Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderkündigungsschutz eines Ersatzmitgliedes des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

Ist durch Beendigung der Amtsträgerschaft (Ersatzmitglied) Erledigung des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG eingetreten, endet auch die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats. Eine Fortführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens im Hinblick auf eine erneut eintretende Amtsträgerschaft scheidet aus, es sei denn, diese schließt sich ohne Unterbrechung an. Wird der Zustimmungsersetzungsantrag in diesem Fall nicht für erledigt erklärt, ist er als unzulässig zurückzuweisen. Das erkennende Gericht hat in diesen Fällen jedenfalls dann nicht ohne entsprechenden Antrag festzustellen, dass die Kündigung nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, wenn hierfür kein Feststellungsinteresse besteht, weil dies nicht von der Beurteilung einer Rechtsfrage, sondern von Tatsachen abhängt, die sich täglich ändern können. In diesem Fall wäre eine präjudizielle Wirkung der Feststellung ohnehin nur sehr eingeschränkt gegeben.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ersatzmitglieder des Betriebsrats genießen keinen Sonderkündigungsschutz nach § 103 Abs. 2 BetrVG, wenn sie weder endgültig für ein ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied einrücken, noch ein zeitweilig verhindertes Betriebsratsmitglied vertreten.

 

Normenkette

BetrVG § 103

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 31.08.2016; Aktenzeichen 14 BV 121/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin und Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2016 - 14 BV 121/16 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die zu 1) beteiligte Arbeitgeberin, ein Unternehmen der Investmentbranche, begehrt die Zustimmung des Beteiligten zu 2) (künftig: Betriebsrat) zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3). Der Beteiligte zu 2) ist der bei der Beteiligten zu 1) gebildete Betriebsrat.

Der Beteiligte zu 3) ist seit Oktober 2010 im Betrieb der Beteiligten zu 1) in Frankfurt beschäftigt. Seine monatliche Bruttovergütung beträgt EURO 9.583,-.

Er ist Ersatzmitglied des Betriebsrats.

Vom 22. bis 26. Februar 2016 war das Betriebsratsmitglied C auf einer externen Schulung. Das Betriebsratsmitglied A war bis zum 26. Februar 2016 arbeitsunfähig erkrankt. Der Beteiligte zu 3) nahm am 17. und am 24. Februar 2016 an Betriebsratssitzungen teil.

Der Beteiligte zu 3) und die Beteiligte zu 1) stritten unter dem Az. 14 Sa 274/15 vor der erkennenden Kammer um die arbeitsvertragsgemäße Beschäftigung des Beteiligten zu 3). Während des Berufungstermins in diesem Verfahren am 12. Februar 2016 reichte der Beteiligte zu 3) seinem Prozessbevollmächtigten ein DIN A4 Blatt mit einer Tabelle, in dessen Besitz er im Rahmen seiner Tätigkeit im Wirtschaftsausschuss gelangt war. Die Beteiligte zu 1), die hierin einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Beteiligten zu 3) erblickte, beabsichtigte, diesem gegenüber deswegen eine außerordentliche Kündigung auszusprechen.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2016 bat sie den Betriebsrat, der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) gemäß § 103 BetrVG zuzustimmen, was dieser mit Schreiben vom 22. Februar 2016 verweigerte. Auf den Zustimmungsantrag der Beteiligten zu 1) (Bl. 9 ff. d. A.) und das Ablehnungsschreiben des Betriebsrats (Bl. 12 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 1) sprach dem Beteiligten zu 3) im Hinblick auf die Verwendung der Unterlagen aus dem Wirtschaftsausschuss und die Verweigerung von deren Herausgabe im Berufungstermin vor der erkennenden Kammer am 12. Februar 2016 unter dem 23. Februar 2016 eine außerordentliche fristlose Kündigung aus, hilfsweise eine Kündigung mit Auslauffrist zum 30. September 2016. Unter dem 29. Februar 2016 sprach sie ihm gegenüber eine weitere außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus, die sie mit den gleichen Vorwürfen begründete.

Der Beteiligte zu 3) wendete sich gegen beide Kündigungen mit einer Kündigungsschutzklage, der die erkennende Kammer mit Urteil vom 29. September 2016 (-14 Sa 1134/16-) stattgab. Er berief sich hier im Hinblick auf die unter dem 29. Februar 2016 ausgesprochene Kündigung nicht auf Sonderkündigungsschutz nach § 103 BetrVG. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Mit am 26. Februar 2016 beim Arbeitsgericht Frankfurt a.M. eingegangener Antragsschrift hat die Beteiligte zu 1) die Zustimmungsersetzung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung wegen Verwendung der Unterlagen aus dem Wirtschaftsausschuss durch den Beteiligten zu 3) und der Weigerung von deren Herausgabe im Berufungstermin vom 12. Februar 2016 im Verfahren Az. 14 Sa 274/15 begehrt.

Die Beteiligte zu 1) ist der Ansicht gewesen, der Betriebsrat habe die Zustimmung zur Kündigung des Beteiligten zu 3) zu Unrecht verweigert. Sie hat die Auffassung vertreten, es liege ein wichtiger Grund im Sinne des §§ 626 Abs. 1 BGB...

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