Rz. 12
Bei einem Lohnvorschuss wird der eigentliche Anspruch des Arbeitnehmers als Schuldner vorverlegt, damit der Schuldner den Zeitraum bis zum eigentlichen Lohnzahlungstermin finanziell überbrücken kann. Er ist daher als Vorauszahlung auf demnächst fällige Lohnansprüche zu qualifizieren (BAG, MDR 1987, 611). Bei der Lohnpfändung müssen grundsätzlich zwei Alternativen der Lohnvorschusszahlung beachtet werden:
Rz. 13
Lohnvorschuss erfolgt nach Lohnpfändung: in diesem Fall ist die Zahlung des Lohnvorschusses gegenüber dem Pfändungsgläubiger unwirksam (§ 829 Abs. 1 ZPO). Folge: der nach § 850c ZPO zu ermittelnde pfändbare Betrag berechnet sich so, als ob ein Lohnvorschuss nicht gezahlt worden wäre. Insofern ist daher das Gesamtnettoeinkommen für den jeweiligen Abrechnungszeitraum zugrunde zu legen.
Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass der Drittschuldner "drauflegen" muss. Da nämlich der Vorschuss den Lohnanspruch des Schuldners vorzeitig getilgt hat (vgl. § 362 BGB), kann der Vorschuss somit am Zahltag aus dem pfandfreien Lohnanteil einbehalten werden.
Rz. 14
Der Drittschuldner gewährt dem Schuldner nach Eingang der Lohnpfändung einen Vorschuss von 300,00 EUR. Der Schuldner ist verheiratet und hat ein minderjähriges Kind. Er hat ein Bruttoeinkommen von 4.000,00 EUR. Hiervon sind folgende Posten abzuziehen:
Lohnsteuer |
900,00 EUR |
Solid. Zuschlag |
37,00 EUR |
Kirchensteuer |
60,00 EUR |
KV-Beitrag AN |
301,00 EUR |
RV-Beitrag AN |
392,00 EUR |
AV-Beitrag AN |
55,00 EUR |
PV-Beitrag AN |
35,00 EUR |
Nettoeinkommen |
2.280,00 EUR |
pfändbarer Betrag gem. § 850c Sp. 2 |
92,70 EUR |
unpfändbarer Betrag |
2.030,98 EUR |
abzgl. Vorschuss |
300,00 EUR |
Rz. 15
Lohnvorschuss erfolgt vor Lohnpfändung: In diesem Fall gilt, dass sich der pfändbare Lohnanteil nur von dem am Zahltag nach Abzug des Vorschusses oder der Abschlagszahlung noch geschuldeten Nettolohns berechnet (BAG, MDR 1987, 611). Der Drittschuldner muss also den pfändbaren Lohnanteil ohne Rücksicht auf den Vorschuss nach demjenigen Lohn berechnen, den er dem Schuldner am Fälligkeitstage zahlen müsste, wenn der Vorschuss nicht gegeben worden wäre. Diesen pfändbaren Teil muss er unverkürzt um Vorschüsse an den pfändenden Gläubiger auszahlen. Den geleisteten Vorschuss kann er nur mit dem pfändungsfreien Betrag des Einkommens verrechnen (ArbG Berlin, BB 1965, 203; LAG Bremen, BB 1964, 448).
Rz. 16
Nach der vom BAG fortgeführten Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts sind Vorschüsse auf den unpfändbaren Teil des später fällig werdenden Lohns anzurechnen (BAGE 2, 322, 324 = AP Nr. 1 zu § 394 BGB). Das Reichsarbeitsgericht ist hierbei von einer seit 1869 bestehenden Rechtsprechung ausgegangen, die den Grundsatz aufgestellt hat, dass für die Berechnung der Pfandgrenze von dem am Tage der Fälligkeit vertraglich geschuldeten Lohnbetrag ohne Rücksicht auf Vorauszahlungen oder Stundungen auszugehen sei (RAG, ARS 26, 217, 219). Der pfändbare Teil bestimmt sich somit nach dem Betrag der ursprünglichen Schuld, so dass für seine Berechnung die vor der Pfändung geleisteten Vorschusszahlungen einzubeziehen sind.
Rz. 17
Der Drittschuldner gewährt dem Schuldner vor Eingang der Lohnpfändung einen Vorschuss von 300,00 EUR. Der Schuldner ist verheiratet und hat ein minderjähriges Kind. Er hat ein Bruttoeinkommen von 4.000,00 EUR. Hiervon sind folgende Posten abzuziehen:
Lohnsteuer |
900,00 EUR |
Solid. Zuschlag |
37,00 EUR |
Kirchensteuer |
60,00 EUR |
KV-Beitrag AN |
301,00 EUR |
RV-Beitrag AN |
392,00 EUR |
AV-Beitrag AN |
55,00 EUR |
PV-Beitrag AN |
35,00 EUR |
Nettoeinkommen |
2.280,00 EUR |
pfändbarer Betrag gem. § 850c Sp. 2 |
164,29 EUR |
abzgl. Vorschuss |
300,00 EUR |
Rz. 18
Nach Stöber (Rn. 1266) wird der Vorschuss bei der Berechnung des Pfandbetrages jedoch nicht mitgerechnet. Die Pfändung erfasst daher nur das bei ihrem Wirksamwerden (§ 829 Abs. 3) noch geschuldete Einkommen. Insofern ergibt sich zum obigen Beispiel folgende Berechnung:
Lohnsteuer |
900,00 EUR |
Solid. Zuschlag |
37,00 EUR |
Kirchensteuer |
60,00 EUR |
KV-Beitrag AN |
301,00 EUR |
RV-Beitrag AN |
392,00 EUR |
AV-Beitrag AN |
55,00 EUR |
PV-Beitrag AN |
35,00 EUR |
abzgl. Vorschuss |
300,00 EUR |
Nettoeinkommen |
1.980,00 EUR |
pfändbarer Betrag gem. § 850c Sp. 2 |
164,29 EUR |