Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrzeit. wichtiger Grund. Trainingsmaßnahme. Verbesserung der Eingliederungsaussichten
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 S. 1 SGB III zur Ablehnung des Einstiegs in eine Trainingsmaßnahme ist dann gegeben, wenn die Bundesagentur für Arbeit von einem Arbeitssuchenden verlangt, Teile einer identischen Maßnahme zu wiederholen.
2. Ein Arbeitsloser ist nicht verpflichtet, an jeder beliebigen Trainingsmaßnahme teilzunehmen, vielmehr muss es sich um eine im Sinne der §§ 48, 49 SGB III förderungsfähige handeln.
3. Die Förderung von Trainingsmaßnahmen, die prognostisch nur eine geringfügige oder unwesentliche Verbesserung der Eingliederungsaussichten versprechen, verstößt gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.
Normenkette
SGB III § 144 Abs. 1 S. 1, §§ 48-49, 7
Verfahrensgang
SG Marburg (Urteil vom 18.08.2004; Aktenzeichen S 8/5 AL 862/03) |
Tenor
- Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichtes Marburg vom 18. August 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2003 aufgehoben.
- Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu erstatten.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Es geht in dem Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit einer Sperrzeit von drei Wochen (5. bis 25. August 2003) wegen der Weigerung des Klägers an der Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme.
Der 1952 geborene Kläger hat nach seinen Angaben über den zweiten Bildungsweg die mittlere Reife abgelegt und war sodann in verschiedenen Berufen tätig. Von Januar 1984 bis Dezember 1985 absolvierte er eine Ausbildung zum Schreiner und bestand im Januar 1986 die Gesellenprüfung. Im März 1992 legte er die Ausbildereignungsprüfung ab. Er war Miteigentümer eines Transportunternehmens in B-Stadt, Betreuer in einer Kindertagesstätte, Miteigentümer eines regionalen Kulturzentrums in Spanien, arbeitete als Schreiner in verschiedenen Betrieben, war ca. drei Jahre in Nicaragua berufstätig, arbeitete zwei Jahre als Ausbilder und Werkstattleiter im Bereich Schreinerei für sozial benachteiligte Jugendliche; seit 1996 führte er Holzprojekte mit jungen Leuten in der Berufsorientierung und ABH (ausbildungsbegleitende Hilfen) bei “Arbeit und Bildung” in M-Stadt durch und war Kursleiter an der Volkshochschule (VHS) für Spanisch. Von Oktober 1994 bis März 2001 studierte der Kläger Ethnologie mit den Nebenfächern Pädagogik, Soziologie, Hispanistik. Im März 2001 erlangte er den Grad eines Magisters mit der Gesamtnote “gut”. Der Kläger war zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum vom 6. Mai 2002 bis zum 14. Juni 2003 als Angestellter bei dem Landkreis K-Stadt im Rahmen einer Beschäftigungsmaßnahme (25 Stunden wöchentlich) beschäftigt. Er reorganisierte in dieser Zeit erfolgreich den Bereich Sprachen bei der Volkshochschule K-Stadt. Das letzte Bruttomonatseinkommen betrug ca. Euro 1.660,-. Ab 15. Juni 2003 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich Euro 182,35 (Bemessungsentgelt Euro 395,- wöchentlich, Leistungsgruppe B…, Kindermerkmal 1, Anspruchsdauer 180 Tage). Mit Schreiben vom 18. Juni 2003, das in den Verwaltungsakten nicht enthalten ist, bot die Beklagte dem Kläger eine Trainingsmaßnahme “Fit für den Job” bei dem Träger “Möller – Der Baustein für Ihre Bildung” ab 30. Juni 2003 (Dauer 8 Wochen) an. Der Kläger widersprach dem Angebot u.a. mit der Begründung, dass diese Trainingsmaßnahme für ihn nicht relevant sei. Seit über 10 Jahren sei er als Honorarkraft bei Beschäftigungsfirmen aktiv und leite u.a. ABH und Berufsorientierungsmaßnahmen, so dass er den Jugendlichen und jungen Erwachsenen selber ähnliche Inhalte vermittelt habe. Leider sei hier keine feste Stelle in Aussicht. Außerdem habe er eine Maßnahme von 25 Wochenstunden absolviert und damit schon gezeigt, dass er mit seinem 4-jährigen Sohn organisationsfähig sei. Auch würde das Praktikum in eine Zeit fallen, in der er von der VHS K-Stadt für die Sommersprachkurse als Sprachlehrer für Spanisch vorgesehen sei. Er sei sich sehr wohl bewusst, dass er dann für diese Zeit keine Leistungen des Arbeitsamtes in Anspruch nehmen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2003 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig, da es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine Information gehandelt habe. Der Kläger begann sodann die Trainingsmaßnahme. Per e-Mail vom 1. Juli 2003 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die Trainingsmaßnahme eine Zumutung sei. Er sitze als einziger Mann zwischen lauter Frauen, die, außer einer Frau, alle aus einem anderen Bereich kämen. Es sei für ihn völlig unsinnig, auf dieser Basis in eine Gruppenarbeit einzusteigen. Er habe die Sache heute seinem Anwalt übergeben, der sich bei dem Arbeitsamt melden werde. Mit e-Mail vom 15. Juli 2003 wies der Kläger darauf hin, dass er ab 21. in seinem neuen Job sitze, aber leider nur für zwei Wochen. Auf das Schreib...