Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerabzugsverfahren bei künstlerischen Darbietungen eines Gebietsfremden zulässig; Nichtberücksichtigung der an den Gebietsfremden gezahlten Vergütung als Betriebsausgabe unzulässig
Leitsatz (amtlich)
1. Die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen,
‐ nach denen auf die Vergütung eines Dienstleisters, der im Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht ansässig ist, ein Steuerabzugsverfahren Anwendung findet, während die Vergütung eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters diesem Verfahren nicht unterliegt;
‐ nach denen der Dienstleistungsempfänger in Haftung genommen wird, wenn er den Steuerabzug, zu dem er verpflichtet war, unterlassen hat.
2. Die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen,
‐ dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Dienstleister ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte, d. h. die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleibenden Einkünfte, der Steuer unterliegen;
‐ dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass im Steuerabzugsverfahren nur diejenigen Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Tätigkeiten stehen, aus denen die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, die im Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung ausgeführt worden sind und die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Dienstleister dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, und dass etwaige weitere Betriebsausgaben, die nicht unmittelbar mit dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren berücksichtigt werden können;
‐ dass sie nicht verbieten, dass die Steuerbefreiung, die einem gebietsfremden Dienstleister, der in Deutschland tätig geworden ist, nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiet vom 16. Juni 1959 zusteht, entweder vom Vergütungsschuldner im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens oder in einem späteren Freistellungs- oder Erstattungsverfahren oder aber in einem gegen den Vergütungsschuldner eingeleiteten Haftungsverfahren nur dann berücksichtigt werden kann, wenn von der zuständigen Steuerbehörde eine Freistellungsbescheinigung erteilt worden ist, der zufolge die Voraussetzungen hierfür nach diesem Abkommen erfüllt sind.
3. Artikel 59 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, dass er nicht zugunsten eines Dienstleisters anwendbar ist, der die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt.
Normenkette
EWGVtr Art. 59-60
Beteiligte
FKP Scorpio Konzertproduktionen |
FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH |
Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Artikel 59 EWG-Vertrag (später Artikel 59 EG-Vertrag und nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) und Artikel 60 EWG-Vertrag (später Artikel 60 EG-Vertrag und jetzt Artikel 50 EG) ‐ Steuerrecht ‐ Einkommensteuer ‐ Dienstleistungen eines Gebietsfremden im Rahmen von künstlerischen Darbietungen ‐ Grundsatz des Steuerabzugs ‐ Dienstleister, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt“
In der Rechtssache C-290/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2004, in dem Verfahren
FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH
gegen
Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und J. Makarczyk sowie der Richter J.-P. Puissochet, R. Schintgen, P. Kũris, U. Lõhmus, E. Levits (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte A. Cordewener und H. Grams sowie durch D. Molenaar, belastingadviseur,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, U. Forsthoff und A. Tiemann als Bevollmächtigte,
‐ der belgischen Regierung, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigten,
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia ...