Eine unmittelbare Ungleichbehandlung ist eine Situation, in der eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.[1]

 
Praxis-Beispiel

Geringeres Entgelt

Arbeitgeber X zahlt Frauen einen niedrigeren Stundenlohn, ein niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie als den männlichen Kollegen.[2]

Hier liegt unzweifelhaft eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts vor, da die niedrigere Entlohnung – unstreitig – allein auf dem Geschlecht beruht.[3] Anknüpfungspunkt für die ungleiche Entlohnung ist (nur) das Geschlecht. Nicht erforderlich ist, dass die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht das einzige Motiv für die Ungleichbehandlung ist. Es ist also keine besondere Absicht des Arbeitgebers zur Benachteiligung eines bestimmten Geschlechts erforderlich, sondern ein Motivbündel genügt.[4]

 
Praxis-Beispiel

Geringeres Entgelt aufgrund Verhandlungsgeschick

Arbeitgeber X stellt Bewerberin F zu einem Monatslohn von 3.500 EUR ein, obwohl er einen Monat zuvor den männlichen Bewerber M zu einem Monatslohn von 4.000 EUR eingestellt hatte. X begründet die unterschiedliche Bezahlung mit dem besseren Verhandlungsgeschick des M, der nur zu diesem Betrag zum Abschluss des Arbeitsvertrags bereit gewesen ist.

Ausreichend ist das Vorliegen eines Motivbündels, das die Entscheidung des Arbeitgebers (mit)beeinflusst hat. Im obigen Fall war die Zahlung des höheren Entgelts an den männlichen Bewerber M möglicherweise in erster Linie durch dessen Weigerung zum Vertragsabschluss zu dem niedrigeren Gehalt motiviert. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Zugehörigkeit der Bewerberin F zum weiblichen Geschlecht die Entscheidung des X, der F die Stelle für das niedrigere Gehalt anzubieten, zumindest mitbeeinflusst hat.[5]

Ersichtlich kann eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nur dann ausgeschlossen werden, wenn die Geschlechtszugehörigkeit des Arbeitnehmers die Entscheidung des Arbeitgebers nicht zumindest (mit)beeinflusst hat.

[3] Siehe Fn. 21.
[4] Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2022, Art. 157 AEUV, Rz. 37.

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