1 Überblick

 

Rz. 1

§ 14 Abs. 1 erlaubt Abweichungen von den Arbeitszeitregelungen der §§ 35, 6 Abs. 2, §§ 7, 911 in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich jeweils um vorübergehende Arbeiten handelt. Nach § 14 Abs. 2 darf der Arbeitgeber ferner von den §§ 35, 6 Abs. 2, §§ 7, 11 Abs. 13 und § 12 abweichen, wenn entweder eine verhältnismäßig geringe Zahl von Arbeitnehmern vorübergehend beschäftigt wird, um andernfalls drohenden Schaden abzuwenden (Nr. 1), oder in Forschung und Lehre bzw. im Falle der Unaufschiebbarkeit bei Vor- und Abschlussarbeiten und in der Pflege von Menschen oder Tieren (Nr. 2); jedoch jeweils nur dann, wenn dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können. § 14 Abs. 3 stellt für den Fall, dass von den Ausnahmen der Absätze 1 und 2 Gebrauch gemacht wird, eine durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums sicher. Ein im März 2020 eingefügter § 14 Abs. 4 ist zum 1.1.2021 außer Kraft getreten. Mit ihm wurde angesichts der zunehmenden Verbreitung des Coronavirus und ihrer dramatischen Auswirkungen auf das Arbeitsleben eine Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung eingeführt, um in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite i. S. d § 5 Abs. 1 IfSG schnelle, effektive und bundeseinheitliche Ausnahmen von den Arbeitszeitvorschriften zu ermöglichen.[1] Die außer Kraft getretene Vorschrift kann als Muster für zukünftige Epidemien gelten.[2]

 

Rz. 2

§ 14 trägt dem Umstand Rechnung, dass es im Betriebsalltag zu unvorhersehbaren Situationen bzw. nicht planbaren Ereignissen kommen kann, in denen nur durch Mehrarbeit und unter Abweichung von den arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen drohende Schäden abgewendet werden können. Hier soll der Arbeitgeber ohne behördliche Genehmigung oder sonstige Hürden handeln können. Dem Charakter als Ausnahmevorschrift entsprechend ist ihr Anwendungsbereich eng auszulegen. Der Arbeitgeber muss im Rahmen des jeweils betrieblich Möglichen alle Vorkehrungen treffen, um es nicht zu den in der Vorschrift genannten Situationen kommen zu lassen.[3] Insbesondere darf die Vorschrift nicht dazu missbraucht werden, Fehlplanungen oder übliche konjunkturelle Schwankungen abzufangen.[4]

[1] HWK/Gäntgen, 9. Aufl. 2020, § 14 ArbZG, Rz. 19 ff.
[2] ErfK/Wank, 21. Aufl. 2021, § 14 ArbZG, Rz. 12.
[3] MünchArbR/Koberski, 5. Aufl. 2021, § 182, Rz. 85.
[4] Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 14 ArbZG, Rz. 4.

2 Notfälle und außergewöhnliche Fälle (Abs. 1)

 

Rz. 3

In Not- und außergewöhnlichen Fällen darf der Arbeitgeber von den Vorschriften des ArbZG zur werktäglichen Arbeitszeit (§ 3), Ruhepausen (§ 4), Ruhezeit (§ 5), Nachtarbeit (§ 6 Abs. 2) und zur Sonn- und Feiertagsruhe (§§ 911) abweichen. Gelten bereits abweichende tarifvertragliche Regelungen, darf auch von diesen abgewichen werden, soweit sie die §§ 36 betreffen (§ 7).[1]

§ 14 gestattet dem Arbeitgeber damit die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Situationen, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise beseitigt werden können. Dabei müssen diese Situationen nicht zwangsläufig beim Arbeitgeber eintreten, sie können auch beim Kunden oder Auftraggeber vorliegen.[2]

[1] Zur entsprechenden Anwendung des § 14 bei Abweichungen nach § 12 und auf die in § 21a genannten Arbeitnehmer vgl. Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 14 ArbZG, Rz. 13.
[2] Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 14 ArbZG, Rz. 6.

2.1 Notfälle

 

Rz. 4

Ein Notfall ist ein für den Betrieb widriges, ungewöhnliches, unvorhergesehenes und vom Willen des Betroffenen unabhängig und plötzlich eintretendes Ereignis, das die Gefahr eines unverhältnismäßigen Schadens mit sich bringt.[1] Es muss nicht zugleich ein öffentlicher Notstand oder ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Arbeiten vorliegen.[2] Entscheidend ist, dass der Eintritt des Ereignisses so plötzlich und schnell geschehen muss, dass die Folgen auch von einem sorgfältigen Unternehmer nicht mehr rechtzeitig unter Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Vorgaben abgewandt werden können.[3]

 

Rz. 5

Zu den Notfällen gehören insbesondere Fälle höherer Gewalt, wie etwa Erdbeben, Überschwemmungen, Brände, Stürme, Explosionen, Totalausfälle von Maschinen, plötzlich eintretender Frost und andere Naturereignisse. Außerdem sind Notfälle auch ungewöhnliche Todesfälle, Erkrankungen oder Unfälle.[4]

 

Rz. 6

Ein Notfall ist hingegen i. d. R. zu verneinen, wenn das Ereignis als Folge fehlerhafter Entscheidungen des Arbeitgebers eintritt[5] oder der Arbeitgeber mit dem Eintritt der Situation bei sorgfältiger Prüfung hätte rechnen können. Es ist zu fragen, ob der Arbeitgeber etwa Bereitschaftsdienste oder eine ausreichende Personalreserve hätte vorhalten oder auch kurzfristig Zeitarbeitnehmer hätte einsetzen können.[6] Auch die Einführung von Rufbereitschaft kann eine geeignete Vorkehrung sein.[7] Nach überwiegender Auffassung in der Literatur[8] soll es deshalb bei in der Sphäre des Arbeitgebers vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführten Er...

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