Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Langfristig kann sich der Mensch an niedrigere Raumtemperaturen schlicht gewöhnen, und zwar genauso, wie wir uns als moderne Menschen durch die Zivilisation an vergleichsweise hohe und v. a. gleichbleibende Raumtemperaturen gewöhnt haben. Der Körper stellt sich je nach persönlicher Disposition mal mehr, mal weniger perfekt auf die vorherrschende Temperatur ein und regelt die Stoffwechselprozesse so, dass mit möglichst wenig Energieaufwand die Körperkerntemperatur gehalten werden kann. Allerdings kann eine solche Gewöhnung nicht schnell und einfach auf Anweisung erfolgen. Dazu braucht es Zeit und v. a. eine gewisse Motivation, sich auf die veränderte Situation einzulassen (s. dazu Abschn. 3).
Schneller und angenehmer gelingt die Anpassung durch die Bekleidung, die v. a. die Wärmeabstrahlung des Körpers reduziert. Durch die Wahl der Bekleidung sollte sich die geringe Temperaturabsenkung, die für den Winter 2022/2023 vorgegeben bzw. empfohlen wird, problemlos ausgleichen lassen. Während es bei sommerlich-heißen Temperaturen selbstverständlich ist, sich leicht zu bekleiden, ist in den letzten Jahrzehnten durch den vermehrten Alltagsaufenthalt in gleichmäßig geheizten Innenräumen die Praxis, sich im Winter wärmer anzuziehen, etwas verloren gegangen.
Wohlfühlwinter im Büro
Warme Oberbekleidung hat für manche Menschen keinen guten Ruf: beengend, transpirationsfördernd, kratzig ...
Dabei geht es nur um kleine Anpassungen, die den Aufenthalt in weniger stark geheizten Räumen angenehm machen: eine leichte Jacke mit geringer Wollbeimischung, ein Rollkragen, ein Tuch um Hals und Nacken, atmungsaktive Schuhe oder etwas wärmere Strümpfe. Manchen helfen auch eine schöne Lichterdekoration oder mal ein besonderes alkoholfreies Heißgetränk, um sich wohlzufühlen.
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Natürlich trägt auch die innere Wärmeproduktion des Menschen dazu bei, dass wir uns bei mäßigen Raumtemperaturen wohlfühlen können. Damit ist nicht gemeint, dass man sich am Arbeitsplatz oder abends im Wohnzimmer nur durch ständige Bewegung warmhalten sollte. Aber tatsächlich lockert regelmäßig eingestreute Bewegung nicht nur Bänder und Gelenke, sondern hält auch Stoffwechsel und Kreislauf in Schwung und den Körper wärmer. Für im Büro Arbeitende ist es schon zur Prävention von Rückenproblemen empfohlen, dass sie immer wieder bewegte Tätigkeiten einstreuen. Und wenn man z. B. abends im Haushalt werkelt, handarbeitet oder Gesellschaftsspiele spielt, kommt man mit geringerer Raumtemperatur aus, als wenn man nur auf dem Sofa liegt.
2.1 Kalt – Erkältung – krank – was ist dran?
Der Begriff Erkältung weist auf eine allgemeine Lebenserfahrung hin, nach der es einen Zusammenhang zwischen Gesundheit und (Außen-)Temperatur gibt. Aber diese Frage hat mehrere, ganz verschiedene Aspekte:
Kälte allein macht nicht krank
Nässe, Kälte, Zugluft – zahlreiche Studien der letzten Jahrzehnte haben immer wieder gezeigt, dass Menschen keineswegs nur deshalb oder in solchen Situationen signifikant öfter erkranken. Erkältungskrankheiten sind Infektionen, die durch Mikroorganismen, in der Mehrzahl durch Viren, ausgelöst werden und nicht durch Umgebungsbedingungen als solche.
Grundsätzlich ist es allerdings schon so, dass kalte Außentemperaturen dazu beitragen, dass sich Erreger in den Atemwegen besser festsetzen können:
- Erstens kühlt kalte Außenluft die Atemwege lokal um einige Grad ab. Das begünstigt die Vermehrung von einigen Infektionserregern. Deswegen macht es z. B. Sinn, mit einer bestehenden Erkältung möglichst wenig im Freien körperlich aktiv zu sein.
- Außerdem reduziert der Körper die Durchblutung von Schleimhäuten, wenn sie abkühlen, damit auf diesem Weg dem Körper nicht zu viel Wärme entzogen wird. So kann das Immunsystem dort nicht so effektiv arbeiten und eine Infektion sich leichter festsetzen.
Aber: Diese Wechselwirkungen bestehen in Bezug auf kalte Außentemperaturen im Winterhalbjahr und tragen dazu bei, dass viele Atemwegsinfektionen deutlich jahreszeitlich schwanken.
In Bezug auf die geringe Absenkung der Raumtemperatur in Innenräumen spielen diese Effekte keine Rolle. Physiologisch gibt es also keinen Grund, dass dadurch Menschen eher krank werden, zumal hohe Innenraumtemperaturen auch nachteilige Gesundheitseffekte haben (s. Abschn. 2.2 "Überheizung)".
Menschen mit Vorerkrankungen
Bestimmte Erkrankungen können zu einer besonderen Temperaturempfindlichkeit führen. Das betrifft z. B. rheumatische oder (seltene) neurologische Erkrankungen. Die hier diskutierte sehr geringe Absenkung der Raumtemperatur dürfte in diesem Zusammenhang aber allenfalls in seltenen Einzelfällen eine Rolle spielen. Denn auch für empfindliche Personen gilt, dass es sich um Schwankungen handelt, die im Alltag ohnehin unvermeidbar sind und dass angepasste Bekleidung gut geeignet ist, um das Wohlbefinden zu verbessern. Bei auftretenden Fragen kann der ...