15. Erhält jeder Arbeitnehmer noch eine Papiervariante für sich und wenn ja, wofür?
Ja. Arbeitnehmer erhalten wie bisher vom Arzt eine Papierbescheinigung, welche die vom Arzt gestellte Diagnose enthält. Die Papierbescheinigung ist für die persönlichen Unterlagen des Arbeitnehmers bestimmt.
16. Der Arbeitgeber ist in der "Holpflicht", die AU abzurufen, und der Arbeitnehmer nicht mehr in der Bringpflicht. Wie ist die Sachlage zu beurteilen, wenn die Krankenkasse nicht die AU übermittelt? Darf man den Arbeitnehmer einfach aus der Lohnfortzahlung nehmen?
Das ist im Moment noch streitig. § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG sieht ausdrücklich ein Zurückbehaltungsrecht, d. h. die Berechtigung des Arbeitgebers vor, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern, "solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 EFZG vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt". Im Zusammenhang mit der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und dem Wegfall der Vorlagepflicht wurde § 7 EFZG aber nicht angepasst. Derzeit ist das Zurückbehaltungsrecht deshalb nach dem Wortlaut immer noch daran geknüpft, dass der Arbeitnehmer die von ihm vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt. Seit 1.1.2023 besteht aber keine Vorlagepflicht des Arbeitnehmers mehr. Rechtlich stellt sich deshalb die Frage nach der analogen Anwendung aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke. Ob eine analoge Anwendung zulässig ist, wird in der Fachliteratur unterschiedlich beurteilt. Wenn der Gesetzgeber § 7 EFZG nicht noch modifiziert, werden die Arbeitsgerichte die Frage einer analogen Anwendung entscheiden müssen.
17. Wie erfährt der Arbeitgeber, ob sich der Mitarbeiter die ärztliche Bescheinigung nach § 5 Abs. 1a EFZG hat aushändigen lassen? Kann der Arbeitnehmer abgemahnt werden, wenn er dem nicht nachkommt?
Das erfahren Sie als Arbeitgeber in der Regel nicht. Hat sich der Mitarbeiter keine ärztliche Bescheinigung aushändigen lassen, kann dies vom Arbeitgeber nicht abgemahnt werden. Die vom Arzt dem Mitarbeiter auszuhändigende (Papier-)Bescheinigung ist ausschließlich für die Unterlagen des Mitarbeiters bestimmt; wenn sich der Mitarbeiter die Bescheinigung nicht aushändigen lässt, stellt das keine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht (gegenüber dem Arbeitgeber) dar. Ohne Pflichtverletzung kann auch keine Abmahnung ausgesprochen werden.
18. Wie kann man arbeitsrechtlich mit Mitarbeitern umgehen, die sich nicht krankmelden und einfach der Arbeit fernbleiben?

Hier muss man unterscheiden: Arbeitnehmer, welche die Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich mitteilen, verstoßen gegen die sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG ergebende Anzeigepflicht; dies ist die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht und kann abgemahnt werden.

Arbeitnehmer, die das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer nicht zu den im Gesetz genannten Zeitpunkten ärztlich feststellen lassen, verletzen ebenfalls eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht; auch dies kann abgemahnt werden. Aus Arbeitgebersicht muss aber auf jeden Fall (wie bisher) immer zwischen der Anzeigepflicht und der Nachweispflicht unterschieden werden.
19. Kann der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer bei Störfällen auffordern, eine Kopie der AU vorzulegen?
Eine entsprechende Aufforderung ist zwar denkbar, der Arbeitnehmer ist aber nicht verpflichtet, eine Kopie seiner AU-Bescheinigung vorzulegen bzw. dem Arbeitgeber auszuhändigen. Wenn er eine Kopie aushändigt, ist er auf jeden Fall berechtigt, die sich auf dem Original befindenden Diagnoseschlüssel auf der Kopie zu "schwärzen". Sollte sich der Arbeitnehmer weigern, eine Kopie seiner AU- Bescheinigung vorzulegen, wäre die Weigerung keine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung.
20. Wer trägt die Verantwortung, wenn die Meldung vom Arzt fehlt, aber der Arbeitnehmer sagt, er sei beim Arzt gewesen?
Fehler, die in der Sphäre der Arztpraxis und/oder der Krankenkasse auftreten, dürfen nicht zulasten des Arbeitnehmers gehen. Der Arbeitnehmer muss allerdings beweisen, dass er beim Arzt war und dass er von diesem seine Arbeitsunfähigkeit hat feststellen lassen. Wenn der Arzt die festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht elektronisch an die Krankenkasse übermittelt, muss der Beweis auf andere Art erfolgen, z.B. durch eine Bestätigung des Arztes oder im Extremfall durch eine Vernehmung des Arztes als Zeuge im Arbeitsgerichtsprozess.
21. Der Arbeitnehmer hat einen rechtlichen Anspruch auf eine Ersatzbescheinigung. Aber hat der Arbeitgeber auch einen rechtlichen Anspruch darauf, im Falle einer Störung des eAU-Verfahrens, diese Ersatzbescheinigung einzufordern? Und wenn ja, innerhalb welcher Frist?
Ein elektronischer Abruf der Arbeitgeber wird von den Krankenkassen auch mit Daten aus dem Ersatzverfahren gewährleistet. Wenn zum Zeitpunkt des Abrufs der Krankenkasse (noch) keine Daten vorliegen, wird die Anfrage zwar erst negativ beantwortet, die Krankenkasse prüft ab diesem Zeitpunkt aber 14 Tage, ob weitere AU-Zeiten eingehen. Ist dies der F...

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