Sven Franke, Stefanie Hornung
Damit sind wir beim nächsten Reizthema in Sachen Geld angelangt: die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen. Interessanterweise verläuft der Graben nicht zwischen den Geschlechtern selbst. Wer genauer hinhört, erkennt vielmehr, dass es um Bewertungsmaßstäbe geht, mit denen die Diskutanten Lohngerechtigkeit definieren oder ungleiche Vergütung begründen.
Der Gender Pay Gap beschreibt den prozentualen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Männern und Frauen. Die Berechnungen sind europaweit einheitlich und ermöglichen somit Vergleiche zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Laut Statistischem Bundesamt lag der Gender Pay Gap in Deutschland 2018 wie bereits 2017 und 2016 bei 21 %. Das bedeutet konkret, während Männer im Durchschnitt auf einen Bruttostundenlohn von 21,60 EUR kommen, liegen Frauen bei durchschnittlich 17,09 EUR.
Der EU-Durchschnitt beim Gender Pay Gap liegt bei 16 %. Deutschland belegt mit 21 % den unrühmlichen dritten Platz, direkt hinter Estland mit 25 % und der Tschechischen Republik mit 22 %. In Österreich und der Schweiz liegt der Gender Pay Gap etwas darunter mit 20 % und 17 %. Die geringsten Differenzen gibt es in Belgien und Luxemburg mit jeweils 6 % sowie in Italien und Rumänien mit jeweils 5 %. Doch schon innerhalb Deutschlands kommt es zu gravierenden Unterschieden. Während in Sachsen-Anhalt und Brandenburg nur eine Differenz von 2 und 3 % beim Durchschnittslohn bestehen, sind es in Bayern und Hessen 24 % und in Baden-Württemberg sogar 27 %.
Die Ursachen für den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen sind vielschichtig. Laut Statistischem Bundesamt lassen sich Lohnunterschiede in 3 von 4 Fällen auf strukturelle Unterschiede zurückführen. "Die wichtigsten Gründe für die Differenzen der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste sind Unterschiede in den Branchen und Berufen, in denen Frauen und Männer tätig sind, sowie ungleich verteilte Arbeitsplatzanforderungen hinsichtlich Führung und Qualifikation. Darüber hinaus sind Frauen häufiger als Männer teilzeit- oder geringfügig beschäftigt." Aus diesem Grund berechnet das Statistische Bundesamt den so genannten "bereinigten Gender Pay Gap", der diese Aspekte berücksichtigt. 2014 lag der bereinigte Gender Pay Gap in Deutschland bei 6 %.
Doch "der erklärte Anteil des Pay Gap ist keineswegs frei von Diskriminierungen, wie umgekehrt die bereinigte Lohnlücke nicht mit Entgeltdiskriminierung gleichzusetzen ist", so das Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Denn dass die Löhne und Gehälter in Branchen oder Berufen, in denen überwiegend Frauen tätig sind, geringer ausfallen, bedeutet nicht, dass die Leistung, die Beschäftigte dort erbringen, auch objektiv weniger wert ist.
Kommt es in einem Unternehmen zu Lohndifferenzen zwischen Frauen und Männern, so gibt dies nach unserer Ansicht auch Aufschluss über die Kultur in der jeweiligen Organisation. Insbesondere dann, wenn die Vergütung auf der gleichen oder ähnlichen Position spürbare Gehaltsunterschiede aufweist. Welche Dimensionen dieser Unterschied in einer einzelnen Organisation annehmen kann, zeigte sich unter anderem bei der BBC.
Dort wandte sich Carrie Gracie, Redaktionsleiterin der BBC in China, mit einem offenen Brief an ihren Arbeitgeber. Sie hatte festgestellt, dass männliche Kollegen in der gleichen Position bis zu 50 % mehr verdienten als sie. Ihre Vorgesetzten boten ihr eine üppige Gehaltserhöhung an, doch Gracie lehnte ab. Denn selbst mit der üppigen Gehaltserhöhung wäre ihr Gehalt weiterhin unter dem ihrer männlichen Kollegen geblieben. Und so schmiss sie die Redaktionsleitung in Peking hin und ging zurück nach London. Denn ihr Ziel, die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, gestand man ihr nicht zu. Ihr Schritt sorgte für großes Aufsehen und auch dafür, dass sich bald schon die ersten männlichen Kollegen meldeten und anboten auf einen Teil ihres Gehalts zugunsten von Kolleginnen zu verzichten. Mittlerweile hat die BBC nach eigenen Angaben die Gehälter angepasst.
In Großbritannien müssen seit 2018 Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern ihren Gender Pay Gap publizieren. Diese Daten werden auf einer Regierungswebseite veröffentlicht und können von jedem eingesehen werden.