Entscheidungsstichwort (Thema)
Indiziennachweis bei Drittschuldnerklage aus verschleiertem Arbeitseinkommen. Geldwerter Vorteil und fiktives Arbeitseinkommen. Unterhaltsberechtigter und pfändbares Arbeitseinkommen. Pfändung und Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Drittschuldnerklage aus verschleiertem Arbeitseinkommen nach § 850 h Abs. 2 ZPO hat zwar der Gläubiger die Beweislast für die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Vergütungshöhe, es reicht jedoch der Nachweis von Indizien.
2. Ein geldwerter Vorteil wie die Privatnutzung eines Dienstwagens ist nur bei der Berechnung des pfändbaren realen Arbeitseinkommens, nicht bei der Ermittlung des höheren fiktiven Arbeitseinkommens zusätzlich zu berücksichtigen.
3. Ein Unterhaltsberechtigter scheidet bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens erst ab Zustellung des entspr. Beschlusses des Vollstreckungsgerichts nach § 850 d ZPO aus, es sei denn, der Beschluss legt sich selbst rückwirkende Kraft bei.
4. Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung können bis zum Höchstbetrag der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt werden.
Normenkette
ZPO § 850 h Abs. 2, § 850 e Nr. 3, §§ 850 d, 286, 836 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Entscheidung vom 20.04.2011; Aktenzeichen 3 Ca 360/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 20. April 2011 - 3 Ca 360/10 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 13.389,30 (in Worten: Dreizehntausenddreihundertneunundachtzig und 30/100 Euro) zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus EUR 1.962,30 (in Worten: Eintausendneunhundertzweiundsechzig und 30/100 Euro) seit dem 1. Januar 2008,
aus EUR 2.241,80 (in Worten: Zweitausendzweihunderteinundvierzig und 80/100 Euro) seit dem 1. Januar 2009,
aus EUR 63,80 (in Worten: Dreiundsechzig und 80/100 Euro) seit dem 1. Januar 2011
aus EUR 3.580,56 (in Worten: Dreitausendfünfhundertachtzig und 56/100 Euro) seit dem 1. Januar 2012
aus EUR 3.624,56 (in Worten: Dreitausendsechshundertvierundzwanzig und 56/100 Euro) seit dem 1. Januar 2013
und aus EUR 1.916,28 (in Worten: Eintausendneunhundertsechzehn und 28/100 Euro) seit dem 1. Juli 2013
zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses mit A, monatlich beginnend mit dem Monat Juli 2013 spätestens am jeweiligen dritten Werktag eines jeden beginnenden Monats und bis zur vollständigen Tilgung des aus dem Teilversäumnisurteil des Landgerichts Hanau vom 1. Februar 2007 - 5 O 162/06 - und dem Schlussversäumnisurteil des Landgerichts Hanau vom 28. Februar 2007 - 5 O 162/06 - geschuldeten Restbetrages einen Betrag von 462,78 EUR (in Worten: Vierhundertzweiundsechzig und 78/100 Euro) zu zahlen.
Im Übrigen werden die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 77 %, die Beklagte zu 23 %.
Die Revision wird für beide Parteien nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Drittschuldnerklage um Zahlungsansprüche der Klägerin, gestützt auf die Verschleierung von Arbeitseinkommen.
Die Klägerin (Gläubigerin) ist Inhaberin vollstreckbarer Titel über (noch) EUR 210.462,08 und EUR 45.656,19 zuzüglich Zinsen und Kosten gegen den Streitverkündeten (Schuldner). Ursprünglich belief sich das Teilversäumnisurteil vom 1. Febr. 2007 über EUR 517.838,35 (Bl. 14 - 16 d. A.) und das Schlussversäumnisurteil vom 28. Febr. 2007 über EUR 41.013,11 (Bl. 17 - 19 d. A.) jeweils zuzüglich Zinsen und Kosten. Die Gläubigerin erwirkte am 11. Mai 2007 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (Bl. 20 ff. d. A.) wegen einer Forderung in Höhe von EUR 291.201,67 zuzüglich etwaiger weiterer Zinsen und Zustellkosten hinsichtlich der Vergütungsansprüche des Streitverkündeten gegen die Beklagte (Drittschuldnerin), der dieser am 4. Juni 2007 zugestellt worden ist. Auf die Anlage "Forderungskonto" dieses Beschlusses wird verwiesen (Bl. 24 d. A.).
Die Geschäftsführerin der Klägerin ist die Tochter des Streitverkündeten, der bis zum 8. Dez. 2003 Geschäftsführer der Klägerin und zeitweise auch deren Mitgesellschafter war. Er hat die Klägerin nach der Gründung im Jahr 1984 zusammen mit seinem Schwager B aufgebaut. Das Unternehmen geriet im Lauf der Zeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Durch notariellen Vertrag vom 8. Juli 2005 wurden die von der Mutter der jetzigen Geschäftsführerin gehalten Gesellschaftsanteile an der Klägerin an die jetzige Geschäftsführerin und ihre Schwester, die Zeugin C, übertragen. Geschäftsführerin der im Frühjahr 2006 gegründeten Beklagten ist die Ehefrau des Streitverkündeten und Mutter der Geschäftsführerin der Klägerin, die gelernte Datenkauffrau ist. Mit dem Streitverkündeten wurde beginnend mit dem 1. Febr. 2005 ein Dienstleistungs-/Beratervertrag abgeschlossen (Bl. 910 ff. d. A....