Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzmitglied. Zustimmungsersetzung. Verhinderung. besonderer Kündigungsschutz
Leitsatz (redaktionell)
Ist ein Ersatzmitglied des Betriebsrats infolge langandauernder Erkrankung selbst verhindert, sein Vertretungsamt wahrzunehmen, so tritt es im Verhinderungsfall eines Betriebsratsmitglieds schon nicht in den Betriebsrat ein und erlangt folglich den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG nicht. Vielmehr wird das nächstberufene Ersatzmitglied unmittelbarer Vertreter des Betriebsratsmitglieds und nicht des verhinderten Ersatzmitglieds.
Normenkette
BGB § 626; BetrVG §§ 103, 25 Abs. 1; KSchG § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bad Hersfeld (Beschluss vom 06.10.2005; Aktenzeichen 1 BV 9/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld vom 06. Oktober 2005 – 1 BV 9/05 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die zu 1) beteiligte Arbeitgeberin begehrt die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3). Der Beteiligte zu 2) ist der bei der Antragstellerin gebildete Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3) ist seit dem 8. Juli 1987 bei der Antragstellerin bzw. deren Rechtsvorgängern als Bürokaufmann beschäftigt. Seine monatliche Bruttovergütung beträgt EURO 2.966,-. Er ist seit Oktober 1999 in der Debitorenbuchhaltung beschäftigt und dort mit der Fremdbuchung der Patientenfaktoren, der Buchung von Kontoauszügen, der Buchung von Selbstzahlerrechnungen, der Kontenpflege sowie dem Mahnwesen betraut. Er hat die Gesamtverantwortung im Debitorenbereich der Kardiologischen Fachklinik und Herz- und Gefäßchirurgie. Ferner ist er für die Mietverwaltung verantwortlich. Er ist Ersatzmitglied des Beteiligten zu 3) und hat im Rahmen der vorübergehenden Vertretung eines ordentlichen Mitgliedes an der Betriebsratssitzung vom 19. Mai 2005 teilgenommen.
Die Antragstellerin verfügt über eine Tiefgarage mit insgesamt 87 Stellplätzen, die zum Teil an Mitarbeiter zu einem monatlichen Mietzins in Höhe von EURO 30,68 vermietet werden und zum Teil für die Vermietung an Patienten und Besucher oder für Dienstfahrzeuge freigehalten werden. Der Beteiligte zu 3) war im Besitz eines Schlüssels für die Tiefgarage und hat in den Jahren 2003 bis 2005 wiederholt sein Fahrzeug auf dem Stellplatz Nr. 54 abgestellt, ohne diesen gemietet zu haben. Im Übrigen sei auf den Arbeitsvertrag des Beschwerdegegners zu 2) verwiesen. Unter § 9 des Arbeitsvertrages ist vermerkt: „Soweit der Arbeitnehmer (…) für seinen Pkw einen bestimmten Abstellplatz in der Tiefgarage mietet, ist er dafür gesondert abgeschlossene Mietvertrag Bestandteil des Arbeitsvertrages.”
Mit Schreiben vom 15. Juni 2005 beantragte die Antragstellerin bei dem Beteiligten zu 2) die Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3). Der Beteiligte zu 2) hat mit Schreiben vom 16. Juni 2005, der Antragstellerin am 17. Juni 2005 zugegangen, der beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung widersprochen.
Der Beteiligte zu 3) hat behauptet, der Stellplatz Nr. 54 sei ein regulärer Stellplatz. Die Arbeitgeber habe erst nach einer Überprüfung durch die Vorgesetzte des Beteiligten zu 3) am 7. Juni 2005 davon Kenntnis erlangt, dass dieser sein Fahrzeug ohne Zahlung einer Stellplatzmiete in der Tiefgarage parke. Mit am 20. Juni 2005 beim Arbeitsgericht eingegangener Antragsschrift hat die Antragstellerin beantragt, die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 3) hat behauptet, bei dem Stellplatz Nr. 54 handele es sich um einen Wendeplatz für früher von der Antragstellerin eingesetzte Kardiomobile. Dieser werde als Wendeplatz nicht mehr benötigt und sei auch nicht als Besucherparkplatz ausgeschildert. Der Stellplatz würde ohnehin nicht von der Arbeitgeberin vermietet, so dass dieser auch kein Vermögensausfall entstanden sei. Sowohl der Geschäftsführer der Arbeitgeberin als auch deren Personalleiter hätten Kenntnis von der Nutzung des Stellplatzes durch den Beteiligten zu 3) gehabt, so dass er von einer Duldung habe ausgehen dürfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Bad Hersfeld hat den Antrag durch Beschluss vom 6. Okt. 2005 – 1 BV 9/05 – als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung des Beteiligten zu 3) bedürfe nicht der Zustimmung des Beteiligten zu 2). Der Beteiligte zu 3) sei als Ersatzmitglied des Beteiligten zu 2) nicht von dem Zustimmungserfordernis des § 103 BetrVG erfasst, da der Beteiligte zu 3) zum Zeitpunkt der Einleitung des Zustimmungsverfahrens keine Vertretung eines ordentlichen Mitgliedes des Beteiligten zu 2) wahrge...