Verfahrensgang
Tenor
§ 1 Absatz 6 Nummer 3 Buchstabe b des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz) in der Fassung des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (Bundesgesetzblatt I Seite 2915) und § 1 Absatz 7 Nummer 3 Buchstabe b des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5. Dezember 2006 (Bundesgesetzblatt I Seite 2748) verstoßen gegen Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.
Tatbestand
A.
Die Vorlagen betreffen die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass bestimmte ausländische Staatsangehörige, denen der Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt ist, nur dann zum Bezug von Erziehungs- oder Elterngeld berechtigt sind, wenn sie im Bezugszeitraum eines der in den vorgelegten Regelungen genannten Merkmale der Arbeitsmarktintegration erfüllen.
I.
Das Bundeserziehungsgeldgesetz war in verschiedenen Fassungen vom 1. Januar 1986 bis zur Ablösung der hier maßgeblichen Fassung (BErzGG 2006) durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) am 1. Januar 2007 in Kraft. Es sah zuletzt ein Erziehungsgeld von regelmäßig 300 EUR monatlich bis zum 24. Lebensmonat des Kindes vor, wobei sich der Anspruch bei steigendem Einkommen verringerte. Hingegen wird das Elterngeld nach § 2 Abs. 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 EUR monatlich gezahlt. Zugleich ist ein Mindestelterngeld von 300 EUR vorgesehen, das auch dann gezahlt wird, wenn im maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt worden ist (§ 2 Abs. 5 BEEG). Elterngeld kann nur im Laufe der ersten 14 Lebensmonate des Kindes bezogen werden. Der Leistungsumfang für beide Eltern beträgt grundsätzlich zwölf Monate. Sowohl das Bundeserziehungsgeldgesetz als auch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz gewähren Leistungen nur, solange keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BErzGG 2006 und § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG). Keine volle Erwerbstätigkeit übt eine Person nach § 2 BErzGG 2006 und § 1 Abs. 6 BEEG unter anderem dann aus, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt.
Mit der Einführung des Bundeserziehungsgeldes wollte es der Gesetzgeber Müttern und Vätern ermöglichen, sich unter Verzicht auf die Berufstätigkeit oder durch deren Einschränkung vorrangig der Erziehung des Kindes zu widmen (BTDrucks 10/3792, S. 15). Weil das Erziehungsgeld auch nach dem noch im Jahr 2006 neugefassten Bundeserziehungsgeldgesetz nicht mehr für hinreichend wirkungsvoll befunden wurde, wurde es mit dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz zum Jahr 2007 durch das Elterngeld abgelöst. Das Elterngeld soll Familiengründungen erleichtern und einen nachhaltigen Beitrag zur finanziellen Sicherung von Familien leisten, indem es einen Ausgleich für das durch die Kinderbetreuung entgangene Einkommen bietet (BTDrucks 16/1889, S. 1). Es soll einen finanziellen Schonraum für junge Familien schaffen und dazu beitragen, dass Eltern in diesem Zeitraum selbst für ihr Kind sorgen können (BTDrucks 16/1889, S. 2). Mit dem Gesetz wollte der Gesetzgeber auch auf die niedrige Geburtenrate reagieren (BTDrucks 16/1889, S. 1, 15).
II.
Die vorgelegten, nahezu identischen Vorschriften sind Teil der in § 1 beider Gesetze getroffenen Regelung über die Anspruchsberechtigung.
§ 1 Abs. 6 BErzGG 2006 lautete:
(6) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer ist nur anspruchsberechtigt, wenn er |
1. |
eine Niederlassungserlaubnis besitzt, |
2. |
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde |
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- nach § 16 oder § 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
- nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,
- nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt oder
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3. |
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und |
|
- sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und
- im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.
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§ 1 Abs. 7 BEEG hat in der vorgelegten Fassung vom 5. Dezember 2006 folgenden Wortlaut:
(7) |
Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person |
1. |
eine Niederlassungserlaubnis besitzt, |
2. |
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde |
|
- nach § 16 oder § 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
- nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,
- nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in ihrem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt oder
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3. |
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und |
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- sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und
- im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.
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§ 1 Abs. 6 BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 BEEG machen die Gewährung von Erziehungs- oder Elterngeld an ausländische Staatsangehörige davon abhängig, über welche Art von Aufenthaltstitel im Sinne des Aufenthaltsgesetzes (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet, im Folgenden: AufenthG) die Betroffenen verfügen. Die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zum unbefristeten Aufenthalt berechtigende Niederlassungserlaubnis führt nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 1 BEEG immer zur Anspruchsberechtigung. Hingegen sind die Inhaber einer gemäß § 7 AufenthG befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 1 Abs. 6 Nr. 2, 1. Halbsatz BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2, 1. Halbsatz BEEG grundsätzlich nur dann anspruchsberechtigt, wenn die Aufenthaltserlaubnis – sei es von Gesetzes wegen, sei es aufgrund einer im Einzelfall erteilten Beschäftigungserlaubnis – zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat. Außerdem darf es sich bei der Aufenthaltserlaubnis nicht um einen der in § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe a bis Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe a bis Buchstabe c BEEG genannten Aufenthaltstitel handeln, deren Inhaber grundsätzlich vom Leistungsanspruch ausgeschlossen sind. Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG, die vom Bezug von Erziehungs- und Elterngeld grundsätzlich ausgeschlossen sind, haben allerdings dennoch einen Anspruch auf Erziehungs- oder Elterngeld, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen der Rückausnahme nach § 1 Abs. 6 Nr. 3 BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG erfüllt sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 6. Juli 2004 eine ebenfalls nach dem Aufenthaltstitel differenzierende Vorläuferregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz von 1993 für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt, weil die Unterscheidung der Anspruchsberechtigung nach der formalen Art des Aufenthaltstitels nicht gerechtfertigt sei (BVerfGE 111, 176 ≪185 ff.≫). Nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz von 1993 waren alle Ausländer mit sogenannter Aufenthaltsbefugnis nach dem damals geltenden Ausländergesetz (Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet vom 9. Juli 1990, BGBl I S. 1354, 1356) vom Anspruch ausgeschlossen, ohne dass eine Rückausnahme bestand, wie sie sich nun in § 1 Abs. 6 Nr. 3 BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG findet. Die Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz wurde im Wesentlichen aus denselben Gründen erteilt wie die in § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG in Bezug genommenen Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen nach dem 5. Abschnitt des heute geltenden Aufenthaltsgesetzes.
Mit den hier vorgelegten Neuregelungen der Leistungsberechtigung von Inhabern humanitärer Aufenthaltserlaubnisse hat der Gesetzgeber auf diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts reagiert. Im Vergleich zur Vorgängerregelung wurde der Kreis der Berechtigten einerseits weiter eingeschränkt, indem Erziehungs- oder Elterngeld nur den Personen gewährt wird, die eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, welche zur Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 1 Abs. 6 Nr. 2, 1. Halbsatz BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2, 1. Halbsatz BEEG). Andererseits wurde der Kreis der Berechtigten gegenüber der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Vorgängerregelung erweitert, weil § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG die Inhaber einer aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltserlaubnis zwar zunächst wiederum vom Anspruch ausnimmt, diese Personen jedoch aufgrund der Rückausnahme in § 1 Abs. 6 Nr. 3 BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG gleichwohl leistungsberechtigt sind, wenn sie sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe a BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe a BEEG) und eines der in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Merkmale der Arbeitsmarktintegration erfüllen. § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG setzen voraus, dass die Betroffenen im Bezugszeitraum erwerbstätig sind, Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitslosengeld I) erhalten oder Elternzeit in Anspruch nehmen.
In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Bundeserziehungsgeldgesetz von 2006 wird ausgeführt, das Bundesverfassungsgericht habe die Zielsetzung des Gesetzgebers nicht beanstandet, Familienleistungen nur für ausländische Staatsangehörige vorzusehen, die sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhielten. Es habe die für verfassungswidrig erklärte Regelung jedoch für ungeeignet gehalten, dieses Ziel zu erreichen. Unter Beibehaltung der vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeten Zielrichtung des Gesetzgebers würden daher neue Kriterien dafür aufgestellt, wann von einem dauerhaften Aufenthalt ausgegangen werden könne. Da nach dem Aufenthaltsgesetz grundsätzlich jede Aufenthaltserlaubnis einer Verfestigung zugänglich sei, müsse bei Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis ein weiteres Indiz vorliegen, um einen voraussichtlichen Daueraufenthalt annehmen zu können. Dies sei vor allem die Ausübung einer Erwerbstätigkeit beziehungsweise der Umstand, dass eine solche Erwerbstätigkeit erlaubt sei oder erlaubt werden könne. Die Ausübung einer Beschäftigung beziehungsweise die Integration in den Arbeitsmarkt sei ein Indikator für einen dauerhaften Verbleib in Deutschland. Die Sicherung des Lebensunterhalts aus eigener Erwerbstätigkeit sei in der Regel für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlich (vgl. BTDrucks 16/1368, S. 8).
III.
1. Den Vorlagen 1 BvL 2 bis 4/10 liegen Verfahren zugrunde, in denen Ansprüche auf Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz von 2006 geltend gemacht werden. Im Ausgangsverfahren zur Vorlage 1 BvL 3/11 begehrt die Klägerin Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz. Alle Klägerinnen und Kläger verfügten über Aufenthaltstitel, die in § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG genannt sind, waren zur Erwerbstätigkeit berechtigt und hielten sich seit über drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet in Deutschland auf, waren jedoch während des in Streit stehenden Zeitraums weder erwerbstätig noch bezogen sie Arbeitslosengeld I oder nahmen sie Elternzeit in Anspruch.
2. Das Bundessozialgericht hat die Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Fragen zur Entscheidung vorgelegt, ob § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c in Verbindung mit Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c in Verbindung mit Nr. 3 Buchstabe b BEEG insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, als danach Ausländern, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges in ihrem Heimatland oder nach §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erteilt wurde, ein Anspruch auf Bundeserziehungsgeld oder Bundeselterngeld nur dann zusteht, wenn sie im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sind, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen. Das vorlegende Gericht hält die zur Prüfung gestellten Regelungen für verfassungswidrig. Die Vorschriften seien nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Zwar habe es das Bundesverfassungsgericht als zulässig erachtet, Bundeserziehungsgeld nur denjenigen Ausländern zukommen zu lassen, die in Deutschland erwerbstätig sein dürfen und von denen erwartet werden könne, dass sie dauerhaft in Deutschland blieben. § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG stellten jedoch über die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit hinaus weitergehende Anforderungen auf, die allenfalls im Hinblick auf die Prognose des Daueraufenthalts gerechtfertigt werden könnten. Hierfür seien die verwendeten Abgrenzungskriterien aber ungeeignet, da der Kreis der voraussichtlich dauerhaft in Deutschland bleibenden Personen nicht sachgerecht bestimmt werde.
Zwar sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber für die Gewährung von Unterstützungsleistungen bei Aufenthaltstiteln, die ihrer Art nach nicht für einen Daueraufenthalt bestimmt seien, weitergehende Voraussetzungen aufstelle als die bloße Berechtigung, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Es könne auch davon ausgegangen werden, dass die in § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG aufgeführten Aufenthaltstitel im Prinzip nur einen vorübergehenden Charakter hätten. Daher begegne es keinen grundsätzlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber nach der Regelung in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe a BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe a BEEG von Inhabern solcher Titel einen mindestens dreijährigen, rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalt verlange.
