Carsten Schmitt, Andrea Debus
Rz. 132
Liegen bei Eltern die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht vor, kann auch der einem Elternteil zustehende Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (sog. Sammelfreibetrag) auf Antrag auf den anderen Elternteil übertragen werden. Weitere Voraussetzung ist, dass das Kind minderjährig ist und nur in der Wohnung des die Übertragung begehrenden Elternteils gemeldet ist.
Rz. 133
Der Betreuungsfreibetrag kann bei Vorliegen der Übertragungsvoraussetzungen unabhängig und abweichend vom Kinderfreibetrag übertragen werden. Eine Mitwirkung des betroffenen Elternteils ist nicht erforderlich. Das Gesetz stellt zur Berücksichtigung des Betreuungsaufwands typisierend ausschließlich auf die melderechtlichen Voraussetzungen ab. Ist das Kind in den Wohnungen beider Elternteile gemeldet, scheidet eine Übertragung aus. Gleiches gilt, wenn es bei keinem Elternteil gemeldet ist, z. B. bei Heimunterbringung. Unerheblich ist, ob es sich um eine Meldung mit Haupt- oder Nebenwohnsitz handelt. Die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf scheidet aus, wenn das Kind bei dem Elternteil, dessen Freibetrag auf den anderen Elternteil übertragen werden soll, gemeldet ist.
Rz. 134
Die Übertragung des Sammelfreibetrags konnte bis 2011 unabhängig davon erfolgen, ob der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht erfüllt oder der Übertragung zustimmt. Der Freibetrag konnte ohne Zustimmung, d. h. zwangsweise, bei Vorliegen der melderechtlichen Voraussetzungen übertragen werden. Diese Regelung begegnete keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ab dem Vz 2012 kann, wenn die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG nicht vorliegen, der eine Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, der vom anderen Elternteil beantragten Übertragung des ihm zustehenden (hälftigen) Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes widersprechen, wenn er Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut (§ 32 Abs. 6 S. 9 EStG).
Eine Regelmäßigkeit liegt vor, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus (grds. im Voraus festgelegt) tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es gemeldet ist, aufhält. Der Rhythmus muss somit im Voraus festgelegt sein und auch tatsächlich weitestgehend eingehalten werden.
Ob seitens des widersprechenden Elternteils eine nicht unwesentliche Betreuung stattfindet, ist unter Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls zu überprüfen. Aus Vereinfachungsgründen sieht der BFH diese Voraussetzung als gegeben an, wenn ein zeitlicher Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 % vorliegt. Auf eine weitere Prüfung kann dann verzichtet werden. In allen anderen Fällen (<10 %) bedarf es einer weiteren Indizienprüfung.
Eine Mitübertragung des Kinderfreibetrags (§ 32 Abs. 6 S. 6 Halbs 2 EStG) impliziert die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nach dem Gesetzeswortlaut indes nicht. Es ist somit denkbar, dass der Stpfl. nur den einfachen Kinderfreibetrag, aber den doppelten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Abzug bringen kann.
Bei volljährigen Kindern ist eine Übertragung grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn der andere Elternteil weder Unterhalt leistet noch zu Betreuung, Erziehung oder Ausbildung beiträgt. Zu einer Übertragung bei volljährigen Kindern kommt es grundsätzlich nur dann, wenn auch der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 S. 6 EStG übertragen wird (§ 32 Abs. 6 S. 6 Halbs. 2 EStG).
Rz. 135 einstweilen frei