Rz. 41
Da dem Schuldner im Anwendungsbereich des § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO dasjenige belassen werden soll, was er zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums im Sinne des SGB XII benötigt, sind die dort für die Anrechnung von Einkommen und geldwerten Vorteilen maßgebenden Grundsätze auch bei der Ermittlung des ihm pfandfrei zu belassenden Betrages zu berücksichtigen (BGH, Vollstreckung effektiv 2013, 95 = FuR 2013, 327 = NJ 2013, 431 = WM 2013, 268 = FamRZ 2013, 442 = Rpfleger 2013, 221 = MDR 2013, 426 = NJW 2013, 1370; BGH, Vollstreckung effektiv 2011, 43 = WM 2011, 76 = MDR 2011, 127 = FamRZ 2011, 208 = Rpfleger 2011, 164 = JurBüro 2011, 213 = NJW-RR 2011, 706 = DGVZ 2012, 10 = KKZ 2012, 22). Das Vollstreckungsgericht hat zu prüfen, ob der notwendige Bedarf des Schuldners ganz oder teilweise durch weitere Einnahmen oder geldwerte Naturalleistungen tatsächlich gedeckt ist. Im Umfang der anderweitigen Deckung ist der Freibetrag, der dem Schuldner aus seinem gepfändeten Arbeitseinkommen zu belassen ist, herabzusetzen. Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten muss das Vollstreckungsgericht ohne Rücksicht auf gesetzliche Unterhaltsansprüche wegen der aus § 19 Abs. 1 SGB XII (2003), § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1, Abs. 2 SGB XII folgenden Wertentscheidung auch die Einkünfte des Ehegatten (sog. Einsatzgemeinschaft) in die Prüfung der Bedarfsdeckung mit einbeziehen (BGH, Vollstreckung effektiv 2013, 95 = FuR 2013, 327 = NJ 2013, 431 = WM 2013, 268 = FamRZ 2013, 442 = Rpfleger 2013, 221 = MDR 2013, 426 = NJW 2013, 1370). Verfügt der nicht getrennt lebende Ehegatte des Schuldners somit über eigenes Einkommen, so ist dieses Einkommen aufgrund der rechtlichen und sittlichen Einstands- und Unterstützungspflicht innerhalb der Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft sowie der Erfahrung, dass in einer ehelichen Haushaltsgemeinschaft "aus einem Topf" gewirtschaftet wird, dazu zu verwenden, auch den Unterhalt des Schuldners sicherzustellen. Es gelten insoweit dieselben Grundsätze, die im Bereich des Sozialhilferechts für die Frage maßgebend sind, ob eine Person Sozialhilfe erhalten kann, auch wenn der in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehegatte über eigenes Einkommen verfügt. Bei einem entsprechenden Einkommen des Ehegatten kann die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts demnach zum Ausdruck bringen, dass dem Schuldner von seinem Einkommen kein Teilbetrag verbleibt (vgl. BGH, NJW 2013, 1370; LG Köln, FamRZ 2020, 701 m. w. N.).
Dieser Begriff des notwendigen Unterhalts entspricht somit dem des notwendigen Unterhalts in § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO (AG Wittmund, JurBüro 2020, 162). Für den Begriff des notwendigen Unterhalts in § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO hat der BGH (WM 2008, 649 = MDR 2008, 530 = NVwZ 2008, 592 = FamRZ 2008, 877 = BGHReport 2008, 570 = NJW-RR 2008, 733 = Rpfleger 2008, 318; BGH, BGHZ 162, 234 = NJW 2005, 1279 = JAmt 2005, 205 = ZVI 2005, 188 = BGHReport 2005, 713 = Rpfleger 2005, 312 = ZFE 2005, 207 = FuR 2005, 246 = NZI 2005, 342 = InVo 2005, 265 = ZInsO 2005, 433; vgl. auch § 850d Rz. 24 ff.) entschieden, dass dieser grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des 3. und 11. Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entspricht. Der Gesetzgeber wollte bei der Einfügung der Regelung durch das Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung eine ähnliche Vorzugsstellung verschaffen, wie sie in § 850d ZPO für Unterhaltsansprüche bestimmt ist (BT-Drucks. 3/415 S. 11).
Rz. 42
Es kommt hierbei nicht darauf an, ob und inwieweit der Gesetzgeber im Allgemeininteresse bei Pflichtverletzungen eines Empfängers von Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch Kürzungen vorsieht; ebenso wenig ist es von Bedeutung, dass auch gegen Empfänger derartiger Leistungen Geldstrafen verhängt werden dürfen (BGH, DGVZ 2012, 11 = JurBüro 2012, 101). Die Regelleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch stellen nach der Wertung des Gesetzgebers das "soziokulturelle" Existenzminimum dar (BT-Drucks. 15/1516 S. 56) und sind damit dem notwendigen Lebensunterhalt gleichzusetzen. Demgegenüber tritt das durch Art. 14 GG geschützte Interesse des Gläubigers an einer aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung erwachsenen Forderung zurück. Dass ein Schuldner, der dauerhaft nur diesen Regelsätzen entsprechende Einkünfte bezieht, vorsätzlich unerlaubte Handlungen zu Lasten des Gläubigers begehen könnte, ohne deshalb eine Zwangsvollstreckung fürchten zu müssen, muss insoweit in Kauf genommen werden. Ein Freibrief ist damit für einen Schuldner allerdings nicht verbunden, weil er regelmäßig strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt sein wird (BGH, DGVZ 2012, 11 = JurBüro 2012, 101). Insofern sind dem Schuldner für seinen notwendigen Unterhalt stets die Regelsätze nach § 28 SGB XII zu belassen. Eine Pfändung kleiner Teilbeträge hieraus kommt nicht in Betracht. GEZ-Gebühren, Kfz-Steuer und Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung führen nicht zu einer Erhöhun...