Die weiteren Merkmale in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG seien jedoch nicht geeignet, zwischen Personen mit einer günstigen Aufenthaltsprognose und jenen ohne eine solche Prognose zu unterscheiden. Zwar wähle der Gesetzgeber mit diesen Merkmalen Personen aus, für die sich eine günstige Aufenthaltsprognose sicher bejahen lasse. Er grenze jedoch andere Personen aus, für die eine solche Aufenthaltsprognose ebenfalls gelten müsse. Die Regelung laufe zudem den Zielen des Bundeserziehungsgeldgesetzes und des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes zuwider, weil danach Eltern den Anreiz nicht wahrnehmen könnten, die Betreuung ihrer Kinder selbst zu übernehmen, sondern einer Beschäftigung nachgehen müssten.
3. In ihren schriftlichen Stellungnahmen haben der Caritasverband, das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Deutsche Juristinnenbund, der Deutsche Familiengerichtstag, der Deutsche Sozialgerichtstag, das Deutsche Rote Kreuz und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) die Auffassung vertreten, die vorgelegten Regelungen seien verfassungswidrig. Hingegen halten der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge die Regelungen für verfassungsgemäß. Von einer Stellungnahme haben abgesehen der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie die Regierungen der Länder.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlagen sind zulässig. Die vom Bundessozialgericht formulierten Vorlagefragen sind so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht nur § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG für verfassungswidrig hält, nicht aber § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG, die in Verbindung mit § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe a BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe a BEEG eigenständige Bedeutung entfalten, ohne dass das vorlegende Gericht die Verfassungsmäßigkeit insoweit in Zweifel zieht.
C.
§ 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG (I.) und gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (II.).
I.
Die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG vorgenommene Unterscheidung benachteiligt die betroffenen ausländischen Eltern in verfassungswidriger Weise (Art. 3 Abs. 1 GG).
1. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 ≪385≫; stRspr). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 ≪17≫; 126, 400 ≪416≫; 129, 49 ≪68≫ m.w.N.). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 129, 49 ≪68 f.≫).
2. Die vorgelegten Regelungen führen zu einer ungleichen Begünstigung. Gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG steht Personen mit den in § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG genannten Aufenthaltstiteln Erziehungs- oder Elterngeld nur dann zu, wenn sie im Bezugszeitraum berechtigt erwerbstätig sind, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen. Erfüllen die Betroffenen keine der drei Voraussetzungen, erhalten sie kein Erziehungs- oder Elterngeld und sind insoweit insbesondere schlechter gestellt als Personen mit identischem Aufenthaltstitel, die einen der drei in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Bezüge zum Arbeitsmarkt vorweisen können.
3. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.
a) Die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Voraussetzungen dienen einem grundsätzlich legitimen Ziel.
aa) Allerdings ist die Differenzierung nicht durch das mit beiden Gesetzen generell verfolgte Ziel gedeckt, Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Zwar mag es dieses grundsätzlich legitime Ziel rechtfertigen, den Leistungsbezug auf Personen zu beschränken, die überhaupt rechtmäßig erwerbstätig sein können (vgl. BVerfGE 111, 176 ≪185 f.≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, NJW 2012, S. 1711 ≪1713≫). Diesem Gedanken hat der Gesetzgeber jedoch bereits durch die hier nicht zur Prüfung gestellten § 1 Abs. 6 Nr. 2, 1. Halbsatz BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2, 1. Halbsatz BEEG Rechnung getragen, wonach nur solche Personen Erziehungs- oder Elterngeld erhalten, die zur Erwerbstätigkeit berechtigt sind oder waren. Mit den vorgelegten Einzelregelungen verfolgt der Gesetzgeber hingegen nicht das Ziel, Eltern den Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder deren Einschränkung zu ermöglichen. Vielmehr setzt der Leistungsanspruch bei den hier betroffenen ausländischen Staatsangehörigen nach § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG (erste und zweite Alternative) eine aktive Integration in den Arbeitsmarkt auch während des Leistungsbezugs voraus (siehe unten, b) bb) (4) (c) (aa) und (bb)).
bb) Nach der Intention des Gesetzgebers dienen die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Voraussetzungen jedoch dazu, Erziehungsgeld oder Elterngeld nur jenen ausländischen Staatsangehörigen zu gewähren, die sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten (BTDrucks 16/1368, S. 8). Grundsätzlich kann die unterschiedliche Bleibedauer in Deutschland eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 111, 160 ≪174≫; 111, 176 ≪185≫), ohne dass allerdings das Fehlen eines dauerhaften Aufenthalts automatisch jede Differenzierung hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen legitimieren könnte (vgl. BVerfGE 116, 229 ≪239 f.≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, a.a.O.). Erziehungs- und Elterngeld ausschließlich den Eltern zu gewähren, die voraussichtlich dauerhaft in Deutschland bleiben, verfolgt indes einen legitimen Zweck, soweit der Gesetzgeber mit diesen Leistungen eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung in Deutschland fördern will, weil dieses Ziel bei Gewährung an Personen, die das Bundesgebiet bald wieder verlassen, verfehlt würde.
b) Die vom Gesetzgeber gewählten Differenzierungskriterien bestimmen den Kreis der Leistungsberechtigten aber jedenfalls nicht in geeigneter Weise, weil sich die Aufenthaltsdauer der Betroffenen nicht mittels der verwendeten Kriterien vorhersagen lässt. Die beschäftigungsbezogenen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG bilden weder für sich genommen noch zusammen mit dem Umstand, dass alle Betroffenen ihr Aufenthaltsrecht aus einer humanitären Aufenthaltserlaubnis ableiten (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG), eine hinreichende Grundlage für eine Prognose über die Dauer des Aufenthalts in Deutschland und eignen sich damit nicht als Abgrenzungskriterien für den Bezug der hier in Rede stehenden Leistungen.
aa) Allein die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG vorausgesetzte Inhaberschaft einer in § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG genannten Aufenthaltserlaubnis ist kein hinreichendes Indiz für das Fehlen einer dauerhaften Aufenthaltsperspektive. Diese Aufenthaltserlaubnisse sind im 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes geregelt und werden schutzsuchenden Personen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erteilt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits hinsichtlich der diesen humanitären Aufenthaltserlaubnissen ähnelnden Aufenthaltsbefugnis nach dem früher geltenden Ausländergesetz festgestellt, die formale Art des Aufenthaltstitels allein eigne sich nicht als Grundlage einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts in Deutschland (vgl. BVerfGE 111, 176 ≪185≫; siehe auch BVerfGE 111, 160 ≪174 f.≫). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich dem in einer Entscheidung zum deutschen Kindergeldrecht ausdrücklich angeschlossen (EGMR, Urteil vom 25. Oktober 2005 – 59140/00 – Okpisz v. Deutschland, NVwZ 2006, S. 917 ≪918≫). Es besteht kein Grund, von dieser Einschätzung abzuweichen.
