Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Ausstrahlung. Entsendung. Beschäftigungsverhältnis im Ausland. fortbestehende Inlandsintegration. Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses. vorübergehende Auslandsbeschäftigung. Formalversicherung. Aufführen der nicht versicherungspflichtigen Person in den Lohnnachweisen des Arbeitgebers. Zurechenbarkeit des Rechtsfehlers. Verantwortungsbereich
Leitsatz (amtlich)
Eine Ausstrahlung des Unfallversicherungsschutzes nach § 4 SGB 4 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Beschäftigungsverhältnis allein im Hinblick auf die Entsendung begründet wird. Zu Beginn der Entsendung muss in einem solchen Fall indes infolge der Eigenart der Beschäftigung oder durch konkrete Vereinbarung gewährleistet sein, dass die Beschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber im Inland weitergeführt wird. Wird die Beschäftigung ausschließlich zum Zwecke der Tätigkeit im Ausland eingegangen oder ist dies bei Beginn nicht auszuschließen, so wird der Beschäftigte nur aufgrund einer Anstellung im Inland tätig und es fehlt von vornherein an der für die Ausstrahlung erforderlichen fortbestehenden Inlandsintegration bei vorübergehender Auslandsbeschäftigung.
Ein Anspruch auf Leistungen des Unfallversicherungsträgers aufgrund einer sogenannten Formalversicherung besteht nicht, wenn eine nicht versicherungspflichtige Person ohne nähere Erläuterung von dem Arbeitgeber in den Lohnnachweisen mit aufgeführt worden ist. Denn dieser Rechtsfehler ist in erster Linie im Verhalten des Arbeitgebers begründet und fällt nicht in den Verantwortungsbereich des Unfallversicherungsträgers.
Orientierungssatz
Im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Südafrika gab und gibt es keine Regelungen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts iS von § 6 SGB 4 (vgl die Übersicht zu den Abkommensstaaten in Nr 2.2.1 der Richtlinien der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB 4) und Einstrahlung (§ 5 SGB 4) Fassung vom 24.4.1989 in: HVBG RdSchr VB 52/89 vom 17.8.1989).
Tenor
I. Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Sozialgerichts Gießen vom 21. Mai 2010 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten wegen der Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und Gewährung von Lebzeitleistungen sowie Hinterbliebenenleistungen an die Ehefrau und Rechtsnachfolgerin des 1938 geborenen und 2007 verstorbenen B. A..
Herr A. war von 1977 bis 1982 und von 1984 bis 1991 für die Firma Maschinenfabrik CP. AG (CP.) Werk BJ., als Inbetriebsetzer von Kraftwerkanlagen in Südafrika tätig. In dieser Tätigkeit war er nach Aktenlage hoher Asbestbelastung ausgesetzt. Herr A. war deshalb seit Beginn der 90er Jahre bei der Zentralen Erfassungsstelle asbeststaubgefährdeter Arbeitnehmer bei der damaligen Textil- und Bekleidungs-BG, BH., erfasst. Im Jahr 1990 wurde eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung durch den betriebsärztlichen Dienst der CP. Werk BJ. durchgeführt. Zu einer Kontrolluntersuchung im Juni 1998 erschien Herr A. nicht, daraufhin wies ihn die Beklagte mit Schreiben vom 8. Januar 1999 auf seine Mitwirkungspflichten hin. Unter dem 6. April 1999 fertigte ein Sachbearbeiter der Beklagten eine Telefonnotiz, wonach Herr A. an diesem Tag angerufen und mitgeteilt habe, er sei jetzt lange auf Montage im Ausland gewesen und habe das Schreiben der Beklagten erst jetzt erhalten. Da er schon am Freitag wieder ins Ausland müsse, wisse er nicht, ob sich aus seiner Sicht ein Feststellungsverfahren durchführen lasse. Auf Aufforderung der Beklagten übersandte er eine Schweigepflichtentbindungserklärung für seinen Hausarzt Dr. D. D. vom XY. Hospital in XX., Südafrika. Darauf hatte er vermerkt, dass er ab 10. April 1999 in Südafrika sei. Auf Nachfrage der Beklagten vom 28. Juni 2000 teilte die Schwester des Herrn A., die in BJ. lebende Frau LR., am 13. Oktober 2000 mit, dass sie nicht sagen könne, wann ihr Bruder wieder in Deutschland sei. Am 13. Juni 2002 meldete sich Herr A. sodann selbst bei der Beklagten und teilte mit, dass er sich derzeit wieder bei seiner Schwester in BJ. (BJ-Straße, BJ.) aufhalte. Er bitte, in dieser Zeit eine Begutachtung zu veranlassen. Dies wurde sodann von der Beklagten bei Dr. RV., BJ., in Auftrag gegeben, der am 1. Juli 2002 ein Gutachten über Herrn A. erstattete. Danach ließ sich zu diesem Zeitpunkt eine Asbestose klinisch und apparativ nicht nachweisen. Mit Bescheid vom 23. August 2002 lehnte die Beklagte deshalb die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV ab; der Bescheid ist bestandskräftig.
Am 23. August 2006 meldete sich die Tochter des Verstorbenen telefonisch bei der Beklagten und teilte mit, dass bei ihrem Vater in Südafrika ein Pleuramesotheliom festgestellt worden sei....