteil für einen Systembruch, wenn Kinder, die der GKV als freiwillige Mitglieder angehören, in der SPV trotz Annahme einer typisierten Schutzbedürftigkeit und einer hierauf beruhenden eigenen Mitgliedschaft als Pflichtversicherte beitragsfrei gestellt würden.
Bei der Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes darf zu Gunsten einer Rechtfertigung der Ungleichbehandlung berücksichtigt werden, dass die Beitragspflicht der Kläger auf ihren eigenen Entschlüssen beruht, freiwillig der GKV beizutreten und sich von der hieraus folgenden Versicherungspflicht in der SPV nicht nach § 22 SGB XI befreien zu lassen. Sie können nicht begehren, unabhängig von ihrer Systemwahl von jeglichem rechtlichen Nachteil verschont zu bleiben. Der von der Revision vertretenen Auffassung, wonach dem Gesichtspunkt der Befreiungsmöglichkeit bei der verfassungsrechtlichen Würdigung keine Bedeutung zukommen dürfe, folgt der Senat nicht. Wenn die Zuordnung pflegeversicherter Personen zu einem der beiden Versicherungszweige verfassungsrechtlich unbedenklich ist, dann ist es auch mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, wenn der Gesetzgeber für Personen, die grundsätzlich der PPV zugeordnet sind, Anreize schafft, das ihnen zugewiesene System aufzusuchen. Wer trotz des Wahlrechts in der SPV verbleibt, kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Beitragsbemessung nach Mindesteinnahmen entsprechend der freiwilligen Krankenversicherung sei unangemessen hoch (BSG SozR 3-3300 § 57 Nr 1 S 6; hierzu ferner BSG SozR 3-3300 § 55 Nr 1 S 5; SozR 3-3300 § 20 Nr 5 S 25).
(2) Hinreichend gerechtfertigt ist auch die Benachteiligung gegenüber Kindern, die in der PPV versichert sind und dort ausnahmsweise prämienfreien Versicherungsschutz genießen. § 110 Abs 1 Nr 2 Buchst f, Abs 3 Nr 6 SGB XI verpflichtet die Versicherungsunternehmen, für Kinder in der PPV beitragsrechtlich gleiche Standards zu schaffen wie für Kinder, für die in der SPV nach § 25 SGB XI eine beitragsfreie Familienversicherung besteht. Da das Gesetz auf diese Weise beitragsfreien Versicherungsschutz in der PPV ausdrücklich ebenfalls nur unter gerade den Voraussetzungen vorschreibt, unter denen in der SPV eine beitragsfreie Familienversicherung besteht, setzt sich auch insofern letztlich nur die bereits erörterte Ungleichbehandlung selbst Pflicht- und beitragsfrei Familienversicherter innerhalb des SGB XI spiegelbildlich fort. Die Regelungen, mit denen der privaten Versicherungswirtschaft zur Vermeidung einer finanziellen Überforderung von Familien (BT-Drucks 12/5262, S 154) ein Verzicht auf ihre üblichen Prämienkalkulationsprinzipien abverlangt wird, waren Grundlage ihrer Beteiligung an der Pflegeversicherung überhaupt (vgl Wagner in Hauck/Noftz, Kommentar zur Sozialen Pflegeversicherung § 110 RdNr 4). Sie stellen innerhalb der Privatversicherung eine Ausnahme dar, die nicht über das Maß hinausgeht, das gerade durch das Ziel ihrer Beteiligung an der Pflegeversicherung und die Anpassung an die Bestimmungen der SPV über die Familienversicherung geboten ist. Auch hier nimmt daher bereits die tatbestandliche Reduktion des entsprechend angewandten § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI die auf Grund eines vorrangigen Tatbestandes selbst zum Vertragsschluss Verpflichteten von der mittelbaren Gewährung beitragsfreien Versicherungsschutzes im Rahmen eines fremden Vertragsverhältnisses aus. Dasselbe gilt im Anwendungsbereich des (wiederum entsprechend anwendbaren) § 25 Abs 3 SGB XI auch für Personen, die – anders als hier – die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs 2 SGB XI in ihrer Gesamtheit erfüllen. Die sich hieraus auch im Rahmen der PPV ergebenden Differenzierungen entsprechen damit denjenigen der SPV und sind hier aus denselben Gründen sachlich gerechtfertigt. Eine Ungleichbehandlung innerhalb der Pflegeversicherung je nach der Zugehörigkeit zur SPV oder der PPV findet dagegen nicht statt.
c) Auch aus dem Urteil des BVerfG vom 3. April 2001 zur Bemessung der Beiträge von Eltern in der SPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) ergibt sich kein verfassungsrechtliches Gebot, Kinder wie die Kläger in der SPV beitragsfrei zu stellen.
Das BVerfG hat entschieden, dass es von Verfassungs wegen geboten ist, die Beitragsbelastung von Eltern in der SPV zu verringern, soweit sie ein Kind oder mehrere Kinder erziehen (BVerfGE 103, 242, 263 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 ff). Es hat entschieden, dass der Gesetzgeber die Kindererziehungsleistung als generativen Beitrag zu der im Umlageverfahren finanzierten SPV besonders berücksichtigen muss, weil die Funktionsfähigkeit der SPV wegen der besonderen Art des abgedeckten Risikos von dem Vorhandensein einer nachwachsenden Generation abhängig ist. Zur Erläuterung der Funktionsweise der SPV hat es diese als Dreigenerationenvertrag bezeichnet, nach dem die Generation im erwerbsfähigen Alter durch ihre Beiträge die Altengeneration absichert und gleichzeitig durch ihre Kinder die Basis für die eigene Risikosicherung schafft (BVerfGE 103, 242, 266 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 19).
Entgegen der Ansicht der Revision hat der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht dadurch überschritten, dass er bei dem Ausschluss von der Familienversicherung nach § 25 SGB XI nicht zusätzlich nach der “Generationenstufe” differenziert hat. Eine verfassungsrechtliche Forderung, nach der die nachwachsende Generation im Hinblick auf ihre spätere Bestimmung als Beitragszahler in der SPV stets beitragsfrei bleiben muss, lässt sich dem Urteil des BVerfG nicht entnehmen. Eine Übertragung der Grundsätze dieser Entscheidung auf die Beitragsbemessung bei den Klägern ist außerdem deshalb ausgeschlossen, weil bei ihnen die Beitragsbelastung für ihre eigene Versicherung im Streit steht (vgl BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 36 S 179). Schließlich hat das genannte Urteil keine Bedeutung für die hier zu beantwortende Frage, weil das BVerfG darin lediglich Versicherte mit Kindern und kinderlose Mitglieder in der SPV verglichen hat, nicht aber Versicherte mit Kindern untereinander.
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Kläger in Grundrechten verletzt werden, wenn sie in der SPV zur Entrichtung von Mindestbeiträgen verpflichtet sind. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG scheidet daher aus.
Die Revision der Kläger war damit zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
NZS 2005, 428 |
SGb 2004, 624 |
SGb 2005, 164 |
SozR 4-3300 § 25, Nr. 1 |
SJ 2005, 37 |