Gegen einen Schluss vom Vorliegen eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG auf die fehlende Bleibeperspektive sprechen vor allem die gesetzlichen Verlängerungs- und Verfestigungsmöglichkeiten dieser Aufenthaltserlaubnisse. Sie werden zwar nur befristet erteilt und dürfen nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind (§ 26 Abs. 1 und 2 AufenthG). Bestehen die humanitären, politischen oder völkerrechtlichen Aufenthaltsgründe fort, kommt jedoch bei fast allen betroffenen Aufenthaltstiteln eine Verlängerung in Betracht (§ 26 Abs. 1 AufenthG). Die Verlängerung ist uneingeschränkt wiederholbar. Nach sieben Jahren ist darüber hinaus die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis möglich, womit die dauerhafte Verfestigung des Aufenthaltsrechts eintritt (§ 26 Abs. 4 AufenthG). Damit ist grundsätzlich jede der in § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG genannten Aufenthaltserlaubnisse – abgesehen von der bislang nicht erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG (vgl. Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 24 Rn. 10) – einer Verfestigung zugänglich. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Verfestigung kommt, ist in den von § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG betroffenen Konstellationen auch insofern nicht gering, als wegen der in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe a BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe a BEEG vorausgesetzten Vorwohndauer von drei Jahren bereits ein nicht unerheblicher Teil der siebenjährigen Mindestzeit nach § 26 Abs. 4 AufenthG verstrichen ist.
bb) Auch die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Voraussetzungen bilden keine hinreichende Grundlage für eine Prognose über die zu erwartende Aufenthaltsdauer. Zwischen den aufgeführten Bedingungen und der Bleibedauer besteht kein rechtlich relevanter Zusammenhang.
(1) Die drei in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Kriterien haben eine gewisse Aussagekraft bezüglich der Arbeitsmarktintegration der Betroffenen im Zeitraum um die Geburt ihres Kindes. Nach der ersten der in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Alternativen kann die Leistung nur beziehen, wer im Bezugszeitraum erwerbstätig ist. Hingegen reicht nicht aus, dass eine Person erwerbstätig war. Bezugszeitraum nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz waren grundsätzlich die ersten 24 Lebensmonate des Kindes (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BErzGG 2006). Bezugszeitraum nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz sind grundsätzlich die ersten 14 Lebensmonate des Kindes (§ 4 Abs. 1 BEEG). Nach der zweiten Alternative ist leistungsberechtigt, wer während des Bezugszeitraums Arbeitslosengeld I erhält. Dieses erhält, wer unter anderem innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (Anwartschaftszeit, § 142 SGB III) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (§ 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III). Nach der dritten Alternative ist leistungsberechtigt, wer Elternzeit in Anspruch nimmt. Dies setzt voraus, dass während des Leistungsbezugs ein Arbeitsverhältnis besteht (§ 15 Abs. 1 BEEG).
In allen drei Fällen ist Anspruchsbedingung, dass ein Arbeitsverhältnis während der Bezugszeit besteht oder relativ kurz vor der Bezugszeit bestanden hat. Dies wertet der Gesetzgeber als Indiz für eine dauerhafte Bleibeperspektive. Diese Annahme mag zutreffen, nicht hingegen der für die Regelung maßgebliche Umkehrschluss, wer keine dieser Voraussetzungen erfülle, habe keine dauerhafte Bleibeperspektive. Ein Zusammenhang zwischen der Nichterfüllung der in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Merkmale und dem Fehlen einer dauerhaften Bleibeperspektive ist nicht erkennbar.
(2) Vielmehr kehren Inhaber der hier erfassten Aufenthaltserlaubnisse regelmäßig nicht in ihr Herkunftsland zurück, solange die bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Tragen gekommenen Gründe fortbestehen, ohne dass es dabei auf die Arbeitsmarktintegration ankäme. Die nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG relevanten Aufenthaltsgründe sind weitgehend solcher Art, dass eine Rückkehr rechtlich oder praktisch ausgeschlossen ist, solange die der Aufenthaltserlaubnis zugrunde liegende Situation anhält. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufenthaltserlaubnis im konkreten Fall verlängert wird oder nicht.
So kann etwa eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG nur erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt. Das ist der Fall, wenn für den Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, wenn die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, wenn sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist, oder wenn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG setzt voraus, dass die Person nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist und dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen ihre vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern; auch insoweit ist die Durchsetzung der Rückkehr nicht möglich. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wird einem Ausländer erteilt, der zwar vollziehbar ausreisepflichtig ist, dessen Ausreise jedoch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist; die rechtliche Unmöglichkeit kann sich etwa aus dem verfassungsrechtlichen (Art. 6 GG) oder aus dem völkerrechtlichen (Art. 8 EMRK) Schutz von Ehe und Familie ergeben. Auch hier scheidet eine Rückkehr aus, solange die Unmöglichkeitsgründe fortbestehen. Eine Aufenthaltserlaubnis nach Art. 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges kann insbesondere erteilt werden, wenn die oberste Landesbehörde für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnet, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten ausgesetzt wird (§ 60a Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Auch hier steht die Aussetzung der Abschiebung einer Rückkehr gegen den Willen der Betroffenen entgegen.
Für die Möglichkeit und Durchsetzbarkeit der Rückkehr spielt es in all diesen Situationen keine Rolle, ob oder wann die Betroffenen in den Arbeitsmarkt integriert sind.
