Für den Fall, dass das eAU-Verfahren nicht gilt, sieht § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG als Regelfall vor, dass der Arbeitnehmer den papierenen Nachweis an dem Arbeitstag erbringt, der auf die ersten 3 Kalendertage der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Berechnung dieser Frist kann im Einzelfall problematisch werden.

 
Praxis-Beispiel

Beschäftigung nur an einzelnen Arbeitstagen

Der Arbeitnehmer ist in Teilzeit mittwochs, donnerstags und freitags beschäftigt. Er erkrankt freitags, ohne an diesem Tag gearbeitet zu haben. 3 Tage Dauer der Arbeitsunfähigkeit sind am Sonntag erreicht. Im Betrieb wird montags wieder gearbeitet, der erste Arbeitstag für den Arbeitnehmer wäre aber erst der nächste Mittwoch.

Die Berechnung der Nachweisfrist ist in der wissenschaftlichen Literatur umstritten. Zu Recht stellt die weitaus herrschende Ansicht bei der Ermittlung des auf die 3 Krankheitstage folgenden Arbeitstags nicht auf die individuelle Situation des Arbeitnehmers, sondern auf die des Betriebs ab. Dann wäre die Bescheinigung am Montag vorzulegen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Entscheidend sind Arbeitstage des Betriebs

  • Erkrankt der Arbeitnehmer Karfreitag und wird im Betrieb nur werktags gearbeitet, so ist der Arbeitsunfähigkeitsnachweis erst ab Osterdienstag beizubringen.
  • Wird im Unternehmen auch Ostermontag gearbeitet, so ist im vorigen Fall der Nachweis bereits am Ostermontag zu erbringen.

Für den Fall, dass das eAU-Verfahren nicht gilt, kann der Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG die Vorlage der AU-Bescheinigung in Papierform schon früher verlangen. Der Arbeitgeber kann die Vorlagefrist unbeschränkt verkürzen, er kann sogar eine unverzügliche Vorlage ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit fordern. Damit kann der Arbeitnehmer verpflichtet werden, schon am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit so früh wie möglich seine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen.[2] Gründe für die Aufforderung zur vorzeitigen Vorlage der papierenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss der Arbeitgeber nicht haben, er ist jedoch an die allgemeinen Regeln – insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz – gebunden.[3] Die Ausübung des dem Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts steht nach der Rechtsprechung des BAG im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Es ist nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Dem kann eine tarifliche Regelung entgegenstehen. Dies aber nur dann, wenn diese das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließt.[4] Auch einer bestimmten Form der Rechtsausübung bedarf es nicht, der Arbeitgeber kann die vorzeitige Vorlage mündlich (auch telefonisch) oder schriftlich verlangen.

Der Arbeitgeber kann die vorzeitige Vorlage – soweit noch anwendbar – auch generell und kollektiv regeln, z. B. durch Aushang am Schwarzen Brett, Hausmitteilung, einheitliche Regelung in allen Arbeitsverträgen; in diesen kollektiven Fällen besteht jedoch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist der Betriebsrat zuständig. Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats kann auch nicht durch das vom Arbeitgeber bekundete Interesse an einheitlichen Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter begründet werden.[5] Der Arbeitgeber kann die Regelung auch mit dem Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung treffen.

Die frühere Nachweispflicht kann auch in einem Tarifvertrag festgelegt werden[6]; in einem solchen Fall können die Betriebsparteien die Frist nicht durch Betriebsvereinbarung wieder verlängern. Ein Verzicht des Arbeitgebers auf entsprechend früher möglichen Nachweis verwehrt es ihm nicht, die Arbeitsunfähigkeit später zu bestreiten.[7]

[1] Z. B. Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 5 EFZG, Rz. 58; a. A. Reinhard, ErfK, 22. Aufl. 2022, § 5, Rz. 11: subjektiver Arbeitstag des Arbeitnehmers gibt Maß.

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