2.1 Gesetzliche Grundlagen

Der Arbeitgeber ist gemäß Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durchzuführen.

Die rechtlichen Vorgaben zur Gefährdungsbeurteilung gelten allerdings nur im Hinblick auf die Beurteilung der Belastungen, nicht der Beanspruchungen.[1] Das bedeutet, dass nur untersucht werden muss, wie ein Belastungsfaktor auf die Gesundheit der Beschäftigten einwirkt, nicht jedoch, wie er von den Beschäftigten empfunden wird. Die i. d. R. bei der Beurteilung psychischer Belastungen eingesetzte Mitarbeiterbefragung kann beide Aspekte hinterfragen, die Belastungen und Beanspruchungen. Das ist auch in der Praxis sinnvoll, da so auch überprüft werden kann, ob es überhaupt zur Beeinträchtigung der Gesundheit der Beschäftigten kommt. Dafür sind allerdings gut durchdachte Fragebogenkonstruktionen notwendig. Eine Verpflichtung zur Messung der Beanspruchung ist per Gesetz aber nicht gegeben.

Der Betriebsrat muss gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Gefährdungsbeurteilung beteiligt werden.[2]

[1] Rossa/Salamon: Arbeit und Arbeitsrecht, Heft 5/2012, S. 278–281.

2.2 Empfehlungen und Veröffentlichungen zur psychischen Gefährdungsbeurteilung

Geht es um die Vorgehensweise bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, lassen sich Leitlinien auf der Webseite der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA)[1] finden. Die Grundlage bildet die "Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation", die vertiefenden Informationen zur Beurteilung der psychischen Belastungen finden sich in der "Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz". Beide Dokumente vermitteln Arbeitgebern, Fachkräften für Arbeitssicherheit, Betriebsärzten und Dienstleistern ein Grundverständnis für die Vorgehensweise und zu prüfenden Merkmalsbereiche.

Die bisherigen Veröffentlichungen von offizieller Seite, aber auch weitere aus Literatur und Internet weisen folgende Gemeinsamkeiten und Empfehlungen auf:

  1. Es existiert ein klares Grundverständnis zwischen den Begriffen psychische Belastung und Beanspruchung, die aktuell der DIN-Norm 10075 zu entnehmen ist.
  2. Der Arbeitgeber ist verpflichtet zur Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung, jedoch nur zur Beurteilung der Belastungen, nicht aber der Beanspruchungen.
  3. Auf Basis arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse lassen sich Merkmalsbereiche definieren, innerhalb derer eine psychische Fehlbelastung auftreten kann (vgl. Tab. 2). Grundsätzlich sind psychische Belastungen als neutral zu beurteilen.
  4. Sofern vorhanden, sind Betriebsräte in die Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen.
  5. Bei der Beurteilung von Belastungen können unterschiedliche Präzisionsstufen verwendet werden: Die "Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz" unterscheidet hierbei in orientierende, Screening- oder Tiefenanalyse (sog. Expertenverfahren). Für den Einstieg in die Gefährdungsbeurteilung wird grundsätzlich die Orientierungs- bzw. Screeningstufe empfohlen.
  6. Je konkreter die Analyse, desto mehr sind Beschäftigte einzubinden. Dies kann in Form von Befragungen, Interviews, Workshops oder moderierten Gesprächsrunden erfolgen.
  7. Jedes Unternehmen sollte für seine Größe und die durchgeführten Tätigkeiten angemessene Beurteilungsverfahren selbst festlegen und dafür zu Beginn eine Übereinkunft zwischen den verpflichtend bzw. sinnvollerweise einzubeziehenden Akteuren (wie z. B. Arbeitgeber, Arbeitnehmervertretung, Arbeitsschutzexperten) hinsichtlich Ablauf und Methodik treffen.
  8. Beschäftigte und Führungskräfte sollten angemessen informiert werden.
  9. Bei der psychischen Gefährdungsbeurteilung sollten auch die Empfehlungen zur allgemeinen Vorgehensweise hinsichtlich (a) Ermitteln der Gefährdungen, (b) Beurteilen der Gefährdungen, (c) Festlegen konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik, (d) Durchführen der Maßnahmen, (e) Überprüfen der Wirksamkeit der Maßnahmen, (f) Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung (Dokumentation) berücksichtigt werden.

Die unter Tab. 2 aufgeführten Tätigkeitsmerkmale werden von der GDA als wesentliche Belastungsfaktoren deklariert und in einer von ihr entwickelten Checkliste aufgeführt. Diese steht Unternehmen zur Analyse von Arbeitsbereichen kostenlos zur Verfügung.

 
Bereich Merkmale
Arbeitsinhalt
  • Vollständigkeit der Aufgabe
  • Handlungsspielraum
  • Variabilität (Abwechslungsreichtum)
  • Information/Informationsangebot
  • Verantwortung
  • Qualifikation
  • emotionale Inanspruchnahme
Arbeitsorganisation
  • Arbeitszeit
  • Arbeitsablauf
  • Kommunikation/Kooperation
soziale Beziehungen
  • Kollegen
  • Vorgesetzte
Arbeitsumgebung
  • physikalische und chemische Faktoren
  • physische Faktoren
  • Arbeitsplatz- und Informationsgestaltung
  • Arbeitsmittel
neue Arbeitsformen
  • räumliche Mobilität
  • atypische Arbeitsverhältnisse, diskontinuierliche Berufsverläufe
  • zeitliche Flexibilisierung, reduzierte Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben

Tab. 2: Tätigkeitsmerkmale, innerhalb denen psychische Fehlbelastungen entstehen können

Betrachtet man die Entwicklung der Arbeitswelt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge