Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründetheit eines Teilzeitbegehrens mit Verteilungswunsch
Leitsatz (amtlich)
Unbegründetes Teilzeitbegehren mit Verteilungswunsch. Liegen im Einzelfall besondere Umstände vor, die darauf schließen lassen, der Arbeitnehmer wolle die ihm gemäß § 8 TzBfG zustehenden Rechte zweckwidrig dazu nutzen, unter Inkaufnahme einer nur unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und der Arbeitsvergütung eine bestimmte Verteilung seiner Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung keinen Anspruch hätte, kann dies die Annahme eines gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlichen Verringerungsverlangens rechtfertigen (BAG 11. Juni 2013 - 9 AZR 786/11 -).
Normenkette
TzBfG § 8; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.10.2016; Aktenzeichen 5 Ca 1841/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2016 - 5 Ca 1841/16 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Reduzierung der Arbeitszeit des bereits teilzeitbeschäftigten Klägers um 0,21 % auf 74,79 % der regelmäßigen Vollarbeitszeit durch Freistellung an einem weiteren Tag und damit an 92 statt bisher an 91 Freistellungstagen im Kalenderjahr.
Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen, das im Bereich des fliegenden Personals regelmäßig mehr als 18.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger ist bei ihr auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 25. Februar 1999 (Bl. 4 f. d. A.) seit dem 24. Februar 1999 als Flugzeugführer beschäftigt, zuletzt als Kapitän auf dem Flugzeugmuster 190/195. Er ist zurzeit im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zur A abgeordnet. Aufgrund eines von ihm erstrittenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Juli 2012 (Az. 7 Ca 820/12) ist der Kläger mit Wirkung seit dem 1. März 2012 mit einer um 25 % auf 75 % der regelmäßigen Vollarbeitszeit reduzierten Arbeitszeit bei einer Freistellung jeweils in der zweiten Monatshälfte der geraden Kalendermonate mit insgesamt 91 Freistellungstagen im Jahr tätig. Seine Bruttomonatsvergütung beträgt zuletzt € 9.933,48.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2016 (Bl. 10 d. A.) beantragte der Kläger die Änderung seiner unbefristeten Teilzeit wie folgt:
"Das neue Teilzeitmodell soll am 1. Mai 2016 beginnen. Die Freistellungsblöcke sollen analog dem Teilzeit-während-der-Elternzeit-Modell D -Version 1 (Bezeichnung aus dem Antragsformular, das auf Ebase im Juni 2015 veröffentlicht wurde) jeweils die Monate August, Dezember und April umfassen. Da ich im aktuellen Jahr dank des Urlaubs ohnehin bereits im kompletten August und einen Großteil des Dezembers, darunter Weihnachten, als abwesend eingeplant bin und der restliche Dezember im CIT kapazitätsseitig grün also verfügbar angegeben wird, rechne ich mit einer reibungslosen Umstellung meines bisherigen Modells mit Anpassung von 91 jährlichen Haltungstagen auf 92 Freistellungstage pro Kalenderjahr.
Sollte dieser Antrag abgelehnt werden, so behalte ich mir den Rechtsweg zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung vor. Zur Überbrückung der rechtlichen Prüfung beantrage ich hiermit für den Fall der Ablehnung die Elternzeit nach BEEG als Teilzeit in Elternzeit.…"
Der Kläger hat die Auffassung vertreten die Voraussetzungen für die begehrte Reduzierung und Neuverteilung der Arbeitszeit seien gegeben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, einer Reduzierung seiner jährlichen Arbeitszeit um zusätzlich einen Kalendertag von 91 auf 92 Tage durch Freistellung in den Kalendermonaten April, August und Dezember ab dem 1. Mai 2016 zuzustimmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, dem Teilzeitbegehren stünden betriebliche Gründe entgegen, und die Auffassung vertreten, es sei zudem rechtsmissbräuchlich.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 11. Oktober 2016 verkündetes Urteil, 5 Ca 1841/16, stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe dem Anspruch des Klägers aus § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegenstehende betriebliche Gründe nicht hinreichend dargelegt. Auch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB stehe dem Verringerungsverlangen des Klägers nicht entgegen. Das Verlangen einer nur geringfügigen Reduzierung indiziere nicht per se einen Rechtsmissbrauch. Anknüpfend an die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Juni 2013 - 9 AZR 786/11 - und des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23. November 2011 - 26 Ca 1324/01 - sowie die durch Richtlinie 97/81/EG auch europarechtlich vorgeprägte Zielrichtung des TzBfG und weiter anknüpfend an die Grundannahme, dass an das Rechtsinstitut des Rechtsmissbrauchs hohe Hürden zu stellen seien, sei davon auszugehen, dass auch ein Verlangen nach geringfügiger Arbeitszeitreduzierung zulässig sei, wenn es jedenfalls auch auf dem Interesse des Arbeitnehmers beruhe, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf ...