Rz. 257

§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG, eingefügt durch G. v. 20.12.2001[1] mit Wirkung ab Vz 2002, enthält einen weiteren Anknüpfungstatbestand für Geschäftsführer, Prokuristen und Vorstandsmitglieder. Damit sollten Besteuerungslücken geschlossen werden, die für die genannten Personen durch Anwendung der Anknüpfungstatbestände der Ausübung oder Verwertung entstehen konnten.

 

Rz. 258

Ein Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied übt seine Tätigkeit regelmäßig dort aus, wo er sich tatsächlich aufhält. Das gilt auch, wenn und soweit er seine Tätigkeit auf einer Geschäftsreise ausübt.[2] In einigen DBA steht das Besteuerungsrecht für diese Fälle trotz Ausübung im Ausland der Bundesrepublik zu, wenn der Geschäftsführer für eine inländische Gesellschaft tätig ist. Die Bundesrepublik konnte in diesen Fällen das Besteuerungsrecht im Rahmen der beschr. Steuerpflicht nur ausüben, wenn der Verwertungstatbestand erfüllt war. War das nicht der Fall, blieben die Einkünfte der genannten Personen steuerlich unbelastet. Im Ausübungsort konnten sie nicht besteuert werden, da nach dem DBA eine Besteuerung nur in der Bundesrepublik erfolgen konnte; in der Bundesrepublik konnten sie nicht besteuert werden, da kein Anknüpfungstatbestand erfüllt war. Diese Lücke in den Anknüpfungstatbeständen des § 49 EStG soll durch den besonderen Anknüpfungstatbestand der Nr. 4 Buchst. c geschlossen werden.[3]

 

Rz. 259

Dieser Anknüpfungstatbestand gilt nur für die beschr. Steuerpflicht, nicht für die unbeschränkte Steuerpflicht. § 34d Nr. 5 EStG enthält keinen entsprechenden Tatbestand. Im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht liegen daher nur ausl. Einkünfte vor, wenn die Tätigkeit im Ausland ausgeübt oder verwertet wird.

 

Rz. 260

Nach Nr. 4 Buchst. c unterliegen im Ausland ansässige Geschäftsführer, Prokuristen und Vorstandsmitglieder der beschr. Steuerpflicht, unabhängig von dem Ort der Ausübung oder Verwertung ihrer Tätigkeit, wenn die Gesellschaft, für die sie als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied tätig sind, ihre Geschäftsleitung im Inland hat.

 

Rz. 261

Der Begriff des Geschäftsführers verweist auf den Geschäftsführer einer GmbH (§ 35 Abs. 1 GmbHG).[4] Prokurist ist i. S. d. § 48 HGB zu verstehen, Vorstandsmitglied als Mitglied des Vorstands einer AG oder KGaA nach § 76 AktG, einer Genossenschaft nach § 24 Abs. 2 GenG bzw. eines VVaG nach § 34 VAG. Entsprechendes gilt für die SE und SCE.

 

Rz. 262

Hieraus ergibt sich, dass der Geschäftsführer bzw. das Vorstandsmitglied nur der beschr. Steuerpflicht unterliegen, wenn sie für eine Körperschaft (insbesondere GmbH, AG oder KGaA, aber auch SE und SCE) tätig sind. Es muss sich jedoch um eine "Gesellschaft" handeln. Daher fällt eine Stiftung nicht unter diese Vorschrift. Nach den DBA kann eine andere Definition des Begriffs "Gesellschaft" anwendbar sein, z. B. jedes KSt-Subjekt.[5] Dann kann das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik zustehen, sie hat es aber nicht in Anspruch genommen, da der Begriff "Gesellschaft" i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG nach innerstaatlichem Recht, nicht nach DBA-Recht zu verstehen ist.

 

Rz. 263

Bei einem Prokuristen ist die Regelung weniger klar. Prokura können auch Gesellschaften erteilen, die keine Körperschaften sind, also Personengesellschaften, sowie Einzelunternehmen. Die Tätigkeit als Prokurist für Einzelunternehmen ist aus der beschr. Steuerpflicht ausgeschlossen, da die Vorschrift als Tatbestandsvoraussetzung die "Geschäftsleitung der Gesellschaft" nennt, sich also nur auf Gesellschaften bezieht. Das Gesetz sagt aber nicht eindeutig, ob auch Prokuristen von Personengesellschaften unter die Vorschrift fallen sollen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes wäre dies zu bejahen, da auch Personengesellschaften eine "Geschäftsleitung im Inland" haben können, der Tatbestand also erfüllt wäre. M. E. werden Prokuristen von Personengesellschaften aber nicht erfasst. Die Begriffe der "Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder" weisen auf die Anwendung der Vorschrift nur auf Arbeitnehmer von Körperschaften hin. Darüber hinaus wäre es wohl auch verfassungsrechtlich bedenklich, Prokuristen von Personengesellschaften der beschr. Steuerpflicht zu unterwerfen, Prokuristen von Einzelunternehmen aber nicht. Insoweit wäre kein rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung ersichtlich.

 

Rz. 264

Die Körperschaft, für die der Geschäftsführer, Prokurist oder das Vorstandsmitglied tätig ist, muss die Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Inland (§ 1 EStG Rz. 21) haben. Sitz im Inland genügt für den Anknüpfungstatbestand nicht. Die Tätigkeit für eine Gesellschaft, die im Inland ihren Sitz, nicht aber ihre Geschäftsleitung hat, unterliegt daher nicht der beschr. Steuerpflicht nach diesem Anknüpfungstatbestand. Andererseits genügt es, dass sich die Geschäftsleitung im Inland befindet. Der Sitz kann im Ausland sein, es ist also nicht erforderlich, dass sich Sitz und Geschäftsleitung im Inland befinden. Auf den Ort der Tätigkeit der genannten Personen stellt die Vorschrift nicht ab, erfasst...

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