(3) Wer die Voraussetzungen von § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG nicht erfüllt, ist auch nicht etwa deshalb ohne dauerhafte Bleibeperspektive, weil die Betroffenen zwar tatsächlich an der Rückkehr gehindert sein könnten (siehe oben, (2)), dabei jedoch regelmäßig nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erfüllten (vgl. aber BTDrucks 16/1368, S. 8). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, für die erziehungs- und elterngeldrechtliche Prognose der Bleibedauer neben der fehlenden Rückkehrmöglichkeit auch die Innehabung einer – der dauerhaften Verfestigung des Aufenthaltsrechts nach § 26 Abs. 4 AufenthG notwendig vorausgehenden – Aufenthaltserlaubnis zu verlangen.
Für die Verlängerung der in § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG aufgeführten Aufenthaltserlaubnisse ist die Nichterfüllung der in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Kriterien jedenfalls nicht von solcher Bedeutung, dass sich daraus eine negative Bleibeprognose ableiten ließe. Zwar ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG für die Erteilung und Verlängerung jedes Aufenthaltstitels grundsätzlich auch die Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG erforderlich, wofür die Erwerbstätigkeit eine Rolle spielen kann. Abgesehen davon, dass die Erfüllung oder Nichterfüllung der in den vorgelegten Normen aufgeführten Kriterien der Arbeitsmarktintegration lediglich eine punktuelle Aussage über die Erwerbstätigkeit der Betroffenen zulässt (siehe unten, (4) (b)), kommt jedoch der Sicherung des Lebensunterhalts und damit auch der Erwerbstätigkeit gerade für die Verlängerung der hier relevanten Aufenthaltserlaubnisse einfachrechtlich allenfalls geringe Bedeutung zu. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes von der Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts abgesehen werden. In den Fällen einer Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 24, 25 Abs. 3 bis 4b AufenthG ist von dieser Voraussetzung sogar zwingend abzusehen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Das Aufenthaltsgesetz macht die Verlängerung des Aufenthalts in Deutschland aus humanitären Gründen damit nicht (jedenfalls nicht zwingend) von der Sicherung des eigenen Lebensunterhalts abhängig. Ob die Betroffenen ihren Lebensunterhalt – sei es durch eigene Erwerbstätigkeit oder anderweitig – sichern oder nicht, ist insoweit bedeutungslos.
(4) An einer dauerhaften Bleibeperspektive fehlt es auch nicht deshalb, weil keine Aussicht auf eine Niederlassungserlaubnis (§ 26 Abs. 4 AufenthG) und den damit verbundenen unbefristeten Aufenthalt hätte, wer die Voraussetzungen von § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG im Bezugszeitraum nicht erfüllt. Ob in erziehungs- und elterngeldrechtlichem Zusammenhang die Bejahung einer Daueraufenthaltsperspektive von Verfassungs wegen an die Aussicht auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis geknüpft werden darf, muss hier nicht geklärt werden. Jedenfalls sind die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Voraussetzungen hinsichtlich der Aussicht auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht hinreichend aussagekräftig. Dass die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Voraussetzungen im Zeitraum des potenziellen Erziehungs- und Eltergeldbezugs nicht erfüllt werden, indiziert nicht, dass es nicht zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis kommen wird.
(a) Eine für die Erziehungs- und Elterngeldberechtigung relevante dauerhafte Bleibeperspektive erfordert nicht, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, insbesondere die gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG notwendige Sicherung des Lebensunterhalts, bereits im Zeitpunkt der Beantragung von Erziehungs- oder Elterngeld bestehen. Der Anspruch auf Erziehungs- und Elterngeld ist gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 2 BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 BEEG nicht auf die Inhaber einer Niederlassungserlaubnis beschränkt. Ein Zusammenhang dergestalt, dass diejenigen, die im Zeitpunkt der Antragstellung die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, die für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis geforderten Voraussetzungen auch später nicht erfüllen könnten, besteht nicht. Auch einfachrechtlich wird die Beurteilung der Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht anhand einer punktuellen Betrachtung vorgenommen, sondern erfolgt aufgrund einer mittels rückschauender Betrachtung anzustellenden Prognose, ob der Betroffene ohne unvorhergesehene Ereignisse seinen Lebensunterhalt in Zukunft ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufbringen kann (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Dezember 2007 – 17 E 47/07 –, juris Rn. 6). Für eine solche Prognose sind die in den vorgelegten Normen verwendeten Kriterien nicht geeignet, da sie lediglich einen kurzen Zeitabschnitt in den Blick nehmen (b), in dem die Arbeitsmarktintegration obendrein gerade wegen der Geburt des Kindes elternspezifische Schwierigkeiten aufwirft (c).
(b) Die vorgelegten Regelungen verlangen, dass die Betroffenen während des Bezugs von Erziehungs- oder Elterngeld erwerbstätig sind (erste Alternative) oder in einem gewissen Zeitraum vor der Geburt erwerbstätig waren und dem Arbeitsmarkt im Bezugszeitraum tatsächlich zur Verfügung stehen (zweite Alternative) oder im Bezugszeitraum in einem Arbeitsverhältnis stehen, das sie wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit ruhen lassen (dritte Alternative). Alle drei Alternativen nehmen einen vergleichsweise kurzen Zeitraum – im Wesentlichen den Bezugszeitraum – in den Blick und lassen eine Arbeitsmarktintegration in anderen Zeiträumen außer Betracht.
