Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustabzug bei privaten Veräußerungsgeschäften auf Einkunftsebene
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Anordnung der Verlustverrechnung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Einkünften in § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG ist als Spezialvorschrift hinsichtlich des Ortes der Verlustverrechnung zu verstehen und vorrangig gegenüber dem Verweis auf § 10d EStG.
2) Die Verlustverrechnung auf Einkunftsebene ist auch im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG §§ 10d, 23 Abs. 3 S. 9, § 46 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Ermittlung der nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegenden, positiven Einkünfte im Sinne des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ein Verlustabzug für private Veräußerungsgeschäfte im Sinne des § 23 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen und dementsprechend eine Pflicht- oder eine Antragsveranlagung zur Einkommensteuer 2006 vorzunehmen ist.
Der Kläger reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 mit Schreiben vom 16.08.2011 beim Beklagten ein. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärte der Kläger darin unterhalb des Sparer-Freibetrages liegende Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, die unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens insgesamt 2.110 € betragen.
Der Beklagte nahm aufgrund nach seiner Auffassung zwingend auf Einkunftsebene vorzunehmender Verrechnung der für das Streitjahr erklärten, positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit auf den 31.12.2005 festgestellten Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 1.923 € (Saldo: 187 €) eine Antragsveranlagung an und lehnte diese mit Schreiben vom 26.08.2011 unter Hinweis auf die Überschreitung der Festsetzungsfrist ab. Die Festsetzungsfrist für Antragsveranlagungen betrage 4 Jahre ohne Geltung der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit fristgerecht erhobenem Einspruch, mit dem er geltend machte, eine Veranlagung habe als Pflichtveranlagung zu erfolgen, da die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, im Streitjahr mehr als 410 € betragen habe. Zur Begründung führte er aus, die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften seien nach der Systematik des Einkommensteuergesetzes gemäß § 10d EStG erst vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen und bei der Bildung der Summe der Einkünfte noch nicht zu berücksichtigen. Der Begriff der Summe der Einkünfte in § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG entspreche dem in § 2 Abs. 3 EStG. Die zu berücksichtigenden Einkünfte im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG seien nach Art und Höhe nach den §§ 13 bis 24 EStG zu ermitteln und hieraus die Summe der Einkünfte zu bilden. Hiervon sei, wie in § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ausdrücklich angeordnet, allenfalls noch ein Freibetrag für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie ein Altersentlastungsbetrag abzuziehen. Ein weiterer Verlustabzug gemäß § 10 d EStG sei von der Vorschrift des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht vorgesehen und eine Berücksichtigung bei der Berechnung der Summe der positiven Nebeneinkünfte daher unzulässig.
Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers durch Einspruchsentscheidung vom 25.05.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er an, die Verlustverrechnung im Rahmen des § 23 EStG sei unter Berücksichtigung des besonderen Verlustverrechnungskreises – anders als bei der Verlustverrechnung nach § 10 d EStG – bereits auf Ebene der Einkunftsermittlung vorzunehmen. Aufgrund der gemäß § 23 Abs. 3 Satz 8 und Satz 9 EStG sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zwingend im nachfolgenden Veranlagungszeitraum durchzuführenden Verlustverrechnung betrage die positive Summe der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Streitjahr lediglich 187 € und damit weniger als 410 €. Es bleibe daher dabei, dass eine Antragsveranlagung vorliege, welche aufgrund Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr durchgeführt werden könne.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Klage, zu deren Begründung er ergänzend zu seinem Vorbringen im außergerichtlichen Verfahren vorträgt, bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 23 EStG ergebe sich, dass ein Verlustabzug „nach Maßgabe des § 10d EStG” und damit vom Gesamtbetrag der Einkünfte zu erfolgen habe. Andernfalls, d.h. bei Vornahme eines Verlustabzugs bereits auf Ebene der Einkunftsermittlung, werde die Systematik des § 2 EStG in Frage gestellt, was erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Verwendung der dort definierten Begriffe schaffen würde und vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Aufnahme von Ausführungen zur Verlustverrechnung in § 23 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, dem allein die Absicht des Gesetzgebers zugrunde gelegen habe, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dessen Beschluss vom 30.09.1998 (2 BvR 1818/91, DB 1998, 2247) umzusetzen...