Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentliche Kündigung eines Ersatzbetriebsratsmitglieds. Vertretungsfall. Nachrücken des Ersatzbetriebsratsmitglieds
Leitsatz (amtlich)
Unzulässiger Antrag auf Zustimmungsersetzung zur außerordentlichen Kündigung eines nur vorübergehend im sinne von § 25 Abs. 2 BetrVG nachgerückten Ersatzbetriebsratsmitglieds, da kein Sonderkündigungsschutz nach § 103 BetrVG bestanden hat.
Normenkette
BetrVG § 103 Abs. 2 S. 1, § 25; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 13.01.2004; Aktenzeichen 4/11 BV 458/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Januar 2004 – 4/11 BV 458/02 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte zu 1) (Arbeitgeberin) begehrt die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2) (Betriebsrat) zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) (Ersatzbetriebsratsmitglied H.
Der am 16. August 1947 geborene Beteiligte zu 3) arbeitete aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 1. November 1996 (Bl. 9–14 d.A.) seit dem 11. März 1996 bei der Antragstellerin in deren Niederlassung in Frankfurt zunächst als Kalkulator und seit März 2002 als Spezialist Technisches Facility Management zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt EUR 3.244,00. Er ist mit einem Grad der Behinderung von 70 schwerbehindert und erstes Ersatzmitglied des Betriebsrats für die Liste DPVKOM. Mit Schreiben vom 29. September 2000 und vom 22. November 2000 hatte die Antragstellerin den Beteiligten zu 3) wegen beleidigender schriftlicher Äußerungen gegenüber leitenden Mitarbeitern und Vorgesetzten abgemahnt. Die gegen diese Abmahnungen vom Beteiligten zu 3) gerichtete Klage beim Arbeitsgericht Frankfurt ist durch Urteil vom 12. Oktober 2001 rechtskräftig abgewiesen worden (AZ.: 4 Ca 619/01). Mit Schreiben vom 3. September 2002 wandte sich der Beteiligte zu 3) an den Vorstandsvorsitzenden der D. T. Die D. T., deren 100-prozentige Tochter die Antragstellerin ist, ist zugleich auch der wichtigste Kunde der Antragstellerin; wegen des genauen Wortlautes des Schreibens wird auf Bl. 57–61 d.A. Bezug.
Am 25. September 2002 beantragte die Antragstellerin beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des mit dem Beteiligten zu 3) bestehenden Arbeitsverhältnisses. Mit einem, der Antragstellerin am 7. Oktober 2002 zugegangenen Bescheid vom selben Tage stimmte das Integrationsamt den beabsichtigten Kündigungen zu (Bl. 62–69 d.A.). Mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 hörte die Antragstellerin den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des mit dem Beteiligten zu 3) bestehenden Arbeitsverhältnisses an (Bl. 70 f. d.A.). Mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung (Bl. 72 d.A.).
Der Beteiligte zu 3) nahm am 6. August 2002 und am 8. Oktober 2002 als Ersatzbetriebsratsmitglied für das zeitweilig verhinderte Betriebsratsmitglied M. Betriebsratsaufgaben wahr. Weitere Vertretungstätigkeit im Betriebsrat übte er wegen Verhinderung des Betriebsratsmitglieds M. am 6. Dezember 2002, am 26. Februar 2003, am 8. April 2003, am 6. Mai 2003, am 1. Juli 2003 und am 9. September 2003 aus. Am 30. September 2003 rückte das Ersatzmitglied S. und am 20. und 21. Oktober 2003 das Ersatzmitglied F. statt des Beteiligten zu 3) für das ausgefallene Betriebsratsmitglied M. zeitweilig nach. Nach dem 9. September 2003 war der Beteiligte zu 3) arbeitsunfähig erkrankt. Am 13. Januar 2004 nahm der Beteiligte zu 3) als Ersatzmitglied wiederum an einer Betriebsratssitzung teil. Wegen der Einzelheiten der Abwesenheitszeiten des Betriebsratsmitglieds M. wird auf die Aufstellung Bl. 401 f. d.A. Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat mit einem am 9. Oktober 2002 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Antrag um die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Ersatzbetriebsratsmitglieds K. gebeten. Sie hat die Ansicht vertreten, das Zustimmungsersetzungsverfahren sei fortzuführen, da davon auszugehen sei, dass der Beteiligte zu 3) endgültig in den Betriebsrat nachgerückt sei.
Der Beteiligte zu 3) habe, wenn Krankheitszeiten, Urlaub, Freizeitausgleich und Fortbildung außer Betracht gelassen würden, in der ihm zur Verfügung stehenden Anwesenheitszeit durchgängig betriebsrätlich gearbeitet und sei von den Mitarbeitern auch immer als Betriebsrat zur Beratung und Betreuung angefordert worden. Die Antragstellerin hat behauptet, am 11. September 2002 Kenntnis vom Inhalt des Schreibens des Beteiligten zu 3) an den Vorstandsvorsitzenden der D. T. vom 03. September 2003 erhalten zu haben. Die darin enthaltenen groben Beleidigungen des Arbeitgebers und seiner Führungskräften rechtfertigten den Ausspruch einer Kündigung aus wichtigem Grund.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung...