Prof. Dr. Dr. Julia Krampitz, Anke Mächler-Poppen
2.1 Belastung und Beanspruchung
Krisen haben immer verschiedene Seiten, genauso wie sich das Wort Krise im Chinesischen auch aus 2 Schriftzeichen zusammensetzt: Das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit. Diese Wahrnehmung und deren Ausmaß hängt sehr stark ab von den Persönlichkeitsmerkmalen und der individuellen Fähigkeit, mit Belastungen und Beanspruchungen umzugehen.
Nach der DIN EN ISO 10075 ist eine psychische Belastung die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken, die psychische Beanspruchung ist die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien.
Typische psychische Belastungsfaktoren sind:
- fehlendes Vertrauen,
- fehlende klare Regeln,
- unklare, ungerechte Arbeitsteilung,
- unreflektiertes Verhalten,
- fehlende, keine gemeinsamen oder transparenten Ziele,
- unklare, unstrukturierte Kommunikation,
- fehlende Transparenz,
- fehlende Spontanität,
- fehlende Flexibilität,
- Verlieren in Details/fehlende Konzentration auf das Wesentliche.
Psychische Beanspruchung kann zu positiven, anregenden und negativen, beeinträchtigenden Effekten führen.
Positive Beanspruchungsfolgen sind z. B. Übungseffekte, Anregungs- bzw. Aufwärmeffekte, Lernen sowie Kompetenzentwicklung, die es ermöglichen, in einem Zustand angemessener psychischer und körperlicher Funktionsfähigkeit Anforderungen leichter zu bewältigen.
Negative Beanspruchungsfolgen behindern die Anforderungsbewältigung, zeigen sich in spezifischen Folgen, wie psychischer Ermüdung, Sorgen, Angst, Unsicherheit, Überforderung, Sättigung, Stress und Monotonie, und können ihrerseits Belastungsfaktoren darstellen.
Kurz- und mittelfristige Beanspruchungsfolgen können langfristig Einfluss auf die Gesundheit, das Wohlbefinden des Individuums sowie seine Leistungsvoraussetzungen haben.
2.2 Berufliches Umfeld
Im Sprachgebrauch sprechen wir im Rahmen von Krise gern von der Belastung, die erhöht ist; genauso wie auch das Arbeitsumfeld heute als belastend erlebt und entsprechend bezeichnet wird, bezieht sich diese Aussage zumeist auf psychosoziale Belastungen, die den Einzelnen fordern bzw. überfordern.
Oftmals wird "psychische Belastung" mit "psychischer Störung" und damit zugleich mit individuellen Beeinträchtigungen oder verminderter Leistungsstärke in Verbindung gebracht. Der Begriff hat so für viele einen negativen Beigeschmack. Im arbeitswissenschaftlichen Verständnis bezieht sich psychische Belastung jedoch auf äußere Bedingungen und Anforderungen im (Arbeits-)Leben.
Waren es früher Belastungsfaktoren wie Lärm, Hitze, Kälte, Zugluft, Kontakt mit Gefahrstoffen, schwere körperliche Arbeit, unergonomische Arbeitsmittel, sind es heute Arbeitsverdichtung, Anforderungsverdichtung, Zeit-, Termin-, Kosten- und Leistungsdruck, unplanbare Arbeitszeiten, ständige Arbeitsunterbrechungen, häufige Reorganisationsprozesse, neue Kommunikationsanforderungen sowie Arbeitsplatzunsicherheit, oft unter dem Überbegriff "Stress" genannt.
Stress und Belastung haben häufig dieselbe Bedeutung. Das Wort Stress wird nach Tausch eher bei kleineren kurzzeitigen Einschränkungen und Bedrohungen im Alltag verwendet.
Kurzzeitiger Alltagsstress umfasst i. d. R. nur einige Minuten bis maximal eine Stunde. Aber auch solch vermeintlich kurze Belastungen können eine große Wirkung, z. B. im Sinne von Beeinträchtigungen zeigen – und zwar immer dann, wenn sie mehrmals täglich auftreten und sich summieren. Treten länger andauernde Stressbelastungen auf, fühlen wir uns oftmals angespannt und wenig frei. Dies führt häufig dazu, dass sich die Fähigkeit, mit dem Alltag umzugehen, vermindert. Bei einschneidenden, ungünstigen Lebensveränderungen, wie beispielsweise dem Tod des Partners oder eines Angehörigen, Verlust des Arbeitsplatzes o. Ä., spricht man nach Tausch von schwerem Lebens-Stress, der viele Monate oder gar Jahre hindurch intensiv belastend auf Personen wirkt. Wie gelingt es uns nun damit umzugehen bzw. wie erlernen wir "Hilfe zur Selbsthilfe"?