(aa) Nicht erfasst werden mit den Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG unter Umständen viele Jahre geringfügiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit. Eine Person, die nur geringfügig beschäftigt ist, erwirbt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Endet ihr Beschäftigungsverhältnis, hat sie mangels Anspruchs nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG keinen Anspruch auf Erziehungs- oder Elterngeld unabhängig davon, wie lange sie vorher beschäftigt gewesen ist. Ebenfalls keine derartigen Ansprüche erwerben Selbständige, wenn sie nicht freiwillig ein Versicherungspflichtverhältnis gemäß § 28a SGB III begründet haben. Selbst Ausländer, die jahrelang geringfügig beschäftigt oder selbständig und damit in den deutschen Arbeitsmarkt integriert waren und dies möglicherweise nach einer der Kinderbetreuung gewidmeten Berufspause auch schon bald wieder sind, sind hiernach nicht zum Bezug von Erziehungs- oder Elterngeld berechtigt. Dabei hängt es oft von Umständen ab, die die Betroffenen nicht beeinflussen können, ob eine befristete geringfügige Beschäftigung verlängert wird oder nicht. Gerade Frauen in befristeten geringfügigen Arbeitsverhältnissen stehen, wenn sie schwanger werden, häufig vor der Situation, dass ihre Stelle während der Schwangerschaft ausläuft und nicht verlängert wird. Über die frühere und spätere Arbeitsmarktintegration gibt die bloße Nichterfüllung der in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Kriterien darum kaum Aufschluss.
(bb) Auch eine langjährige sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit bleibt möglicherweise unberücksichtigt. Zwar können die Betroffenen im Fall des Arbeitsplatzverlustes vor der Geburt des Kindes einen Anspruch auf Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch haben, wodurch die zweite Alternative von § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG erfüllt ist. Mit dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld I endet jedoch der Anspruch auf Erziehungs- oder Elterngeld typischerweise, bevor die Betreuungsphase nach der Geburt abgeschlossen und eine erneute Erwerbstätigkeit praktisch wieder eher möglich ist. Den Betroffenen wird so eine negative Bleibeprognose zugeschrieben, obwohl angesichts ihrer früheren sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit viel dafür spricht, dass ihnen eine erneute Arbeitsmarktintegration nach der Zeit der Kindesbetreuung gelingen wird.
(c) Die in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG statuierten Kriterien lassen auch deshalb keine hinreichend sichere Aussage über die längerfristige Arbeitsmarktintegration der Betroffenen zu, weil sie auf einen Zeitraum abstellen, in dem sowohl der Ausübung einer Erwerbstätigkeit (erste Alternative) als auch der für einen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch erforderlichen tatsächlichen Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt (zweite Alternative) wie auch der Eingehung und dem elternzeitbedingten Ruhenlassen eines Arbeitsverhältnisses (dritte Alternative) spezifische, aus der Elternschaft resultierende Hindernisse entgegenstehen, ohne dass daraus plausibel Schlussfolgerungen für die längerfristige Arbeitsmarktintegration und die damit verbundene Sicherung des Lebensunterhalts gezogen werden könnten.
§ 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG fordern die Arbeitsmarktintegration im Wesentlichen während des potenziellen Leistungsbezugs. Dies waren nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz die ersten 24 Lebensmonate des Kindes und sind nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz grundsätzlich dessen erste 14 Lebensmonate. Gerade in dieser Phase hat die fehlende Arbeitsmarktintegration vielfältige tatsächliche und rechtliche Gründe ((aa) bis (cc)), ohne dass daraus geschlossen werden könnte, dass die Betroffenen langfristig nicht erwerbstätig bleiben.
(aa) Die Realisierung der ersten in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG genannten Alternative (tatsächliche Erwerbstätigkeit) ist vor allem für Mütter schwierig. Teilweise ist sie sogar aus rechtlichen Gründen unmöglich. Zwar kann nach Bundeserziehungsgeldgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz eine Erwerbstätigkeit parallel zum Bezug von Elterngeld ausgeübt werden, weil eine wöchentliche Arbeitszeit von unter 30 Stunden den Leistungsanspruch nicht ausschließt (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 BErzGG 2006, § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 6 BEEG). Während der achtwöchigen Mutterschutzfrist unterliegen Mütter jedoch dem mutterschutzrechtlichen Tätigkeitsverbot (§ 6 MuSchG). Stillenden Müttern ist die Erwerbstätigkeit noch über die achtwöchige Mutterschutzfrist hinaus praktisch erschwert.
Bei Müttern und Vätern steht der Aufnahme einer (Teil-)Erwerbstätigkeit zudem häufig entgegen, dass eine Betreuung des Kindes nicht durch Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz gesichert ist (siehe unten, (bb)), die faktischen Betreuungskapazitäten nicht für alle Eltern ausreichen und die Wahrnehmung der bestehenden Betreuungsmöglichkeiten zudem eine finanzielle Eigenleistung erfordert, die zu leisten die Betroffenen häufig außerstande sein dürften.
(bb) Auch die Voraussetzungen der zweiten Alternative (Bezug laufender Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch) sind in der Zeit nach der Geburt eines Kindes besonders schwer zu erfüllen. Arbeitslosengeld I erhält gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nur, wer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Dafür müssen Arbeitslose eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende, zumutbare Beschäftigung zu den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben können und dürfen (§ 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III). Arbeitslose stehen dem Arbeitsmarkt nach ständiger Rechtsprechung der Fachgerichte nicht zur Verfügung, wenn für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit keine Betreuungsalternative für betreuungsbedürftige Kinder verfügbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 1991 – 11 RAr 9/90 –, FamRZ 1992, S. 813 ≪814≫; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28. September 2001 – L 3 AL 53/00 –, juris Rn. 24, und vom 27. August 2004 – L 3 AL 85/03 –, juris Rn. 42; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Dezember 2003 – L 12 AL 2723/03 –, juris Rn. 31 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2010 – L 19 B 45/09 AL –, juris Rn. 16 f.). Kinder, für die Erziehungs- oder Elterngeld gewährt werden kann (bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BErzGG 2006, bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BEEG), bedürfen noch der ständigen Betreuung. Die Verfügbarkeit eines Betreuungsplatzes ist für Kinder unter drei Jahren derzeit rechtlich nicht gesichert. Am 1. August 2013 soll eine Neufassung des § 24 SGB VIII in Kraft treten, wonach ein Förderanspruch ab Vollendung des ersten Lebensjahres besteht. Für Kinder unter einem Jahr soll dann gemäß § 24 Abs. 1 SGB VIII ein bedarfsgerechtes Angebot bestehen, ohne dass insoweit ein individueller Anspruch begründet würde (vgl. Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vom 10. Dezember 2008, BGBl I S. 2403 ≪2404, 2409≫; BTDrucks 16/9299, S. 10). Danach ist auch in Zukunft die Betreuung gerade in den ersten zwölf Lebensmonaten eines Kindes, in denen die Eltern gemäß § 4 Abs. 1 BEEG Elterngeld beziehen könnten, nicht subjektivrechtlich gesichert.
(cc) Die dritte Alternative (Inanspruchnahme von Elternzeit) ist im Zeitraum nach der Geburt eines Kindes nahezu unerfüllbar, sofern nicht bereits vor der Geburt ein Arbeitsverhältnis begründet wurde, das während des Bezugszeitraums fortbesteht. Es wird den Betroffenen praktisch kaum gelingen, während der Bezugszeit ein Arbeitsverhältnis zu begründen, um dieses dann zugunsten einer Elternzeit ruhen zu lassen. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass der für die Elternzeit geltende Kündigungsschutz frühestens acht Wochen vor der Inanspruchnahme von Elternzeit einsetzt (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG) und dass die Elternzeit das Auslaufen eines befristeten Arbeitsverhältnisses nicht verhindert. All dies schafft eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Betroffenen während des Bezugszeitraums nicht in einem wegen Elternzeit ruhenden Arbeitsverhältnis stehen, ohne dass dies Schlüsse für die Erwerbstätigkeit nach einer frühen Kinderbetreuungsphase zuließe.
(dd) Der Gesetzgeber hat selbst gesehen, dass eine aktive Arbeitsmarktintegration nach der Geburt durch Umstände erschwert ist, die allein mit der Geburt des Kindes verbunden sind, ohne einer Erwerbstätigkeit dauerhaft entgegenzustehen. Erziehungs- und Elterngeld werden nicht zuletzt in Anerkennung der mit der Geburt eines Kindes einhergehenden Erwerbsunterbrechung gewährt, um die dadurch erschwerte finanzielle Situation junger Familien zu verbessern (vgl. BTDrucks 16/1889, S. 1).
Eine Erwerbstätigkeit (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG, erste Alternative) beziehungsweise die Arbeitsmarktverfügbarkeit (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG, zweite Alternative) in den ersten Lebensmonaten eines Kindes zu verlangen, steht im Übrigen im Widerspruch zu dem vom Gesetzgeber sowohl durch das Bundeserziehungsgeldgesetz als auch durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz verfolgten Ziel, Eltern die Möglichkeit zu geben, sich der Betreuung ihrer Kinder in deren ersten Lebensmonaten ohne finanzielle Not selbst zu widmen (vgl. BTDrucks 10/3792, S. 1, 13; BTDrucks 11/4509, S. 5; BTDrucks 16/1889, S. 2).
(5) Sonstige Gesichtspunkte, die einen Zusammenhang zwischen der Nichterfüllung der in den vorgelegten Regelungen genannten Kriterien und der Aufenthaltsperspektive plausibel begründen könnten, sind auch den Dokumenten zur Entstehung der vorgelegten Regelungen im Bundeserziehungsgeldgesetz von 2006 nicht zu entnehmen. Diese deuten vielmehr darauf hin, dass den drei verwendeten Kriterien keine näheren Überlegungen zu deren Indizeignung hinsichtlich der Aufenthaltsdauer zugrunde liegen. Ausschussbericht und Plenarprotokoll zeigen, dass man von teils unklaren, teils unzutreffenden Vorstellungen darüber ausging, welche Leistungsvoraussetzungen die vorgelegten Regelungen statuieren. Die Ausführungen von Mitgliedern der das Gesetz tragenden Fraktionen lassen erkennen, dass sie annahmen, über das bloße Erfordernis einer Beschäftigungserlaubnis (§ 1 Abs. 6 Nr. 2, 1. Halbsatz BErzGG 2006) und das durch § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe a BErzGG 2006 geschaffene dreijährige Aufenthaltserfordernis hinaus seien für die Erlangung eines Erziehungsgeldanspruchs keine weiteren Voraussetzungen, insbesondere nicht die hier zur Prüfung gestellten Voraussetzungen von § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006, zu erfüllen (vgl. BTDrucks 16/2940, S. 11; Plenarprotokoll 16/57 vom 19. Oktober 2006, S. 5591 f.).
Dass im Gesetzgebungsverfahren keine präzisen Vorstellungen darüber bestanden, inwiefern die bei der ausdifferenzierten Abfassung der Berechtigungstatbestände in den vorgelegten Regelungen getroffenen Unterscheidungen in sachlichem Zusammenhang zu dem inhaltlich maßgeblichen Gesichtspunkt der Aufenthaltsdauer stehen, begründet zwar keinen Verfassungsverstoß. Umgekehrt steuern die im Gesetzgebungsverfahren angestellten Erwägungen jedoch auch keinen Gesichtspunkt bei, unter dem sich die durch § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG zwischen Berechtigten und Nichtberechtigten getroffene Unterscheidung rechtfertigen ließe.
II.
§ 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG verstoßen gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG).
1. Die vorgelegten Regelungen benachteiligen Frauen im Vergleich zu Männern, weil sie den Anspruch auf Erziehungs- oder Elterngeld bei der durch § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchstabe c BEEG erfassten Personengruppe von Voraussetzungen abhängig machen, die Frauen schwerer erfüllen können als Männer.
Die vorgelegten Regelungen benachteiligen Frauen, weil diese nach der Geburt eines Kindes aufgrund mutterschutzrechtlicher Vorschriften – anders als Männer – nicht erwerbstätig werden dürfen und insoweit im Gegensatz zu Männern aus rechtlichen Gründen die Voraussetzungen von § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG (erste und zweite Alternative) objektiv nicht erfüllen können. Während der Mutterschutzfrist ist die Fortsetzung oder die Aufnahme einer gemäß § 1 MuSchG in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallenden Beschäftigung ausgeschlossen (§ 6 Abs. 1 MuSchG). Unabhängig davon, ob eine Mutter in den ersten Wochen nach der Geburt rein physisch einer Beschäftigung nachgehen kann, hat sie rechtlich gar nicht die Möglichkeit, erwerbstätig zu sein oder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen und damit Erziehungs- oder Elterngeld nach der ersten oder zweiten Alternative von § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG zu erhalten. Dies wird nur zum Teil durch die Gewährung von Mutterschaftsgeld nach § 13 MuSchG kompensiert, weil nicht alle Betroffenen Mutterschaftsgeld erhalten und weil das Mutterschaftsgeld der Höhe nach nicht notwendig dem entgangenen Erziehungs- oder Elterngeld entspricht.
§ 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG bewirken über die achtwöchige Mutterschutzfrist hinaus dadurch eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern, dass stillenden Müttern die Ausübung einer Erwerbstätigkeit praktisch nur unter erschwerten Umständen möglich ist. Grundsätzlich müssen sich Mütter nicht entgegenhalten lassen, sie stillten ihr Kind freiwillig und hätten, wenn sie auf das Stillen verzichteten, (nach der Mutterschutzfrist) die gleichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen wie Männer. Dem steht Art. 6 Abs. 4 GG entgegen, der gerade auch stillenden Müttern während der durch die Mutterschaft bedingten Einschränkungen der Erwerbstätigkeit einen besonderen Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft gewährt.
2. Diese Ungleichbehandlung ist an Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu messen. Die zur Prüfung vorgelegten Regelungen sind zwar geschlechtsneutral formuliert. Sie knüpfen weder ausdrücklich an das Geschlecht an noch beziehen sie sich unmittelbar auf ein Merkmal, das nur Frauen oder nur Männer treffen kann. Vielmehr ist die Leistungsgewährung in der ersten und zweiten Alternative unter die Bedingung der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit beziehungsweise der tatsächlichen Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt gestellt. Die daraus resultierende Benachteiligung von Frauen hinsichtlich der Anspruchsberechtigung nach Bundeserziehungsgeldgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz ist jedoch aufs Engste mit den rechtlichen und biologischen Umständen der Mutterschaft verbunden und kommt darum einer unmittelbaren Benachteilung wegen des Geschlechts besonders nahe. Ob auch in anders gelagerten Fällen eine geschlechtsneutral formulierte Regelung, die im Ergebnis überwiegend Angehörige eines Geschlechts trifft, an Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu messen ist (vgl. BVerfGE 97, 35 ≪43≫; 104, 373 ≪393≫; 121, 241 ≪254 f.≫) oder ob dann Art. 3 Abs. 2 GG zur Anwendung kommt (vgl. BVerfGE 113, 1 ≪15≫; 126, 29 ≪53≫), bedarf hier keiner Entscheidung.
Eine Benachteiligung wegen des Geschlechts ist nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur zulässig, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur bei Männern oder nur bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich ist (vgl. BVerfGE 85, 191 ≪207≫; 92, 91 ≪109≫; 114, 357 ≪367≫). Eine Regelung, die weder an das Geschlecht anknüpft noch Merkmale verwendet, die von vornherein nur Frauen oder nur Männer treffen können, die aber, wie hier, Frauen aufgrund rechtlicher und biologischer Umstände der Mutterschaft gegenüber Männern benachteiligt, unterliegt nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ebenfalls strengen Rechtfertigungsanforderungen. Ausnahmsweise mag sie vor Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG auch durch sonstige Sachgründe zu rechtfertigen sein, die jedoch von erheblichem Gewicht sein müssten.
3. Die Benachteiligung von Frauen lässt sich hier schon deshalb nicht rechtfertigen, weil sich mit der durch die vorgelegten Regelungen vorgenommenen Differenzierung die gesetzgeberische Absicht, die Fälle voraussichtlich langer Aufenthaltsdauer zu erfassen, mangels Prognoseeignung der dafür verwendeten Merkmale nicht erreichen lässt (siehe oben, I.).
D.
I.
§ 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG sind gemäß § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 78 Satz 1 BVerfGG nichtig. Beruht die Verfassungswidrigkeit einer Norm – wie hier – auf einem Gleichheitsverstoß, belässt es das Bundesverfassungsgericht zwar regelmäßig bei der Feststellung der Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 84, 168 ≪186 f.≫; 92, 158 ≪186≫; 117, 1 ≪69≫; 122, 210 ≪245≫; 126, 400 ≪431≫). Für die Beschränkung auf eine bloße Unvereinbarkeitserklärung besteht hier jedoch kein Anlass. Die Nichtigerklärung schränkt den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht unverhältnismäßig ein. Die Anspruchsvoraussetzungen betreffend die Erwerbstätigkeitsberechtigung (§ 1 Abs. 6 Nr. 2, 1. Halbsatz BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 2, 1. Halbsatz BEEG) und den mindestens dreijährigen Aufenthalt (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe a BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe a BEEG), die im Vordergrund der parlamentarischen Beratungen gestanden haben, werden von der Nichtigerklärung nicht berührt. Die für nichtig erklärten Merkmale in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG sind zur Erreichung des vom Gesetzgeber mit den Regelungen verfolgten Zwecks nicht geeignet. Dem Gesetzgeber wird daher mit der Nichtigerklärung allein dieser Voraussetzungen keine von ihm so grundsätzlich nicht gewollte Regelung aufgedrängt.
II.
Bescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von der Nichtigerklärung unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, eine andere Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 94, 241 ≪266 f.≫; 111, 115 ≪146≫).
Unterschriften
Kirchhof, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Masing, Paulus, Baer, Britz
Fundstellen
Haufe-Index 3657917 |
DStR 2012, 12 |
DStR 2013, 1137 |