Prof. Dr. Cathrin Eireiner, Prof. Dr. Stephan Fischer
HR kann sich bei der ESG-Ausrichtung bewusst für eine Rolle entscheiden, die das Institut für Personalforschung an der Hochschule Pforzheim identifiziert hat. Die vier Rollen unterscheiden sich darin, welche primären Aufgaben HR übernimmt und welche Ressourcen und Kompetenzen benötigt werden. Ob HR bereits in der gewählten Rolle agieren kann oder sich dorthin entwickeln muss, hängt davon ab, welche Kompetenzen vorhanden sind, wie HR positioniert ist und welche Aufgaben derzeit im Bereich von HR liegen.
Die vier Rollen lassen sich grundsätzlich in zwei Rollen-Cluster unterteilen: jeweils zwei Rollen erster und zweiter Ordnung. Im Cluster der ersten Ordnung, "Supporter", trägt HR die vorgegebene ESG-Ausrichtung der Organisation mit. Dabei unterstützt HR andere Funktionen verlässlich, um die Berichte zu erstellen oder die Unternehmensstrategie zu verwirklichen. Das Cluster ist im Weiteren davon geprägt, dass HR im System arbeitet und sich auf operative Tätigkeiten konzentriert. Im zweiten Rollencluster (Rollen zweiter Ordnung) – dem "Shaper" Cluster – finden sich zwei Rollen, die eine stärker (mit-)gestaltende Rolle in der ESG-Ausrichtung übernehmen.
2.1 Supporter: Zahlen liefern und Impulse setzen
In der Rolle des verlässlichen Data Delivery Hero liefert HR die geforderten Daten an die Stelle, die für die ESG-Berichterstattung zuständig ist – das kann etwa die oder der CSR-Verantwortliche sein. Um die aus der Berichtspflicht und der Wesentlichkeitsanalyse identifizierten Kennzahlen und Indikatoren zuverlässig bereitzustellen, benötigt HR ein gutes Datenmanagement, das in dieser Rolle die Kernaufgabe für HR ist. Um den Anforderungen als Datenlieferant gerecht zu werden, muss HR bezogen auf Ressourcen und Kompetenzen zwei Voraussetzungen erfüllen: Zum einen braucht HR eine standardisierte systemgestützte Datentransparenz, die es ermöglicht, Daten effizient und schnell zu generieren; zum anderen braucht HR eine Datenaufbereitungskompetenz, die den professionellen Umgang mit den Daten sicherstellt. Für Unternehmen, die ESG-berichtspflichtig sind oder werden, entspricht die Rolle des Data Delivery Heroes den Mindestanforderungen an einen HR-Bereich.
Die zweite Rolle, die HR im Supporter-Cluster einnehmen kann, ist die Rolle des reaktiven Silo-Aktivisten. Hier liefert HR nicht nur Daten, sondern setzt darüber hinaus inhaltliche Impulse für HR-Maßnahmen auf einer operativen Ebene. Das kann etwa die Lohngerechtigkeit oder den Gesundheitsschutz betreffen; zumindest aber Themen, die im ESG-Bericht gefordert sind. Damit ändert sich die Rolle in eine inhaltlich unterstützende Rolle, in der HR selbst Ideen einbringt, um die Kennzahlen im Bericht zu verbessern und in die gewünschte Richtung zu entwickeln. Dies geschieht jedoch eher reaktiv und nur innerhalb der drei inhaltlichen Silos E, S und G – wobei der Fokus klar bei der sozialen Komponente liegt.
Damit HR diese Rolle verlässlich einnehmen kann, sind zwei Dinge essenziell: Erstens muss sich HR an Best Practices orientieren und damit bewusst jene HR-Maßnahmen anstoßen, mit denen das Unternehmen nachhaltiger gemacht werden kann. Zweitens braucht HR verstärkt analytische Fähigkeiten, die es erlauben, Kennzahlen nicht nur zu erfassen, sondern auch Zusammenhänge in diesen zu erkennen. Auch wenn die Gegebenheiten komplex sind, sollte HR aufzeigen können, wie sich die Zahlen in die gewünschte Richtung entwickeln lassen. Das ist Voraussetzung, um zu identifizieren, welche Maßnahmen innerhalb der drei ESG-Silos erfolgversprechend sind.
Um sich vom reinen Data Delivery Hero hin zum Silo-Aktivisten zu entwickeln, muss sich HR bei der Datengenerierung verstärkt auf jene Inhalte konzentrieren, die für den Bericht Relevanz haben. Ziel ist es, Veränderungen bei den dahinterstehenden Themen zu bewirken. Das kann etwa die Arbeitsbedingungen oder Diversity betreffen. Für HR bedeutet dies, Daten und Kennzahlen so zu entwickeln und zu interpretieren, dass sie den ESG-Anforderungen entsprechen. HR muss in diesem Entwicklungsschritt noch stärker über analytische und statistische Fähigkeiten verfügen, um Veränderungen und Ziele in den wichtigen Themenbereichen sichtbar zu machen und die richtigen Messgrößen zu nutzen. Die Kennzahlen nur zu beschreiben, reicht hier nicht aus. Darüber hinaus benötigt HR neben diesen Kompetenzen auch solide IT-Systeme und geeignete Auswertungsroutinen.
Die dringende Empfehlung für HR-Verantwortliche ist, die notwendigen Systemvoraussetzungen und Datenkompetenzen im eigenen Bereich sicherzustellen – und zwar bereits einige Zeit, bevor das Unternehmen berichtspflichtig wird. Um zu entscheiden, ob Kompetenzen intern aufgebaut oder durch externe Dienstleister zugekauft werden sollen, muss die HR-Abteilung beachten, welche Rolle sie mittelfristig anstrebt. Verbleibt HR in den Rollen des Supporter-Clusters, ist es nicht zwingend notwendig, intern Kompetenzen aufzubauen. Die fehlende Kompetenz kann auch von außen eingekauft werden. Möchte oder muss HR eine andere Rolle einnehmen als die des Datenlieferanten, ist es jedoc...