Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Beschäftigung eines Familienangehörigen. Ehegatte. familienhafte Mithilfe. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Abgrenzung. Rechtsmacht. Firmeninhaber
Leitsatz (amtlich)
1. Eine abhängige Beschäftigung in einer Einzelfirma eines nahen Familienangehörigen liegt auch dann vor, wenn nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles der als Arbeitnehmer geführte (leitende) Angestellte oder Fremdgeschäftsführer auf Grund seiner Stellung in der Familie faktisch vollkommen freie Hand in der Führung der Geschicke des Unternehmens hat und wie ein Alleininhaber "frei Schalten und Walten kann".
2. Maßgeblich ist allein die Rechtsmacht des Firmeninhabers. Im Konfliktfall, zB wenn es zu einer familiären Trennung kommt und die familiären Rücksichtnahmen ein Ende haben, kann von den vertraglich niedergelegten Befugnissen jederzeit wieder Gebrauch gemacht werden, so etwa auch von einem Weisungs- und Kündigungsrecht. Es ist daher konsequent und im Hinblick auf größtmögliche Rechtssicherheit geboten, eine von Anfang an latent vorhandene Rechtsmacht auch dann für eine abhängige Beschäftigung ausschlaggebend sein zu lassen, wenn von ihr konkret (noch) kein Gebrauch gemacht worden ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. März 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für den Betrieb seiner Ehefrau, der Beigeladenen zu 1., in der Zeit vom 1. Mai 1998 bis 30. Juni 2006 abhängig beschäftigt war und damit der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Der 1957 geborene Kläger ist seit 1. Mai 2003 freiwillig versichertes Mitglied bei der Beklagten zu 1., nachdem er zuvor bei der Beklagten zu 2. krankenversichert gewesen ist.
Seine Ehefrau - die Ehe besteht seit dem 11. Mai 1980 - ist Alleininhaberin der Firma A., Studio für Digitaltechnik. Der Kläger hatte eine Ausbildung zum Fotografenmeister absolviert und sich später auf die aufkommende Digitaltechnik umgestellt. Er war seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts zu Folge zunächst Gesellschafter einer GmbH, die mit klassischer Fotografiertechnik arbeitete, mit einem 30 %igen Gesellschaftsanteil gewesen. Er schied dort aus, weil der Mitinhaber die Firma nicht auf die neue digitale Technik umstellen wollte. Im GmbH-Gesellschaftsvertrag sei eine Wettbewerbsklausel enthalten gewesen, die ihm untersagt habe, im Umkreis von 25 km von O. eine Konkurrenzfirma zu gründen. 1998 hätten deshalb er und seine Ehefrau entsprechend den Empfehlungen von Steuerberatern und Banken eine Gestaltung gewählt, demzufolge seine Ehefrau eine Firma für Digitaltechnik in A-Stadt gründete und er für diese als Berater tätig wurde. Die Ehefrau des Klägers hatte für ihre Firma mit diesem unter dem 28. April 1998 einen schriftlichen Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte abgeschlossen. Dieser bestimmte, dass der Kläger ab 1. Mai 1998 als Computeroperator/Akquisiteur angestellt werde mit einem monatlichen Bruttogehalt von 6.300,00 DM bei einer wöchentlichen tarifvertraglich geregelten Arbeitszeit von zur Zeit 40 Stunden und einem Urlaubsanspruch von 28 Arbeitstagen. Weiter sah der Vertrag Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit den entsprechenden Mitteilungs- und Nachweispflichtenpflichten zur Arbeitsunfähigkeit (Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit spätestens am dritten Tage der Erkrankung) und Regelungen zur Kündigungsfrist vor. Weiter verpflichtete sich der Kläger als Angestellter die jeweils gültigen Betriebsordnungen zu befolgen und erklärte sich den betriebsüblichen Kontrollmaßnahmen einverstanden. In § 10 des Angestelltenvertrages heißt es wie folgt: „Die Aufhebung, Änderung und Ergänzung dieses Angestelltenvertrages bedürfen der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen, auch die mündliche Vereinbarung über die Aufhebung der Schriftform, sind nichtig. Angestellter und Arbeitgeber bestätigen, je ein von beiden Parteien unterschriebenes Exemplar dieses Vertrages empfangen zu haben.„
Im streitgegenständlichen Zeitraum war dem Kläger das vereinbarte Arbeitsentgelt auf ein privates Konto überwiesen worden. Von dem Arbeitsentgelt war Lohnsteuer entrichtet und dieses war in der Firma der Ehefrau als Betriebsausgabe verbucht worden.
Im Mai 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 1 zu prüfen, ob seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 sozialversicherungspflichtig sei. ln diesem Zusammenhang legte er einen von ihm und der Beigeladenen zu 1 ausgefüllten Feststellungsbogen vor. Darin gaben sie an, dass der Kläger als Computeroperator und Aquisemanager an sechs Arbeitstagen pro Woche 50 bis 60 Stunden ohne feste Arbeitszeiten tätig sei und alle im Zusammenhang mit der Unternehmensführung anfallenden Arbeiten verrichte. Er verdiene 3.324,00 € brutto monatlich. Der Kläger legte den Arbeitsvertra...