Wie eingangs erläutert, sind Unternehmen bei der Entscheidung, ob die Inflationsausgleichprämie gezahlt wird, vollständig frei. Hingegen sind bei der Frage, welche Mitarbeiter bzw. Mitarbeitergruppen eine Inflationsprämie erhalten und wie hoch sie für die ausgewählten Gruppen ist, arbeitsrechtliche Grundsätze und Gesetze zu beachten. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist auch der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz gebunden. Das heißt, dass einzelne Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen nicht willkürlich von der Leistung ausgenommen werden dürfen. Vielmehr muss für die Gruppenbildun g ein sachlicher Grund bestehen. Dieser sachliche Grund orientiert sich insbesondere an dem Zweck der Leistung, hier also dem Ziel der Prämie, die gestiegenen Verbraucherpreise abzumildern.
Ein Ausgleich der inflationsbedingten Teuerungsrate muss nicht zwingend allen Arbeitnehmern gleichmäßig gewährt werden, wenn sachliche Gründe für eine Differenzierung bestehen. Als zulässiger Differenzierungsgrund für die Inflationsausgleichsprämie kommt damit insbesondere die Entgeltgruppe bzw. allgemein die Höhe des Gehalts oder soziale Aspekte (z. B. Familienstand) als sachlicher Grund in Betracht, da die Inflation – auch wenn sie jeden betrifft – untere Einkommensgruppen und Familien spürbar stärker belastet. Zulässig dürfte es hingegen sein, die Prämie Teilzeitbeschäftigten nur entsprechend dem Anteil ihrer Arbeitszeit auszuzahlen. Dass Mütter bislang eventuell länger in Elternzeit gehen als Väter und damit seltener Anspruch auf den Inflationsausgleich haben, stellt keine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dar, da der tarifliche Inflationsausgleich einen Vergütungszweck verfolgt.
Folgende Differenzierungsgründe dürften hingegen problematisch sein:
- Zahlung der Prämie ausschließlich oder maßgeblich an Leistungsträger,
- Differenzierung nach körperlichen Belastungen am Arbeitsplatz,
- Differenzierung nach Betriebszugehörigkeit,
- Ausnahme von Mitarbeitern in der Probezeit,
- Ausnahme von langzeiterkrankten Mitarbeitern,
jeweils, weil die Inflationsausgleichsprämie ihrer Zielsetzung nach weder die Betriebstreue, noch körperliche Belastungen, Anwesenheitszeiten oder gute Leistungen belohnen bzw. ausgleichen soll.
In Unternehmen mit Betriebsrat gelten diese Grundsätze allerdings nur eingeschränkt, wenn eine entsprechende Betriebsvereinbarung über die Verteilung der Prämie geschlossen wird. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo dieser auch durch eigenes Verhalten Regeln schafft, nicht hingegen bei bloßem Vollzug von Betriebsvereinbarungen. Da der Betriebsrat als Interessenvertretung eine "Kontrollinstanz" darstellt und sich als solche im Rahmen einer Betriebsvereinbarung mit den Differenzierungsmerkmalen einverstanden erklärt, dürften Gerichte hier weniger strenge Maßstäbe anlegen. Gänzlich willkürliche oder gar diskriminierende Regelungen sind jedoch auch mit dem Betriebsrat nicht möglich.
Per se unzulässig sind Gruppenbildungen allein nach dem Alter, dem Geschlecht oder sonstigen Merkmalen des § 1 AGG. Die Ausnahme von Teilzeitbeschäftigten oder befristet Beschäftigten oder allgemein "Aushilfen" ist grundsätzlich nicht möglich und allenfalls dann denkbar, wenn diese in einer Nebenbeschäftigung arbeiten und eine Inflationsausgleichsprämie bereits in ihrem Hauptarbeitsverhältnis erhalten (haben). Dies gilt jeweils auch für Regelungen in Betriebsvereinbarungen.
Werden einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen unzulässiger Weise von der Prämie ausgeschlossen, können die nicht berücksichtigten Arbeitnehmer ggf. Ansprüche auf Zahlung geltend machen.
In betriebsratslosen Betrieben beachten
Die o. g. Gleichbehandlungsaspekte erlangen vor allem Bedeutung, wenn die Inflationsprämie und deren Verteilung nicht in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist.