Die eine Gesamtlösung existiert weder im BGM, noch in der Arbeitsmedizin oder Arbeitssicherheit – auch während der Pandemie nicht. Deshalb sollten Unternehmen die beschriebenen Maßnahmen neben den geltenden Verordnungen zielgerichtet konzipieren und umsetzen. Hierbei ist zwischen den einzelnen Branchen wie auch innerhalb der Unternehmen zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen zu differenzieren.
3.1 Branchen
Der Gefahr einer erhöhten psychischen und physischen Belastung waren Arbeitnehmer z. B. im Gesundheitsdienst oder auch im Einzelhandel ausgesetzt. Der Einzelhandel war v. a. zu Beginn der Pandemie durch das veränderte Einkaufsverhalten stark gefordert. Ebenso wie das Pflegepersonal, das erschwerend mit Sorgen, Hoffnungslosigkeit und Depressivität zu kämpfen hatte. Angst um den eigenen Arbeitsplatz hatte die Branche nicht. Im Gegensatz zu produzierenden Branchen, die aufgrund der Pandemie Engpässe zu verzeichnen hatten und die Belegschaft in Kurzarbeit schicken mussten. Auch für Arbeitnehmer, die das mobile Arbeiten bisher nicht gelebt haben, kann diese Form des Arbeitens zur enormen Belastung werden. Die gewonnene Flexibilität kann sowohl Segen als auch Fluch bedeuten, der die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem verschwinden lässt. Ebenso stellte es für die meisten Unternehmen eine hohe Herausforderung dar, die benötigte IT-Struktur sicherzustellen.
Durch diese Beispiele ist deutlich zu erkennen, dass die Belastungen der Arbeitnehmer unterschiedlicher Branchen verschiedene Ausmaße hatte bzw. hat.
3.2 Arbeitnehmergruppen
Aber auch innerhalb der Unternehmen ist es von großer Notwendigkeit, zielgruppenspezifische Maßnahmen anzubieten.
Die Kinderbetreuung ist während der Pandemie besonders für berufstätige Frauen zu einer vermehrten Doppelbelastung geworden. Neben dem Homeschooling waren die Eltern für das Freizeitangebot zu Hause verantwortlich, was i. d. R. bereits teilweise durch Vereinsaktivitäten, Hobbys oder Freunde abgedeckt war. Für diese Zielgruppe standen weniger die Förderung der Kommunikation bzw. der Aktivitäten zu Hause im Vordergrund, sondern die Entlastung durch flexible Arbeitszeiten und Unterstützung seitens der Kollegen wie auch der Führungskraft oder auch durch bezahlten Sonderurlaub. Hilfreich war hier ebenso eine Priorisierung der Aufgaben. Denkbar war auch eine Aufgabenverteilung an das Team. Bzgl. der Kommunikation halfen v. a. Gespräche mit Kollegen in gleichen Situationen sowie Hilfsangebote in Form von Coaching oder psychologischer Beratung. Maßnahmen im Rahmen von Entspannungsprogrammen wirkten ebenfalls unterstützend.
Im Gegensatz zu dieser Arbeitnehmergruppe ist der Bedarf bei alleinstehenden Arbeitnehmern ein anderer. Wenn der Arbeitsplatz der primäre Ort für zwischenmenschliche Interaktionen ist, gerät diese Gruppe durch die Pandemie in Isolation. Hier sind Maßnahmen notwendig, die trotz der physischen Distanzierung ein Wir-Gefühl generieren. Neben regelmäßiger Kommunikation auf unterschiedlichen Kanälen sind auch haptische Erlebnisse, wie ein Brief oder ein Geschenkkorb, denkbar. Um Folgen der Isolation und der damit verbundenen psychischen Belastungen vorzubeugen, ist auch hier ein Employee Assistance Program (EAP) – eine 24/7 Telefonberatung – eine sehr bedeutsame Maßnahme.
Für Führungskräfte, für die das digitale Führen neu ist, besteht eine große Herausforderung in ihrer Fürsorgepflicht. Neben der fachlichen Komponente ist ein hohes Maß an Empathie sowie Kommunikationsfähigkeit notwendig, um Ängste und Bedenken des Teams wahrzunehmen und entsprechend zu reagieren. Dies kann nur geschehen, wenn die Führungskräfte selbst mit den zur Verfügung stehenden Medien vertraut sind und somit ihr Team ausreichend adressieren können. Neben einer transparenten Kommunikation des aktuellen Unternehmensgeschehens ist der Aufbau einer vertrauten und konstruktiven virtuellen Arbeitsumgebung unabdingbar, um die gewünschten Ziele in entsprechender Qualität zu erreichen.
Es ist wichtig, Führungskräften in Zeiten einer Krise auf sie zugeschnittene Hilfsangebote, wie Schulungen oder Austauschplattformen, zur Verfügung zu stellen.
3.3 Bereiche
Innerhalb eines Unternehmens sind die erforderlichen Maßnahmen unterschiedlich. Im Folgenden werden allgemeine Empfehlungen und Erfahrungen beschrieben.
1. Sicherstellung der Arbeitsbedingung auch im mobilen Arbeiten von zu Hause
Um die Herausforderungen annehmen zu können, müssen die technischen Bedingungen im Homeoffice gleich von Beginn an stimmen. Andernfalls ist die Umsetzung der Arbeit gefährdet und auch die Motivation und das Wohlbefinden schwer aufrechtzuerhalten. Psychische Beanspruchungen in Form von Stressreaktionen könnten bei den Mitarbeitern entstehen. In den meisten Unternehmen waren technische Bedingungen für das mobile Arbeiten von zu Hause auch schon vor COVID-19 vorhanden und positiv erprobt. Jedoch war es auch für diese Unternehmen neu, sich ausschließlich virtuell auszutauschen, die Mitarbeiter zu führen und in Projekten gemeinsam zu arbeiten. Daher war es wichtig, von Anfang an top...