Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur äußerordentlichen Kündigung eines Schwerbehindertenvertrauensmannes
Leitsatz (amtlich)
Das Zustimmungsersuchen gemäß § 103 BetrVG ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, auf die – als geschäftsähnliche Handlung – die §§ 164 ff BGB anwendbar sind. Eine Zurückweisung wegen fehlender Vollmacht gemäß § 174 BGB durch den Betriebsrat ist daher möglich.
Normenkette
BetrVG § 103; BGB § 174
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Beschluss vom 01.08.1997; Aktenzeichen 6 BV 4/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 01. August 1997-6 Bv 4/97 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Schwerbehinderten Vertreters W., des Beteiligten zu 3).
Die antragstellende Arbengebenn, die Beteiligte zu 1), betreibt eine S im K. in W. Der Beteiligte zu 2) ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.
Der im Februar 1948 Lgeborene Beteiligte zu 3) ist verheiratet und hat eine Tochter. Seit dem 01.01.1976 ist er bei der Arbeitgeberin beschäftigt, zuletzt als C. I. Er war in früheren Zeiten im Betriebsrat, teilweise als Betriebsratsvorsitzender. Seit dem 19.01.1997 ist er Vertrauensmann der Schwerbehinderten. Selbst ist er nicht schwerbehindert.
Am 09.02.1997 fand eine Betriebsratssitzung statt, an der der Beteiligte zu 3) erstmalig in seiner neuen Funktion teilnahm. Auf Anregung der Arbeitgeberin hatten sich der Betriehsratsvorsitzende M. und der Beteiligte zu 3) für 16.00 Uhr, also eine Stunde vor dem angesetzten Beginn der Betriebsratssitzung, verabredet. Es sollte ein vorbereitendes Gespräch im Hinblick auf die neuen Autgaben des Beteiligten zu 3) stattfinden. Auf der Dienstkarte des Beteiligten zu 3) wurde die Zeit von 16.00 Uhr bis 21.00 Uhr als Ersatzzeit für Betriebsratstätigkeit eingetragen und vom Betriebsratsvorsitzenden M. abgezeichnet.
Die Arbeitgeberin verdächtigt den Beteiligten zu 3), zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr unberechtigt Ersatzzeiten geltend gemacht zu haben und möchte daher eine außerordentliche Kündigung aussprechen. Sie bezieht sich dabei auf verschiedene schriftliche Erklärungen von Kollegen des Beteiligten zu 3), aus denen sie den Schluß zieht, dieser sei zumindest zwischen 16.10 Uhr und 16.35 Uhr nicht wie er behaupte, im Betriebsratszimmer gewesen, sondern im Ahornzimmer, einem Pausenraum, wobei er sich an einem Tisch aufgehalten habe, an dem Karten gespielt worden seien.
Unter dem 24.03.1997 richtete die Beteiligte zu 1) an den bei ihr amtierenden Betriebsrat, den Beteiligten zu 2), ein Schreiben (Bl. 21 bis 23 d. A.), in welchem nach Schilderung des kündigungsrelevanten Sachverhalts aus der Sicht der Beteiligten zu 1) um Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gebeten wurde.
Unterschrieben ist das Schriftstück wie folgt:
„i.V.
D S”
Der letzte Absatz des Anhörungs-/Zustimmungsersuchungsschreiben lautet:
„Eine auf Herrn S. lautende Vollmacht fügen wir in Kopie an (Anlage 15). Das Original kann in der Verwaltung eingesehen werden.”
Beigefügt war diesem Schreiben die Kopie einer auf Ass. D. S., vom A., lautenden Vollmacht, in Sachen W. W. ./. S. W. wegen Kündigung”.
Assessor D. S. ist beschäftigt beim .A. A. F. e.V.”, bei dem die Beteiligte zu 1) Mitglied ist. In den zahlreichen Rechtsstreiten und Beschlußverfahren, weiche gegen die Beteiligte zu 1) oder von ihr bei der erkennenden Kammer angestrengt werden, tritt Herr S zumeist als deren Prozeßbevollmächtigter auf.
Unter dem 26.03.1997 richtete der Beteiligte zu 2) ein Schreiben an die Beteiligte zu 1) (Bl. 25 d. A.), dessen erste drei Absätze lauten:
„der Betriebsrat hat nach Anhörung von Herrn W beschlossen, der von Ihnen beabsichtigten Kündigung seine Zustimmung nicht zu geben.
Die von Ihnen beabsichtigte Verdachtskündigung läßt sich nicht auf die dem Betriebsrat mitgeteilten Ergebnisse der Befragung stützen.
Sie hatten am 12.03.1997 Herrn Ass. S. eine Vollmacht „wegen Kündigung” erteilt. Uns wurde hiervon eine Kopie übergeben. Wir müssen auf der Vorlage des Originals bestehen und weisen schon deshalb den Kündigungsantrag zurück.”
Mit der am 27.03.1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift verfolgt die Beteiligte zu 1) ihre Kündigungsabsicht wester.
Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, sie habe die 14-Tage – Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt, da der Sachverhalt erst am 14.03.1997 soweit abgeklärt worden sei daß ein widerspruchsfreier Geschehensablauf ermittelt worden sei.
Die Arbeitgeberin hat beantragt.
die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Schwerbehindertenvertreters, Herrn W. W., zu ersetzen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt.
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Ansicht vertreten, der Betriebsrat sei von der Arbeitgeberin gar nicht wirksam um die Zustim...